Die Verringerung des Pflichtteilsanspruchs durch Schenkung

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Grundsätzlich können Eltern ihre Kinder bei der Verteilung des Erbes benachteiligen oder bevorzugen. Einzelne Kinder können enterbt werden. Dies führt allerdings zu einem Pflichtteilsanspruch.

Pflichtteilsanspruch

Abkömmlinge, insbesondere die Kinder des Erblassers haben gegen den oder die Erben einen Pflichtteilsanspruch, wenn sie enterbt werden. Der Pflichtteilsanspruch besteht in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Entscheidend für die Höhe des Anspruchs ist der Nachlasswert.

Beispiel:

Der Erblasser ist unverheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Im Zeitpunkt seines Todes hatte der Nachlass einen Wert in Höhe von ein 110.000,00 €. Es bestanden Schulden in Höhe von 10.000,00 €. Der Erblasser hat seinen Sohn enterbt.

Kinder erben bei der gesetzlichen Erbfolge zu gleichen Teilen, dementsprechend beträgt die gesetzliche Erbquote des Sohnes 1/2, seine Pflichtteilsquote beträgt 1/4. Bei einem Nettonachlass in Höhe von 100.000,00 € beträgt sein Pflichtteilsanspruch 25.000,00 €.

Verminderung des Pflichtteilsanspruchs

Der Erblasser, der eines oder mehrere seiner Kinder enterbt, hat natürlich auch kein Interesse daran, dass diese trotzdem am Vermögen partizipieren. Dies lässt sich kaum verhindern, da die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sind. Zumindest die Verringerung des Pflichtteils ist aber möglich.

Verringerung des Pflichtteilsanspruchs durch Schenkungen

Naheliegend wäre es, das eigene Vermögen zu verringern, indem Teile oder das gesamte Vermögen verschenkt werden. Denn, so könnte man meinen, wenn kein Vermögen da ist, dann gibt es auch keinen Pflichtteilsanspruch. In obigem Beispiel könnte der Erblasser also auf die Idee kommen, seinen Sohn zu enterben und sein gesamtes Vermögen vor seinem Tod seiner Tochter zu schenken.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ganz so einfach lässt sich der vom Gesetzgeber vorgesehene Pflichtteil aber nicht aushebeln. Schenkungen die bis zu zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgen, sind für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs dem Nachlass hinzuzurechnen (sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch). Bei Schenkungen im ersten Jahr vor dem Todesfall zu 100 %, im zweiten Jahr zu 90 %, und immer so weiter. Wer früh genug schenkt, kann den Pflichtteilsanspruch aber tatsächlich stark reduzieren.

Die Zehn-Jahres-Frist beginnt bei Ehegatten und Lebenspartnern im Sinne des LPartG nicht vor Auflösung der Ehe oder Lebenspartnerschaft mit der Folge, dass, wenn die Ehe durch den Tod des Erblassers endet, sämtliche Schenkungen während der Ehe oder Lebenspartnerschaft der Pflichtteilsergänzung unterliegen. Ausgenommen sind nur Pflicht- und Anstandsschenkungen (z.B. übliche Geschenke zum Geburtstag).

Absicherung des Schenkers

Häufig besteht das hauptsächliche Vermögen in einem Grundstück und dem darauf befindlichen Wohnhaus des Erblassers. Auch dieses kann natürlich verschenkt werden. Für den Erblasser stellt sich allerdings die Frage der Absicherung. Denn der Beschenkte wäre berechtigt, dem Schenker die Nutzung des Grundstücks zu entziehen, er könnte z. B. den Schenker vom Grundstück verweisen.

Um dies verhindern, könnte sich der Schenker die Nutzung des Grundstücks und seiner Erträge (z.B. Mieten) vorbehalten. Bei einer solchen Konstruktion, mit einem sogenannten Nießbrauch am gesamten Grundstück, bleibt das Grundstück wirtschaftlich im Vermögen des Erblassers. Der Bundesgerichtshof verneint dann aber den Beginn der Zehn-Jahres-Frist, weil der Schenker den „Genuss“ am Grundstück nicht aufgegeben habe. Das Ziel einer Verringerung des Pflichtteilsanspruchs wird verfehlt.

Vorbehalt eines Wohnungsrechts

Eine Absicherung des Schenkers kann durch den Vorbehalt eines Wohnungsrechts erreicht werden. Zur Frage, ob die Zehn-Jahres-Frist des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu laufen beginnt, wenn sich der Erblasser ein Wohnungsrecht am geschenkten Grundstück vorbehält, hat sich jüngst der Bundesgerichtshof geäußert (BGH Urteil vom 29.06.2016, IV ZR 474/15). Im zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser ein Grundstück mit einem dreistöckigen Wohnhaus unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts am ersten Stock verschenkt. Der BGH hat entschieden, dass, wenn sich das Wohnungsrecht nur auf einen Teil des geschenkten Gegenstands beschränkt, grundsätzlich die Zehn-Jahres-Frist des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu laufen beginnt. In Ausnahmefällen könne dies aber anders sein.

Fazit

Grundsätzlich kann die Verringerung von Pflichtteilsansprüchen dadurch erreicht werden, dass insbesondere Grundstücke verschenkt werden. Der Schenker kann sich in begrenztem Maße durch den Vorbehalt eines Wohnungsrechts an einem Teil des Grundstücks absichern. Stets ist aber darauf zu achten, dass nicht der gesamte „Genuss“ des Grundstücks beim Schenker verbleibt, da sonst zweifelhaft ist, ob die Zehn-Jahres-Frist zu laufen beginnt. Mit Schenkungen an Ehegatten lässt sich das Ziel der Verringerung des Pflichtteilsanspruchs hingegen kaum erreichen.


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