Die Unwirksamkeit von Bereitstellungszinsen (Update September 2022)

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Bereitstellungszinsen stellen nach wie vor ein „Dauerbrenner“ in der bankrechtlichen Praxis dar. Da es aufgrund von Lieferkettenunterbrechungen während der Corona-Pandemie zum Teil zu erheblichen Verzögerungen bei der Fertigstellung von Immobilien gekommen ist, müssen viele Kreditnehmer neben den vertraglich vereinbarten Zinsen und Raten in der Regel nach 12 Monaten zusätzlich seit Vertragsschluss Bereitstellungszinsen zahlen. Der nachfolgende Beitrag analysiert kritisch die derzeitige Rechtslage.

Bereitstellungszinsen stellen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine „echten“ Zinsen im Sinne eines Entgelts für die Überlassung des Kapitals dar. Er sieht in den „Bereitstellungszinsen“ vielmehr eine Gegenleistung für die von der Bank übernommene Verpflichtung, dem Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf jederzeit zur Verfügung zu stellen. Denn eine Bank müsse sich bereits zum Zeitpunkt der Darlehenszusage refinanzieren und habe die Pflicht, das Darlehen ab diesem Zeitpunkt bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen auszuzahlen.

Dass der BGH in seinen Entscheidungen von 1978 und 1986 die Bereitstellungszinsen noch unbeanstandet ließ, lag sicherlich an den in den 80er Jahren deutlich höheren Zinssätzen für Baufinanzierungen mit 8-10 % p.a. Zum Zeitpunkt September 2022 liegt der durchschnittliche Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte dagegen bei derzeit etwas über 2 % p.a. Effektivzins bei einer Zinsbindung von 5-10 Jahren.

Dennoch haben die Banken ihre Klauseln zu Bereitstellungszinsen in Höhe von in der Regel 0,25 % pro Monat - was jährlich 3 % der Darlehenssumme entspricht - bislang unverändert gelassen. Es ist aus meiner Sicht schwer zu begründen, weswegen die Banken eine Gegenleistung verlangen können, die höher liegt als der Vertragszins, zumal der behauptete Verwaltungsaufwand überschaubar sein dürfte. Dies insbesondere deswegen, weil sich die Banken hierdurch einen Vertragszinsen für einen Zeitraum absichern, indem das Darlehen denknotwendig noch gar nicht ausbezahlt wurde (denn es steht ja noch bereit). Schließlich normiert bereits die Hauptleistungspflicht aus § 488 Abs. 1 BGB, dass der Kreditgeber dem Kreditnehmer die vereinbarte Summe zur Verfügung stellen muss, sodass eine Klausel über Bereitstellungszinsen von diesem gesetzlichen Leitbild abweicht.

Tatsächlich schaffen sich die Banken durch Bereitstellungszinsen eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle ohne erkennbaren Mehrwert für den Darlehensnehmer.

Bundesgerichtshof: Grundsätzliche Wirksamkeit von Bereitstellungszinsen

Der Bundesgerichtshof hat zwar bislang Klauseln zu Bereitstellungszinsen rechtlich nicht beanstandet. Dies ist jedoch kein Grund generell davon auszugehen, dass dies auch zukünftig so bleibt, wie ein Blick auf die Rechtsprechung zu den sog. Bearbeitungsentgelten zeigt.

Es gibt mehrere gewichtige Argumente, weswegen Bereitstellungszinsen unwirksam sind.

 § 488 Abs.1 S.2 BGB

Bereitstellungszinsen beeinflussen weder den vereinbarten Zins noch die Abnahmepflicht des Darlehensnehmers. Denn wie bereits ausgeführt fallen Bereitstellungszinsen nur dann an, wenn der Darlehensnehmer mit der Abnahme des Darlehens in Verzug gerät.

Problematisch daran ist, dass Banken dadurch eventuell bestehende Kosten, die durch eine verzögerte Auszahlung entstehen, auf den Darlehensnehmer abwälzen, ohne dass das Gesetz eine derartige Bepreisung vorsieht. Das Gesetz kennt in § 488 Absatz 1 S. 2 BGB als Preis für die Überlassung der Darlehensvaluta nach dem eindeutigen Wortlaut nur die laufzeitabhängigen Zinsen:

„Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.“

Schließlich sind die formularmäßigen Vertragsbedingungen der Banken zu den Bereitstellungszinsen auch nicht verhandelbar, sondern werden einseitig in den Verträgen in konstanter Höhe dem Darlehensnehmer seit Jahren vorgegeben.

Aufgrund der einseitigen Vorgabe durch die Bank als Verwender der Klausel über Bereitstellungszinsen und der vertraglichen Abnahmepflicht des Darlehens, die auch nicht aufgrund von Bereitstellungszinsen entfällt, stellen Bereitstellungszinsen daher tatsächlich eine Strafzahlung für eine verzögerte Abnahme durch den Darlehensnehmer dar und keine weitere Hauptleistung, wie der Bundesgerichtshof behauptet.

Klauseln in Darlehensverträgen, die nicht dem tatsächlichen Schaden durch die Verzögerung entsprechen und keine Möglichkeit erlauben, einen geringeren Schaden nachzuweisen (sog. pauschaler Schadensersatz), sind grundsätzlich gem. § 309 Nr. 5 BGB unwirksam. Da nach Auffassung der Kreditinstitute der Zinssatz der Bereitstellungszinsen vertraglich geschuldet wird und sie dem Darlehensnehmer damit nicht die Möglichkeit lässt, einen geringeren Schaden nachzuweisen, verstoßen derartige Klauseln eindeutig gegen das Gesetz. Dies gilt gem. § 309 Nr. 5 a) BGB insbesondere, wenn „die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt“, was bei einem Betrag, der über den Vertragszinsen liegt, regelmäßig gegeben ist.

Der Bundesgerichtshof und die Instanzgerichte umgehen diese gesetzlichen Hürden, indem sie eine gerichtliche Kontrolle der Klauseln zu Bereitstellungszinsen mit dem Argument entziehen, es handele sich um eine sog. wirksame Preisabrede. Damit sieht sie den Anwendungsbereich der Verbraucherschutzregeln der §§ 308 und 309 BGB als nicht gegeben an. In Konsequenz bedeutet dies, dass der gerade bei Immobiliendarlehen notwendige Verbraucherschutz vor unangemessener Benachteiligung durch die nationalen Gerichte regelrecht ausgehebelt wird. Denn warum sollte ein Verbraucher beim Kauf eines Rasierapparates oder einer Waschmaschine weniger Schutz genießen als beim Kauf einer Immobilie, bei dem in der Regel ein jahrzehntelanges Schuldverhältnis eingegangen wird.

Ebenfalls gegen eine entgeltliche Sonderleistung der Bank spricht die Einführung des § 357 a BGB. Der Regelung der Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers in § 357 a Abs. 3 BGB ist zu entnehmen, dass das nationale Verbraucherdarlehensrecht dem bloßen Bereithalten des Darlehensbetrages gerade keinen eigenständigen Wert zumisst.

Neueinführung § 357 a Abs.3 BGB

§ 357 a Abs. 3 BGB beschränkt die Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers nun ausdrücklich auf den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung. Zusätzliche Aufwendungen sind nur zu ersetzen, sofern sie unter § 357 a Abs. 3 S. 5 BGB fallen. Damit hat der Verbraucher nach Einführung des § 357 a BGB, anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall, nach Ausübung eines Widerrufsrechts auch einen Anspruch auf Rückzahlung einer gezahlten Bereitstellungsprovision, ohne dass er zum Wertersatz verpflichtet ist.

Zudem ist eine Sonderleistung dann regelmäßig nicht zu sehen, wenn die Bank selbst die Auszahlung des Darlehens verzögert hat. Prüft die Bank z.B. die Ordnungsgemäßheit von Sicherheit oder weitere Auszahlungsvoraussetzungen, und verzögert sich dadurch die Auszahlung, erbringt die Bank regelmäßig keine Sonderleistung gegenüber dem Verbraucher.

Ungeachtet der formaljuristischen Argumentation liegt in der Forderung von Bereitstellungszinsen eine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers deswegen vor, weil eine derartige Klausel dem Grundsatz in § 488 Absatz Abs.1 S. 2 widerspricht, dass ein Preis nur für den Zeitraum geschuldet wird, in dem das Kapital dem Darlehensgeber überlassen, also ausbezahlt wird. Bereitstellungszinsen werden zusätzlich zum Vertragszins erhoben und gehen damit über das Erfüllungsinteresse des Darlehensgebers hinaus. Derartige Klauseln stellen somit eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB dar.

Grundsätze des Verzugs, § 286 BGB

Ein weiteres Argument gegen die Zulässigkeit von Klauseln zu Bereitstellungszinsen liegt in der Natur des Zahlungsverzugs und der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Mahnung.

In § 286 Abs.1 und Abs.2 BGB heißt es:

„Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,

2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,

3. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,

4. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.“

Grundsätzlich bedarf es vor Eintritt des Verzugs einer Mahnung des Schuldners, also der Bank. Ausnahmen hiervon sind nur gegeben, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt oder ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Der Darlehensgeber trägt für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Verzugs die Beweislast. Ein Verzug ohne Mahnung kommt vertraglich nur dann in Betracht, wenn auch ein konkretes Abmahndatum existiert.

Dies dürfte bei der Geltendmachung von Bereitstellungzinsen jedoch nicht der Fall sein, so dass ein Verzug regelmäßig am Fehlen einer Mahnung der Bank scheitern dürfte.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Die Bank hat die Pflicht ihren Vertragspartner unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, damit diesem zumindest die Möglichkeit gegeben wird, sein Vertragsverhalten danach ausrichten zu können. Denn es ist durchaus fraglich, ob die Verpflichtung, Bereitstellungszinsen zu bezahlen, immer so deutlich kommuniziert wird, dass der Darlehensnehmer bei Vertragsschluss auch weiß, dass er bei nicht rechtzeitigem Abruf des Darlehens deutlich mehr bezahlt, als wenn er das Darlehen abruft.

Wucher, § 138 BGB

Schließlich haben sich Bereitstellungszinsen auch am Grundsatz des unerlaubten Wuchers zu messen. Darlehensverträge sind grundsätzlich nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn der Vertragszins gegenüber dem marktüblichen Effektivzins im groben Missverhältnis steht.

Fraglich ist zunächst, was der Maßstab der Bewertung ist. Das Oberlandesgericht Bamberg hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1994 eine Sittenwidrigkeit von Bereitstellungszinsen z.B. erst dann angenommen, wenn diese im groben Missverhältnis etwa mit dem gesetzlichen Zinssatz gem. § 246 BGB (4,0 %), dem Verzugszinssatz nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB oder dem vertraglichen Jahreszinssatz steht.

Das OLG Karlsruhe sieht in einer aktuellen Entscheidung vom 12.10.2021 als Bewertungsmaßstab für Sittenwidrigkeit einer Bereitstellungsprovision die beanstandete Bereitstellungsprovision (hier 0,25 % pro Monat) mit der marktüblichen Vergütung für die Bereithaltung eines Darlehens zum jederzeitigen Abruf innerhalb einer Zinsbindungsfrist für maßgeblich.

Im Ergebnis scheidet ein Wuchertatbestand aufgrund des von deutschen Gerichten angewandten Maßstabs in der Regel aus.

Ausführungen des Europäischen Gerichtshof

Laut dem EuGH dürfen die dem Verbraucher für die Bereitstellung des Darlehens auferlegten Beträge „nicht im Verhältnis zum Darlehensbetrag übermäßig hoch sein“.

Interessanter an der Entscheidung ist, dass der EuGH zur Wirksamkeit von Bereitstellungszinsen offenbar voraussetzt, dass das nationale Recht Bereitstellungszinsen überhaupt vorsieht:

„Hinsichtlich der Frage, ob die im Ausgangsverfahren fraglichen Klauseln entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ein erhebliches Missverhältnis zum Nachteil des Verbrauchers verursachen, ist – wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht – davon auszugehen, dass die Vereinnahmung eines Bearbeitungsentgelts und einer Bereitstellungsprovision im innerstaatlichen Recht vorgesehen sind. Sofern sich die hierfür erbrachten Dienstleistungen vernünftigerweise den im Rahmen der Bearbeitung oder der Bereitstellung des Darlehens erbrachten Leistungen zurechnen lassen und die dem Verbraucher hierfür auferlegten Beträge nicht im Verhältnis zum Darlehensbetrag übermäßig hoch sind, ist – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – nicht ersichtlich, dass sich diese Klauseln nachteilig auf die Rechtsstellung des Verbrauchers auswirken, wie sie nach nationalem Recht vorgesehen ist. Das vorlegende Gericht muss darüber hinaus die Wirkung der anderen Vertragsklauseln berücksichtigen, um festzustellen, ob diese Klauseln ein erhebliches Missverhältnis zum Nachteil des Darlehensnehmers verursachen.“ 

(EuGH, Urt. v. 3.10.2019 – C-621/17, dort Rn. 55 (vorlegendes Gericht: OGH Budapest)

Der EuGH verlangt somit ausdrücklich, dass die Vereinnahmung von Bereitstellungszinsen im nationalen Recht vorgesehen ist („… im innerstaatlichen Recht vorgesehen … wie sie nach nationalem Recht vorgesehen ist“). Bereitstellungszinsen sind - zumindest in Deutschland – aber gerade nicht gesetzlich normiert bzw. nach nationalem Recht vorgesehen, sondern deren grundsätzliche Wirksamkeit wurde nur von der Rechtsprechung des BGH bestätigt.

Erst dann, wenn nationales Recht Bereitstellungszinsen vorsieht, kommt der EuGH somit zu der Annahme, die Bereitstellungszinsen im Verhältnis zum Darlehensbetrag und deren Wirkung im Verhältnis zu den anderen Vertragsklauseln zu prüfen.

Im Umkehrschluss dürften Klauseln zu Bereitstellungszinsen nach den oben zitierten Maßstäben des EuGH nur dann wirksam sein, wenn der Gesetzgeber diese im nationalen Recht regelt. Dies hat der deutsche Gesetzgeber aber unterlassen.

Der EuGH wird im Rahmen einer Vorlage durch ein nationales Gericht zu prüfen haben, ob sich eine Klausel zu Bereitstellungszinsen am Maßstab der §§ 308, 309 BGB messen muss oder – wie der BGH vertritt – als Preisabrede nur am Maßstab des § 307 BGB.

Fazit

Die Frage der Zulässigkeit von Bereitstellungszinsen begegnet weiterhin erheblichen rechtlichen Bedenken. Auch wenn der Bundesgerichtshof bislang Klauseln zu Bereitstellungszinsen nicht beanstandet hat, gibt es eine Vielzahl von gewichtigen Argumenten, mit denen sich der BGH bislang noch nicht beschäftigt hat. Insbesondere die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs, der eine nationalen Regelung zu Bereitstellungszinsen verlangt, ist bislang noch nicht abschließend durch die Instanzgerichte beantwortet. 

Betroffene sollten bei der Geltendmachung von Bereitstellungszinsen durch die Bank schriftlich widersprechen und gegebenenfalls die Chancen einer gerichtlichen Auseinandersetzung bezogen auf den konkreten Fall mit einem spezialisierten Rechtsanwalt für Bankrecht abklären.

Kostenloses Erstgespräch

Rechtsanwalt Markus Mehlig berät und vertritt bundesweit Darlehensnehmer gegen Bereitstellungszinsen, Nichtabnahmeentschädigungen und Vorfälligkeitsentschädigungen. Gerne steht er auch Ihnen im Rahmen eines kostenlosen Erstgesprächs zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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