Die Rechte der Großeltern auf Ihr Enkelkinder müssen gestärkt werden

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-Umgangs- und Sorgerecht für Großeltern
nach Inobhutnahmen durch Jugendämter

In letzter Zeit häufen sich bei mir als Fachanwalt für Familienrecht die Anrufe verzweifelter Großeltern, die ohnmächtig erleben müssen, wie Ihnen die Jugendämter den Kontakt zu ihren Enkelkindern, die in Obhut genommen und bei Pflegefamilien oder in Einrichtungen untergebracht wurden, verwehren. In vielen Fällen haben die Großeltern ihre Enkelkinder  jahrelang nicht sehen dürfen, obwohl sie sich vor der in Obhutname liebevoll um die Kinder kümmerten und oft der einzige Halt waren, den die Kinder angesichts ihrer versagenden Eltern kannten

Die Angst der Großeltern, dass ihre Enkel sie nach den jahrelangen Kontaktsperren noch nicht einmal mehr auf der Straße erkennen würden, ist berechtigt. Die Kinder nicht nur von ihren versagenden Eltern, sondern auch von Großeltern zu trennen, die sich nie den geringsten Verstoß gegen das Kindeswohl schuldig machten, bedeutet in vielen Fällen de facto die totale Zerschlagung der gesamten Familie.

Dabei sind die Großeltern keineswegs rechtlos!

1.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Vorrang der Großeltern bei der Auswahl als Vormund in der Entscheidung vom 27. August 2014 zum Az. 1 BvR 1467/14 in FF 20014,494 bestätigt.

In der Praxis führt dies dazu, dass z.B. nach einem plötzlichen Ableben der Eltern (Unfall, Krankheit   etc) niemand anweifelt, dass die Großeltern diejenigen sind, die am besten für die Kinder sorgen können. Solange es Großeltern gibt, die willens sind, ihre Enkel bei sich aufzunehmen, käme niemand auf die Idee, die Kinder in eine Einrichtung zu stecken und ihnen den Kontakt zu den Großeltern zu verbieten.

2.

Nur wenn im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer 3. Person besser gedient ist, besteht dieser Vorrang nicht. Mit Vermutungen ist es nicht getan. Es müsse nach der Entscheidung unseres Obersten Gerichtes konkrete Erkenntnisse dargelegt werden.

3.

Sie als Großeltern haben gemäß Art. 6 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf, dass sie als Großeltern bei der Auswahl eines Vormundes für die von den Eltern getrennten Kinder in Betracht gezogen werden.

Durch die Vormundschaft wird es ihnen ermöglicht, dass Enkelkind zu sich zu nehmen und in eigener Verantwortung zu betreuen und zu erziehen.

Das Verfassungsgericht führte aus, dass die typischen Probleme, die bekannterweise in dieser Konstellation entstehen können, nicht ausreichen, um im Einzelfall eine Entscheidung gegen die Großeltern zu begründen.

4.

Obwohl das Bundesverfassungsgericht darauf hinwies, dass die Großeltern bei einer Inobhutnamen zu berücksichtigen sind, findet diese Berücksichtigung in der Praxis leider so gut wie nicht statt.

Eine andere Entscheidung kann meiner Meinung nach nur dann getroffen werden, wenn konkrete Erkenntnisse und konkrete Anhaltspunkte gegen die Vormundschaft der Großeltern vorliegen.

Vergleiche Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 30. August 2020,1 BvR 1409/14 in  FF2014, 491

5.

Die Behauptung der Sachbearbeitung bei den Jugendämtern lautet im allgemeinen, die Großeltern könnten sich nicht abgrenzen, so dass die Gefahr des Zugriffs der leiblichen Eltern auf die Kinder bestehe.

Es handelt sich um ein typisches Scheinargument.

Art. 6 GG und das Bundesverfassungsgericht haben sich schließlich anders entschieden. Diese Entscheidung sollte gesetzlich umgesetzt werden.

6.

Den Großeltern und den Geschwistern steht nach § 1685 BGB das Recht zum Umgang zu, wenn der Umgang dem Kindeswohl entspricht. Das Verwandtschaftsverhältnis allein genügt also nicht. Es muss eine soziale Bindung bestehen und der Umgang muss wiederum dem Kindeswohl dienen.

Meiner Meinung nach ergibt sich die Erforderlichkeit und der Anspruch aus der Natur der Sache und aus der Genetik: 


Ein Kind hat ein Recht darauf, seine Wurzeln zu kennen und die Verbundenheit mit der Verwandtschaft zu leben!

Der Umgang mit den Großeltern und den Geschwistern dient dem Kindeswohl, da es in der Gesamtschau die Entwicklung fördert.

7.

Nur die Familie ist der dauerhafte Garant für eine dauerhafte Beziehungsfähigkeit der Kinder.

Auch wenn sich in Obhut genommenen Kinder verständlicherweise an bestimmte Mitarbeiter eine Einrichtung klammern: Diese Mitarbeiter haben Dienstpläne, können z.B. ein krankes Kind nicht betreuenden, wenn sie selbst im Urlaub sind und dergleichen mehr. Auch Pflegeeltern, deren Einsatz und deren Arbeit hiermit ausdrücklich anerkannt werden, sind kein Ersatz für die eigenen Wurzeln.

8.

In familienrechtlichen Verfahren vertreten viele Gerichte die Auffassung, dass die Kindeswohlprognose positiv feststehen müsse. Verbleibende Zweifel gehen dabei stets zulasten der Großeltern. Niemals zu Lasten der Ämter und ihrer Mitarbeiter.

Ich halte dies zwingend für falsch!

Wenn der Gesetzestext eine solche Auslegung zu lasten der Großeltern zulässt, dann muss der Gesetzestext eben dringend geändert werden.

Wie soll man bei einem Kleinkind beweisen, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient!?  

Der Text sollte also nicht lauten, dass ein Recht auf Umgang mit dem Kind besteht, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Der Gesetzestext sollte lauten, der Umgang mit dem Kind besteht, da dieses Recht dem Wohl des Kindes dient, es sei denn, dass das Gegenteil versteht.

Nur so kann der Widerspruch gelöst werden.

9.

Meiner Meinung nach dient es immer dem Kindeswohl, wenn die Großeltern und Geschwister sich ernsthaft und nachhaltig ihrer Verantwortung stellen wollen.

Eine soziale und familiäre Beziehung kann nur entstehen oder gefördert werden, wenn die Enkelkind der Umgang mit ihren Großeltern erleben. Nur so können die Kinder überhaupt ihre Großeltern und ihre Familiengeschichte erfahren und kennen lernen.

10.

§ 1685 Abs. 1 BGB sollte also abgeändert werden und wie folgt lauten:

Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem in Obhut genommenen Kind, da dieser Umgang dem Wohl des Kindes dient.

Als Rechtsanwalt hoffe ich auf die Zustimmung aller Beteiligten, damit die Familie nicht zerrissen werden, wenn den leiblichen Eltern leider das Sorgerecht oder Teile des Sorgerechtes entzogen werden.

Nur eine Gesetzesänderung kann für den Schutz der Kinder in einer solch schwierigen Situation sorgen.

Opa und Oma sind erfahrungsgemäß fast immer für die Familie „der Fels in der Brandung!“

Es grüßt Sie wie immer herzlich
Rechtsanwalt
Rainer Bohm
Fachanwalt für Familienrecht





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