Die Unternehmerentscheidung bei betriebsbedingten Kündigungen

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Bei der Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen stößt der allgemeine Kündigungsschutz an seine Grenzen. Der Begriff der Unternehmerentscheidung ist gesetzlich nicht definiert.

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Ursachen für unternehmerische Entscheidungen im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen: Erstere können bspw. Rationalisierungsmaßnahmen oder Leistungsverdichtung zum Zweck der Gewinnmaximierung sein. Letztere können durch Auftragsmangel oder negativen Veränderungen von Absatzmärkten verursacht werden. Beide müssen von Dauer sein, andernfalls als Reaktion die Produktion auf Vorrat, der Abbau von Überstunden oder Kurzarbeit angezeigt sein können.

Der arbeitgeberseitige Entschluss, gegenüber einem bestimmten Arbeitnehmer eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zu erklären, ist als solcher keine unternehmerische Entscheidung und deshalb der Überprüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen unterworfen. Deren Aufgabe ist es nicht, die Unternehmenspolitik des Arbeitgebers zu beurteilen. Von besonderem Gewicht ist somit das Verhältnis von Unternehmerentscheidung und Kündigungsentschluss zueinander: Die Unternehmerentscheidung ist der interne Akt, der durch den externen Akt, die Kündigung, nach Außen umgesetzt wird. Die unternehmerische Entscheidung selbst ist die vorbereitende organisatorische oder technische Maßnahme des Arbeitgebers, die den Wegfall eines Arbeitsplatzes verursacht.

Prüfungsmaßstab bei unternehmerischen Entscheidungen

Die Arbeitsgerichte dürfen nach vorherrschender Ansicht die einer Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gemäß § 1 II KSchG vorausgelagerte unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre Sinnhaftigkeit hin untersuchen, sondern ausschließlich darauf, ob sie „offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe im Einzelfall anzuwenden, ist grundsätzlich Aufgabe der Arbeitsgerichte, deren Erfüllung revisionsrechtlich überprüfbar ist. Allerdings ist  bis dato keine Entscheidung bekannt, in der einem Arbeitgeber fehlende Sachlichkeit, Unvernunft oder Willkür bei seiner Unternehmerentscheidung attestiert worden wäre. Dies würde letztlich bedeuten, dass sich das Gericht doch zum „Oberarbeitgeber“ aufschwingen würde. Ohnehin könnte eine solche Feststellung – zur Verschaffung der erforderlichen Sachkunde – nur anhand eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens untermauert werden, die – erfahrungsgemäß – weder die Gerichte noch die Parteien in Erwägung ziehen. Nicht zu prüfen ist, ob die zu erwartenden Vorteile des kündigenden Arbeitgebers „in einem „vernünftigen Verhältnis“ zu den Nachteilen stehen, die bei dem gekündigten Arbeitnehmer entstehen können. Zunächst wird die gestaltende unternehmerische Entscheidung abgeklärt.

Die arbeitsgerichtliche Prüfung verläuft in zwei Schritten:

  • •Es wird die gestaltende unternehmerische Entscheidung untersucht, die z. B. die Schließung einer Abteilung wegen verringerten Beschäftigungsbedarfs bedeuten kann.
  • •Dann wird die diese umsetzende Kündigung dahingehend untersucht, ob sie aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse i. S. d. § 1 KSchG gerechtfertigt ist.

In der Praxis verlangen die Arbeitsgerichte nicht nur die Schilderung des entsprechend zu dokumentierenden Vorstands- bzw. Geschäftsführungsbeschlusses, sondern auch eine transparente und plausible Darstellung des zugrundeliegenden Zahlenwerks. Anschließend muss bei einer betriebsbedingten Kündigung als solcher geprüft werden, ob die betrieblichen Erfordernisse dringend sind, ob gemäß des ultima ratio – Prinzips eine Änderungs- statt einer Beendigungskündigung in Betracht kommt und ob die Sozialauswahl korrekt durchgeführt wurde.

Nach der Rechtsprechung des BAG unterliegt „der Entschluss …. keinem Formzwang“. Es genügt, dass das hierzu berechtigte Gremium die Entscheidung auf der Basis einer präzisen prognostischen Einschätzung des zukünftigen und nachhaltigen Arbeitskräftebedarfs getroffen hat.

Darlegungs- und Beweislast

Das BAG geht davon aus, dass für eine beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spricht, dass diese aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde. Der Arbeitnehmer Hat substantiiert Tatsachen vorzutragen hat, „aus denen sich ein Rechtsmissbrauch ergeben kann“. Sodann hat der Arbeitgeber seinerseits substantiiert Tatsachen für das Vorliegen einer sachlich gerechtfertigten unternehmerischen Entscheidung vorzutragen und im Streitfall zu beweisen.

Fazit

Je näher zeitlich beieinander eine als frei reklamierte Unternehmerentscheidung und ein anschließend gefasster Kündigungsentschluss liegen, umso höhere Anforderungen sind an den Arbeitgebervortrag zu stellen. Hierbei greifen die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast: Zuerst hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass und wie die von ihm getroffene Maßnahme durchgeführt wurde, wird bzw. werden soll. Daraufhin hat der Arbeitnehmer vorzutragen, warum diese Maßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sein soll. Sodann muss der Arbeitgeber sich hierauf weiter einlassen. Allein diese prozessuale Rollenverteilung ist risikogerecht und trägt dem Sphärengedanken deshalb Rechnung, weil der Arbeitgeber den ersten Zugriff auf seine betrieblichen Kennzahlen hat.

Im Rechtsstreit über die soziale Rechtfertigung von Kündigungen aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse kann und muss die Plausibilität personalrelevanter Daten als Basis unternehmerischer Konzepte in der Praxis – noch konsequenter geprüft werden. Es ist zu hoffen, dass das BAG möglichst bald Anlass und Gelegenheit hat, die unbestimmten Rechtsbegriffe „unsachlich“, „unvernünftig“ und „willkürlich“ zu schärfen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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