Die positive Fortführungsprognose zur Beseitigung der Überschuldung: Anforderungen an ein Sanierungsgutachten.

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1. Einleitung

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder unternehmerischer Herausforderungen kann die Existenz eines Unternehmens auf dem Spiel stehen. 

Ein Sanierungsgutachten kann in solchen Fällen nicht nur Klarheit über die aktuelle Situation schaffen, sondern auch Wege aus der Krise aufzeigen. 

Besonders im Kontext der Überschuldung eines Unternehmens spielt das Sanierungsgutachten eine entscheidende Rolle. Es bildet die Grundlage für eine positive Fortführungsprognose und kann somit die Überschuldung im Sinne des § 19 InsO aufheben. 

In Deutschland ist der IDW-Standard S 6 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) die maßgebliche Richtlinie für die Erstellung solcher Gutachten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in verschiedenen Urteilen die Anforderungen an ein Sanierungsgutachten nach IDW S 6 konkretisiert. Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick über diese Anforderungen geben.


2. Warum ist ein Sanierungsgutachten notwendig?

a.) Klärung der Insolvenzfrage

Ein Sanierungsgutachten dient zunächst dazu, die Frage der Insolvenzreife zu klären. Überschuldung ist einer der drei Insolvenzgründe nach deutschem Insolvenzrecht (neben Zahlungsunfähigkeit und drohender Zahlungsunfähigkeit). Ein qualifiziertes Sanierungsgutachten kann feststellen, ob die Überschuldung tatsächlich zur Insolvenz führt oder ob es Sanierungsoptionen gibt.

b.) Positive Fortführungsprognose und Aufhebung der Überschuldung

Das Sanierungsgutachten kann die Grundlage für eine positive Fortführungsprognose bilden. Diese Prognose besagt, dass das Unternehmen trotz aktueller Überschuldung in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit zu bedienen. Wenn diese Prognose durch ein Sanierungsgutachten gestützt wird, entfällt der Überschuldungsgrund nach § 19 InsO (selbst wenn bilanziell eine Überschuldung vorliegt). 


3. Struktur und Inhalt eines Sanierungsgutachtens

a.) Ist-Analyse

Unternehmensprofil

  • Darstellung des Unternehmens, seiner Struktur und seiner Geschäftsfelder.
  • Analyse der Unternehmensgeschichte und bisherigen Entwicklung.

Finanzielle Situation

  • Analyse der Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Cashflows.
  • Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten.

Markt- und Wettbewerbsanalyse

  • Bewertung der Marktposition und der Wettbewerbssituation.
  • Analyse der Marktchancen und -risiken.

b.) Prognose

Basisprognose

  • Darstellung der erwarteten Entwicklung ohne Sanierungsmaßnahmen.
  • Szenario-Analyse für verschiedene Entwicklungen.

Sanierungsprognose

  • Darstellung der erwarteten Entwicklung mit Sanierungsmaßnahmen.
  • Bewertung der Erfolgsaussichten der Sanierungsmaßnahmen.

c.) Sanierungskonzept

Maßnahmenkatalog

  • Auflistung und Bewertung der geplanten Sanierungsmaßnahmen.
  • Priorisierung der Maßnahmen nach Dringlichkeit und Effektivität.

Finanzierung

  • Darstellung der Finanzierungsquellen und -bedingungen.
  • Bewertung der Finanzierbarkeit der Sanierungsmaßnahmen.

Zeitplan

  • Genaue Planung der Umsetzungsphasen.
  • Festlegung von Meilensteinen und Kontrollpunkten.


4. Qualitative Anforderungen

a.) Objektivität und Unabhängigkeit

Das Gutachten muss von einem unabhängigen und qualifizierten Sachverständigen erstellt werden. Dies gewährleistet die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Gutachtens.

b.) Nachvollziehbarkeit

Alle Annahmen und Berechnungen müssen transparent und nachvollziehbar sein. Dies ist wichtig für die Akzeptanz des Gutachtens durch Dritte, wie zum Beispiel Gläubiger oder Gerichte.

c.) Aktualität

Das Gutachten muss aktuelle Daten und Informationen verwenden. Veraltete Daten können zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen und die Glaubwürdigkeit des Gutachtens untergraben.


5. Rechtliche Anforderungen

a.) Insolvenzrechtliche Relevanz

Das Gutachten muss die Frage klären, ob eine Insolvenzreife vorliegt oder abgewendet werden kann. Dies ist entscheidend für die rechtliche Situation des Unternehmens und seiner Geschäftsführung.

b.) Haftungsfragen

Das Gutachten sollte auch die haftungsrechtlichen Aspekte für die Geschäftsführung und die Gläubiger berücksichtigen. Eine fehlerhafte oder unvollständige Analyse kann zu rechtlichen Konsequenzen führen.


6. Fazit

Die Anforderungen an ein Sanierungsgutachten nach IDW-Standard S 6 sind umfangreich und komplex. Sie reichen von der detaillierten Analyse der Ist-Situation über die Prognose der zukünftigen Entwicklung bis hin zum konkreten Sanierungskonzept. 

Dabei müssen sowohl qualitative als auch rechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Die Einhaltung dieser Standards ist nicht nur für die Qualität des Gutachtens selbst, sondern auch für die rechtliche Absicherung der beteiligten Parteien von entscheidender Bedeutung.

Aufgrund der zu beachtenden insolvenzrechtlichen Mechanismen ist die Beauftragung eines fachkundigen Rechtsanwalts mit der Erstellung des Gutachtens und des Sanierungskonzepts anzuraten.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und vertrete durchsetzungsstark und resolut auch Ihre Interessen ggü. (Mit)Gläubigern und dem Insolvenzverwalter. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder Schreiben Sie mich an.

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Foto(s): Dr. Holger Traub


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