Die Liquidation der GmbH – Einleitung, Abwicklung und Beendigung (Teil II B)

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III. Sperrjahr

Das Sperrjahr, das mit dem öffentlichen Aufruf in den Gesellschaftsblättern gemäß § 65 Abs. 2 GmbHG zu laufen beginnt, dient dem Gläubigerschutz. § 73 GmbHG enthält ein qualifiziertes Ausschüttungsverbot, das Gläubiger vor einer vorschnellen Vermögensverteilung an die Gesellschafter schützt. 

Während § 30 GmbHG Ausschüttungen an die Gesellschafter nur insoweit verbietet, als hierdurch eine Unterbilanz herbeiherbeigeführtgeführt oder vertieft wird, verbietet § 73 GmbHG während des Sperrjahres sämtliche Ausschüttungen an die Gesellschafter.

§ 73 Abs. 2 GmbHG differenziert zwischen bekannten und unbekannten Gläubigern: Richtigerweise ist die Vorschrift aber so zu verstehen, dass es nicht auf die Kenntnis der Person des Gläubigers, sondern auf die Kenntnis seiner Forderung ankommt. 

Maßgeblich ist, ob die Forderung dem Grunde und dem wesentlichen Betrage nach bekannt ist. Unerheblich ist, ob die Gesellschaft diese Kenntnis durch Anmeldung nach § 65 Abs. 2 S. 2 GmbHG oder in anderer Weise erlangt hat.

Damit eine Forderung bekannt ist im Sinne dieser Vorschrift, reicht fahrlässige Unkenntnis des Liquidators zwar nicht aus. Auf die subjektive Unkenntnis des konkreten Liquidators kommt es aber auch nicht alleine an; vielmehr ist das Wissen der Gesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen über die Wissenszurechnung in arbeitsteilig organisierten juristischen Personen dem Liquidator zuzurechnen. 

Der Gesellschaft sind hiernach alle Informationen bekannt, die den Liquidatoren bei ordnungsgemäßer Speicherung, Weitergabe und Abrufbarkeit der Daten zur Verfügung stehen würden. 

Die Liquidatoren sind verpflichtet, die entsprechenden Gesellschaftsunterlagen und -daten zur Ermittlung der Gläubiger auszuwerten. 

Bekannte Gläubiger sind zu befriedigen, soweit ihre Forderungen unstreitig oder rechtskräftig festgestellt und fällig sind. 

Bei zweifelhaften Ansprüchen kann der Liquidator nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er diese bestreitet, anerkennt oder einen Vergleich abschließt.

Anstelle der Befriedigung sieht § 74 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 GmbHG Sicherheitsleistung vor, wenn die Berichtigung der Verbindlichkeit derzeit nicht ausführbar ist. Dies ist der Fall bei bedingten oder betagten Verbindlichkeiten; dasselbe gilt bei noch nicht fälligen Verbindlichkeiten. 

Sicherheit ist nach Alt. 2 der Vorschrift ferner dann zu leisten, wenn Verbindlichkeiten nach Grund oder Höhe streitig sind. Die Sicherheitsleistung kann durch alle im Wirtschaftsleben gebräuchlichen Sicherheiten geleistet werden, insbesondere durch Bürgschaften eines deutschen oder europäischen Kreditinstituts hoher Bonität.

Ist der Gläubigeraufruf erfolgt, haben Gläubiger innerhalb eines Jahres ihre Forderungen bei der Gesellschaft anzumelden; aus unbekannten Gläubigern werden dadurch bekannte Gläubiger, deren Forderungen auf vorgenannte Weise zu befriedigen bzw. zu sichern sind, bevor die Schlussverteilung an die Gesellschafter erfolgen darf.

Melden sich Gläubiger nicht innerhalb der Jahresfrist, verlieren sie dadurch nicht ihre Forderung. Es handelt sich beim Sperrjahr nicht um eine Ausschlussfrist. Auch hat das Sperrjahr keine Auswirkungen auf die Fälligkeit der Forderungen; es bewirkt weder eine Stundung bereits fälliger Forderungen noch eine vorzeitige Fälligkeit noch nicht fälliger Forderungen.

§ 73 Abs. 2 S. 1 GmbHG betrifft den Fall, dass sich ein bekannter Gläubiger nicht meldet und eine Berechtigung zur Hinterlegung besteht. Die Vorschrift begründet kein eigenständiges Hinterlegungsrecht für den Fall, dass sich ein bekannter Gläubiger nicht meldet. Vielmehr hat die Gesellschaft auch solche Gläubiger zu befriedigen, die ihr bekannt sind und die sich nicht gemeldet haben.

Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass eine Hinterlegung nur dann in Frage kommt, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für eine Hinterlegung gemäß §§ 372 ff. BGB vorliegen, also Ungewissheit über die Person des Gläubigers besteht oder der Gläubiger in Annahmeverzug ist.

Weitere Voraussetzung ist, dass die geschuldete Leistung der Beschaffenheit nach zur Hinterlegung geeignet ist, was bei Geldschulden unproblematisch ist; bei nicht hinterlegungsfähigen Sachen ist gemäß § 383 BGB eine Versteigerung der Sache und anschließende Hinterlegung des Erlöses vorzunehmen.

§ 73 GmbHG ist nicht abdingbar, auch nicht mit Zustimmung sämtlicher bekannter Gläubiger. Denn die Vorschrift dient auch und gerade dem Schutz unbekannter Gläubiger, die durch das Sperrjahr zu bekannten Gläubigern werden sollen.

Von Bedeutung ist der Ablauf des Sperrjahres für das Registergericht, das vor einer Löschung der GmbH im Handelsregister den Ablauf des Sperrjahres zu überprüfen hat. 

Eine Löschung vor Ablauf des Sperrjahres ist allerdings dann zulässig, wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des Sperrjahres: Wenn eine Verteilung von Vermögen erst nach Ablauf des Sperrjahres erfolgen darf, setzt dies das Vorhandensein von Vermögen voraus. Ist dieses bereits erschöpft, kommt eine Verteilung desselben nicht mehr in Betracht, sodass auch das Zuwarten bis zum Ablauf des Sperrjahres keinen Schutz für Gläubiger mehr bewirken kann.

IV. Liquidationsschlussbilanz

Die Liquidationsschlussbilanz ist nicht explizit im Gesetz geregelt; deren Erforderlichkeit folgt aber aus der allgemeinen – öffentlich-rechtlichen – Pflicht zur Rechnungslegung der Gesellschaft. 

Daher muss auch das letzte (Rumpf-)Geschäftsjahr der GmbH mit einem Jahresabschluss enden.

Die Bilanz ist mit einer Gewinn- und Verlustrechnung zu versehen; im erläuternden Anhang ist darzustellen, wie die Auskehrung des noch vorhandenen Reinvermögens an die Gesellschafter erfolgen soll. 

Ob eine Pflicht zur Abschlussprüfung besteht, ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 316 ff. HGB. 

Abweichend hiervon kann das Gericht aber gemäß § 71 Abs. 3 GmbHG von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreien, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft so überschaubar sind, dass eine Prüfung im Interesse der Gläubiger und der Gesellschafter nicht geboten erscheint. 

Angesichts der in diesem Stadium vollständig abgewickelten Rechtsverhältnisse mit Dritten dürfte hiervon regelmäßig auszugehen sein.

V. Vermögensverteilung

Eine Vermögensverteilung an die Gesellschafter gemäß § 72 GmbHG setzt naturgemäß voraus, dass nach Versilberung der Vermögenswerte und Tilgung oder Sicherstellung aller Verbindlichkeiten noch Restvermögen vorhanden ist. 

Bei verbleibenden Verbindlichkeiten findet hingegen keine Verteilung des negativen Betrags statt; eine Nachschusspflicht besteht nicht.

Den Gesellschaftern gebührt das am Ende der Liquidation verbleibende Liquidationsguthaben anteilig entsprechend der Höhe ihrer Geschäftsanteile zueinander. Eigene Anteile der Gesellschaft bleiben hierbei unberücksichtigt, sodass sich die Anteile der Gesellschafter am Guthaben in einem solchen Fall entsprechend erhöhen.

Eine Abweichung von diesem Verteilungsschlüssel kommt nur durch Regelungen im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder einstimmigen – den Gesellschaftsvertrag ändernden – Beschluss sämtlicher Gesellschafter in Frage.

Inhaltlich ist der Anspruch der Gesellschafter auf den anteiligen Liquidationserlös auf eine Geldzahlung gerichtet. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 70 GmbHG. Da eine § 731 S. 2, § 752 BGB vergleichbare Regelung fehlt, findet grundsätzlich keine Teilung in Natur statt. 

Angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 70 GmbHG verbietet sich mangels Regelungslücke auch eine Analogie.

Wurden Gegenstände aber vom Gesellschafter der GmbH lediglich zur Nutzung überlassen – etwa aus Miet-, Leih- oder Pachtvertrag – ist der Anspruch originär auf Rückgabe eben dieser Gegenstände gerichtet, was sich auch nicht durch die Liquidation nachträglich ändert.

Der Anspruch der Gesellschafter richtet sich gegen die GmbH und ist durch die Liquidatoren zu erfüllen. 

Der Anspruch ist fällig, sobald die Liquidation beendet und das Sperrjahr abgelaufen ist; ein Verteilungsbeschluss der Gesellschafter ist nicht erforderlich. 

Er unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB.

Fortsetzung Teil III – Löschung der GmbH

Gerne berate und vertrete ich Sie hinsichtlich der aufgeworfenen Fragestellungen bei der Beendigung, Liquidation und Auseinandersetzung Ihrer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) – sofern erforderlich auch vor Gericht.

Weitere ausführliche Informationen finden Sie auf meiner Homepage.

V. i. S. d. P.:

Rechtsanwalt Jörg Streichert

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