Die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose erfordert zweifelsfreien Gewinn

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Die handelsrechtliche Fortführungsprognose, die Fortführungsprognose im Sanierungsgutachten und die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose sind für die erfolgreiche Beseitigung von betrieblichen Schieflagen von Bedeutung. 

Die handelsrechtliche Fortführungsprognose richtet sich nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen des § 252 HGB. Hiernach ist u. a. (vornehmlich bei der Bewertung von Aktiv- und Passivposten in der Überschuldungsberechnung) von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen, § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Es könnten theoretisch schon eine absehbare fehlende Auftragslage oder der Wegfall von Schlüsselmitarbeitern Liquidationswerte erfordern. Allerdings: Der Grundsatz der Unternehmensfortführung gilt als Regelvermutung. 

Der Prognosezeitraum (für entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Gründe) erfasst grundsätzlich das laufende und folgende Geschäftsjahr, es sei denn, ein längerer Zeitraum ist aus unternehmensspezifischen Gesichtspunkten geboten (Winkeljohann/Büssow, Beck´ scher Bilanzkommentar, 11. Aufl. 2018, § 252, Rz. 11).

Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen richtigen Jahresabschluss. Er kann wegen Verletzung des Werkvertrags in Anspruch genommen werden, BGH v. 26.01.2017 - IX ZR 285/14. In Betracht kommen aber auch Ansprüche aus abgetretenem Recht. Gemeint sind die abgetretenen Ansprüche des Geschäftsführers der Gesellschaft wegen § 64 GmbHG und § 15 a InsO (früher § 64 Abs. 1 GmbHG). Das BGH-Urteil vom 07.12.2017, Az.: IX ZR 25/17, ermöglicht einen Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Der Gläubiger der insolventen Gesellschaft kann sich also die Ansprüche des Geschäftsführers gegen den Steuerberater wegen Leistungsmängel abtreten lassen oder diese pfänden. 

Die Fortführungsprognose im Sanierungsgutachten richtet sich nach dem IDW Standard „Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6)“. Das Sanierungskonzept soll die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zutreffend beurteilen und eine positive Fortbestehensprognose beinhalten. Es beschreibt die für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen. 

Das Sanierungskonzept soll aufzeigen, dass das Unternehmen objektiv sanierungsfähig ist und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen insgesamt objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren, nach Schmidt/Schröder, Die Fortführungsprognose im Bilanz-, Sanierungs- und Insolvenzrecht, RWS-Praktiker-Seminar-Skript, Seite 80, vom 13. Mai 2019.

Es soll in zusammengefasster Form eine zahlenmäßige Planung des Sanierungsablaufs enthalten. Durch die rechnerische Verprobung soll zugleich die Finanzierbarkeit der beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen nachgewiesen werden. Ausgehend von der Ist-Lage und den identifizierten Problem- und Verlustbereichen sollen die Maßnahmeneffekte zu quantifizieren und in einem integrierten Unternehmensplan zusammenzuführen sein. Darüber hinaus soll die Tragfähigkeit und Stimmigkeit des Sanierungskonzepts auch anhand der Entwicklung geeigneter Kennzahlen im Planungszeitraum zu plausibilisieren sein (IDW S 6, dort „Integrierte Sanierungsplanung“. 

Nach einer Mitteilung des Steuerberaterverbandes Bremen sei für eine Fortführungsprognose eine Planbilanz zu erarbeiten.

Die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (§ 19 InsO) soll die Fortführung des Unternehmens aufgrund einer positiven Prognose ermöglichen. Bei der Überschuldungsberechnung seien Aktiva und Passiva im Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten anzusetzen, wobei ggf. vorhandene stille Reserven und Lasten aufzudecken seien (IDW S 11, Tz. 74). 

Eine positive Fortführungsprognose setze subjektiv den Fortführungswillen des Schuldners mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept sowie objektiv einen Ertrags- und Finanzplan für einen angemessenen Prognosezeitraum voraus, aus dem sich ergebe, dass die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig zur Fortführung des Unternehmens ausreiche (BGH, ZInsO 2018, 815, T. 23).

Die Fortführungsprognose nach § 19 soll im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose sein, die neben dem Fortführungswillen des Schuldners einer nachvollziehbaren Vermögens-, Ertrags- und Finanzplanung bedarf, OLG Hamburg, ZlnsO 2018, 935, 938, nach Schmidt/Schröder, Die Fortführungsprognose im Bilanz-, Sanierungs- und Insolvenzrecht, RWS-Praktiker-Seminar-Skript, Seite 80, vom 13. Mai 2019.

Arbeite das Unternehmen ständig mit Verlust, sei eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert werde, von vornherein nicht tragfähig, weil dann der erneute Anstieg der Verbindlichkeiten unausweichlich und der erneute Eintritt der Insolvenzreife absehbar sei, BGH-Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 65/14.

Fazit: Am wichtigsten ist die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose bei einem kriselnden Betrieb, § 19 InsO. Nach Auffassung des Steuerberaterverbandes Bremen ist bei einer Fortführungsprognose eine Planbilanz unentbehrlich. Zwecks Meidung des Vorwurfes fehlender Gewinnerzielungsabsicht erfordert die Planbilanz im Umkehrschluss aus dem BGH-Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 65/14 – einen zweifelsfreien Gewinn.


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