Alkohol am Steuer – wann droht die MPU?

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Fahrten im betrunkenen Zustand können – je nach den Umständen des Einzelfalls – als Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB oder als Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB strafbar sein. Häufig steht dann die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Diskussion, was immer auch mit der Verhängung einer Sperrfrist von meist deutlich über 6 Monaten verknüpft wird. Als wäre es nicht schlimm genug für die (meist selbstkritischen) Beschuldigten, dass innerhalb der Sperrfrist die Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis unmöglich ist, ängstigen sich viele davor, eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) durchstehen zu müssen. Nachfolgend soll ein grober Überblick darüber gegeben werden, unter welchen Umständen eine solche Begutachtung „bestanden“ werden muss, um einen neuen Führerschein erhalten zu können.



I.) Eindeutige „MPU-Fälle“: mehr als 1,6 Promille / Wiederholungstaten


1.) Immer ist im Wiedererteilungsverfahren von der Anordnung einer MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde auszugehen, wenn jemand im Straßenverkehr ein Fahrzeug bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von wenigstens 0,8 mg/l geführt hat.


2.) Gleiches gilt auch, wenn es sich nicht um ein erstes Vergehen handelt, sondern wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden.


Weitgehend unbekannt ist, dass es dafür keiner allzu hohen Alkoholwerte bedarf. Auch jene, die zweimal im Bereich bloßer Ordnungswidrigkeiten und damit außerhalb des Strafrechts gegen die sogenannte 0,5-Promille-Grenze verstoßen haben, laufen somit Gefahr, dass die für sie örtlich zuständige Führerscheinstelle ihre Fahrtauglichkeit überprüft, indem eine MPU angeordnet wird.


Besonders tückisch ist dabei: Abgesehen von der in der Praxis häufig festzustellenden Unkenntnis dieses Anordnungsgrundes erfolgt die Aufforderung zur Vorlage eines MPU-Gutachtens häufig erst Monate nach Abschluss des (letzten) Bußgeldverfahrens und verbunden mit einer recht kurzen Frist. Das Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde erwischt Betroffene meist völlig unerwartet und lässt nur wenig Möglichkeiten, die notwendigen Maßnahmen in der verbleibenden Zeit zu betreiben. Wer nicht zur rechten Zeit entsprechende Hinweise erhalten hat, wird im Nachgang zu dem (letzten) Bußgeldverfahren nicht selten die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf dem Verwaltungsrechtsweg hinnehmen müssen, obwohl er nach Verbüßung des Fahrverbots und Zahlung der Geldbuße die Tat als gesühnt und die Sache als abgehakt glaubte.



II.) Ungewisse „MPU-Fälle“: schon ab 1,1 Promille


Während man zu früheren Zeiten die Ausführungen zu den regelmäßigen Gründen für die Anordnung einer MPU an dieser Stelle hätte beenden können, gab das Bundesverwaltungsgericht Mitte März 2021 Anlass zum Umdenken:


Hiernach kommt die Anordnung einer MPU unter bestimmten Umständen schon dann in Betracht, wenn „nur“ eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille odeer mehr festzustellen war. Dies gilt namentlich dann, wenn im zu entscheidenden Fall sogenannte Zusatz-Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.


In dem höchstrichterlich entschiedenen Fall hatte der damalige Betroffene trotz 1,3 Promille keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z.B. Fahrfehler, Störungen oder Auffälligkeiten im Denkablauf oder in der Sprache etc.) gezeigt. Dies rechtfertige die Annahme einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und damit zugleich die Befürchtung einer erhöhten Rückfallgefahr.



III.) Zusammenfassung und Empfehlungen


Weitgehend bekannt ist, dass eine MPU-Begutachtung zu durchlaufen ist, wenn 1,6 Promille oder mehr erreicht wurden.


Relativ unbekannt und für die Betroffenen höchst überraschend und für ihre Mobilität zugleich bedrohlich ist demgegenüber, dass sie sich auch dann begutachten lassen müssen, wenn es zu zwei Verstößen gegen die 0,5-Promille-Grenze gekommen ist.


Die Änderungen, die das Bundesverwaltungsgericht 2021 bewirkt hat, führen zudem zu erheblichen Unsicherheiten im Rechtsalltag. Am Ende ist es schließlich eine Ermessensentscheidung der sachbearbeitenden Personen bei der Führerscheinstelle, ob nach dem Inhalt der strafrechtlichen Ermittlungsakte alkoholbedingte Ausfallerscheinungen festzustellen sind oder nicht und ob deswegen im letztgenannten Fall auch schon zwischen 1,10 und 1,59 Promille eine MPU-Anordnung gerechtfertigt erscheint.


Fakt ist zudem, dass in allen Fällen, in denen eine MPU schlussendlich auch durchzuführen ist, das Bestehen der Begutachtung davon abhängig ist, dass rechtzeitig verschiedene Vorbereitungsmaßnahmen getroffen wurden. Dies wiederum ist nur möglich, wenn den Betroffenen das Erfordernis auch frühzeitig bekannt wird. Daher ist dringend anzuraten, in allen Fällen der Verkehrsteilnahme im alkoholisierten Zustand schnellstmöglich kompetenten anwaltlichen Rat einzuholen.



IV.) Ergänzende Informationen

Gerne verweisen wir abschließend noch auf unsere sonstigen Beiträge zum Thema "Alkohol am Steuer": 



Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht


Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel ist auf die Verteidigung in Verkehrsstrafsachen spezialisiert und wurde seit 2015 mehr als ein Dutzend mal im FOCUS- und STERN-Magazin ausgezeichnet. Binnen mehr als 20 Berufsjahren hat er bundesweit hunderte Verfahren wegen Verstößen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss geführt. Mehr Informationen finden Sie unter www.anwalt-strafrecht.com .



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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