Vermögensarrest gegen Unbeteiligten - Was kann man tun?

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Ein Vermögensarrest wird in der Regel nicht nur gegen den Beschuldigten, sondern sehr häufig auch gegen einen Unverdächtigen erwirkt. Dieser frage sich häufig, warum er überhaupt in das Verfahren "hineingezogen" wird und was er dagegen tun kann. Diese Fragen werden wir Ihnen in diesem Artikel beantworten.

1. Worum geht es bei der Wertersatzeinziehung bei Drittbetroffenen?

Wir haben Ihnen bereits in unterschiedlichen Rechtstipps die Grundlagen der Wertersatzeinziehung und auch der Einziehung beim Drittbetroffenen ausführlich dargestellt. An dieser Stelle soll es deshalb bei einer kurzen Zusammenfassung bleiben:

Die überwiegende Zahl der Fälle der Wertersatzeinziehung beruht darauf, dass der Betroffene Überweisungen getätigt oder erhalten hat. Mit Eingang auf dem Konto tritt eine „Vermischung“ mit dem dort bereits vorhandenen Guthaben ein und kann der „Originalgegenstand“ im Sinne des § 73 StGB nicht mehr festgestellt werden. Es kommt deshalb zur Einziehung von Wertersatz. Das ist ein Geldbetrag, der wertmäßig dem ursprünglichen Überweisungsbetrag entspricht und der zu einer Zahlschuld gegenüber dem Landesjustizfiskus führt.

Bei der Dritteinziehung geht es im Kern ihrerseits darum, demjenigen, der selbst keine strafrechtlich relevante Handlung begangen, aber in irgendeiner Form wirtschaftlich von einer Straftat profitiert hat, diesen Vermögenswert wieder zu entziehen. Einziehungsbeteiligte sind dabei regelmäßig juristische Personen oder Personengesellschaften, die durch das Handeln ihrer Vertretungsberechtigten einen Vermögenswert erlangt haben. Gleichermaßen können aber auch Ehegatten, Kinder oder Freunde des Beschuldigten von einer Einziehungsbeteiligung erfasst werden.

Praxistipp: Nicht immer geht es in der Praxis um Buchgeld. Häufig wird auch Bargeld beschlagnahmt, weil die Strafverfolgungsbehörden davon ausgehen, dass dieses aus Straftaten stammt und an Dritte weitergegeben wurde. Auch zur Frage, wie man als (Dritt-)Betroffener mit einer solchen Situation umgehen soll, haben wir Ihnen grundlegende Hinweise aufbereitet und in einem Rechtstipp zusammengestellt.

2. Das Problem des „Bereicherungszusammenhangs“ 

Mit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsvorschriften hat der Gesetzgeber unter anderem versucht, die bis dato von der Rechtsprechung entwickelten „Vertretungs- und Verschiebungsfälle“ einer einheitlichen gesetzlichen Regelung zuzuführen. Im Wege der Einziehungsbeteiligung kann nun all das eingezogen werden, was dem Dritten unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde. Gab es einen (vertraglichen) Anlass zur Übertragung, hat der Begünstigte aber erkannt oder hätte er erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, kann das Erlangte trotz Rechtsgrund eingezogen werden. Ein Beispiel hierfür wäre etwa, dass der einschlägig vorbestrafte, von Sozialleistungen lebende Betäubungsmittelhändler seiner Lebensgefährtin 5.000,00 EUR in bar schenkt. Die Schenkung mag zivilrechtlich nicht zu beanstanden sein, der Schenkungsvertrag schließt eine Einziehung aber nicht aus, wenn die Lebensgefährtin um die finanzielle Situation ihres Partners weiß.

Wie aber wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Täter durch die Tat Geld auf sein Konto erhält und anschließend seine Miete vom gleichen Konto bezahlt? Kann man den Vermieter dann als Einziehungsbeteiligten in das Strafverfahren „hineinziehen“ und von ihm eine Rückzahlung der Miete an den Fiskus verlangen?

3. Die Praxis der Vermögensabschöpfung seit 2017

Seit Inkrafttreten des Reformgesetzes sind die Staatsanwaltschaften deutschlandweit dazu übergegangen, vermehrt Vermögensgegenstände zu pfänden; gerade auch zur Sicherung einer Wertersatzeinziehung bei Drittbetroffenen. Die Argumentation lautete dabei häufig dahingehend, dass der Gesetzestext nicht ausdrücklich einen Bereicherungszusammenhang fordert und nur so das Gesetzesziel einer umfassenden Vermögensabschöpfung erreicht werden könne.

Ab Ende 2019 konnte man sich auf Seiten der Staatsanwaltschaften dabei auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2019, Az.: 1 Ws 233-237/19, stützen, der irgendeinen Zusammenhang zwischen der vermeintlichen Straftat und der Vermögensmehrung auf Seiten des Dritten ausdrücklich nicht verlangte. Der schlichte Vermögenszuwachs auf Seiten des Drittbetroffenen, veranlasst durch den vermeintlichen Straftäter, sollte als Einziehungsgrund ausreichen.

Dabei führte, was letztlich auch jedem Strafverfolger klar war, diese Auffassung zu einer uferlosen Ausweitung der Vermögensabschöpfung und damit zu einer nicht hinnehmbaren Belastung des Wirtschaftslebens. Letztlich konnte jeder Geschäftspartner eines – vermeintlich – Kriminellen unter dem Hinweis, fahrlässig verkannt zu haben, dass das ihm überlassene Geld aus Straftaten stammte, zum Drittbetroffenen eines Strafverfahrens werden. Fast noch bedenklicher war, dass regelmäßig sämtliche Familienmitglieder in eine Art Haftungsverband genommen wurden, wenn man zwischen den Familienmitgliedern Geldflüsse festgestellt hatte. Die (vermeintlich überhöhte) Unterhaltszahlung eines Ehegatten an den anderen konnte so schnell zur Grundlage einer Einziehungsbeteiligung werden.

4. Grundsatzentscheidung: BGH Urteil vom 01.07.2021, Az.: 3 StR 518/19

Mit Urteil vom 01.07.2021, Az.: 3 StR 518/19, hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr entschieden, dass eine Einziehung beim Dritten nicht einfach auf einen Zahlungsfluss vom potentiellen Täter an den Dritten gestützt werden kann. Die zustimmungswürdige Entscheidung argumentiert dabei im Kern mit einem Schutz des Dritten, dem es nicht zugemutet werden könne, „seinen Geschäftspartner quasi zu ‚durchleuchten‘ um eine fahrlässige Unkenntnis von irgendwelchen Straftaten desselben und damit einen entschädigungslosen staatlichen Zugriff auszuschließen.“

Dieser Entscheidung des 3. Strafsenats hat sich mittlerweile auch der 5. Strafsenat des BGH ausdrücklich angeschlossen, vgl. dazu BGH Beschluss vom 29.07.2021, Az.: 4 StR 156/20. Eine Wertersatzeinziehung beim Dritten kommt daher ab sofort nur noch dann in Betracht, wenn man dem Täter nachweisen kann, dass er die Überweisung aus einem Entziehungs- oder Verschleierungsmotiv heraus vorgenommen hat.

5. Einschätzung und Folgenbetrachtung

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind ausdrücklich zu begrüßen, weil sie die dringend erforderlichen Grenzen einer Wertersatzeinziehung beim Dritten aufzeigen: Nicht mehr jede Vermögensübertragung, sondern nur eine solche, die zu Verschleierungszwecken oder deshalb vorgenommen wird, um den staatlichen Zugriff auf das Vermögen zu erschweren, unterliegt der Wertersatzeinziehung.

Für die Praxis bedeutet das, dass man als Drittbetroffener sehr konkret danach fragen bzw. den Vermögensarrest darauf prüfen sollte, welche Motivation dem potentiellen Täter unterstellt und auf welcher Tatsachenbasis dies begründet wird. Nicht selten wird man dabei feststellen, dass diese Behauptungen schlichte Vermutungen ohne entsprechende Tatsachenbasis sind, was wiederum Ansetzpunkte für eine Verteidigung gegen solche Maßnahmen bietet.

Die Entscheidung macht zugleich für die Beschuldigten eines Strafverfahrens deutlich, wie wichtig die frühzeitige Wahrnehmung ihres Schweigerechts ist. Gibt der Beschuldigte aufgrund der überraschenden Durchsuchungssituation (irrtümlich) fehlerhafte, angreifbare oder widersprüchliche Begründungen zur Weiterleitung von Vermögenswerten ab, kann das im Nachhinein als Indiz für die Verschleierungsabsicht herangezogen werden. Deshalb gilt auch in diesem Zusammenhang abermals die Grundregel eines jeden Strafverfahrens: Geben Sie ohne Akteneinsicht keinesfalls eine Stellungnahme zu den Tatvorwürfen ab. Ihr Schweigen darf Ihnen dabei unter keinen Umständen zum Nachteil ausgelegt werden. Das wissen, auch wenn mitunter anderes suggeriert wird, auch sämtliche Polizeibeamten, Staatsanwälte und Richter.


Autor: 

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Pascal Johann

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