Einziehung von Wertersatz , § 73c StGB

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Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber die Einziehung von Wertersatz, die früher als „Verfall von Wertersatz“ bezeichnet wurde, 2017 neu geregelt. In diesem Artikel erfahren Sie, was es mit der Einziehung von Wertersatz auf sich hat und warum diese Form der Vermögensabschöpfung besonders eingriffsintensiv ist. Für Spezialfragen etwa zum Steuerstrafrecht, dem Vermögensarrest gegen Unternehmen oder dem Jugendstrafrecht haben wir gesonderte Rechtstipps für Sie bereitgestellt.

1. Was bedeutet die Einziehung von Wertersatz nach § 73c StGB?

Die Einziehung von Wertersatz ist in § 73c StGB geregelt. Der Gesetzgeber spricht hier von der „Einziehung des Wertes von Taterträgen“ und formuliert in der nicht nur für den Laien etwas unzugänglichen Vorschrift, dass das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages anordnet, der dem Wert des Erlangten entspricht, wenn der Gegenstand wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes abgesehen wurde.

Etwas einfacher ausgedrückt ermöglicht die Einziehung von Wertersatz die Einziehung von Geld, wenn der Originalgegenstand der Tat nicht mehr aufgefunden werden kann. Wird dem Betroffenen zum Beispiel vorgeworfen, ein Auto gestohlen zu haben, kann das Auto aber nicht mehr gefunden werden, so kann statt des Autos dessen Wert eingezogen werden. In Fällen, in denen dem Betroffenen vorgeworfen wird, in unlautere Geschäfte verwickelt zu sein, kann der Wert in Höhe des Umsatzes dieses Geschäfts eingezogen werden, auch wenn das Originalerlangte, mit dem das Geschäft betrieben wurde, nicht mehr vorhanden ist.

Die Einziehung von Wertersatz ist damit von der Einziehung des Originalgegenstandes nach § 73 StGB zu unterscheiden. Ist der Originalgegenstand greifbar, so wird dieser eingezogen. Nur wenn dieser nicht mehr auffindbar ist, wird sein Wert eingezogen. Der Einziehung von Wertersatz kommt in der Praxis im Vergleich zur Originaleinziehung die deutliche größere Bedeutung zu.

2. Warum ist die Einziehung von Wertersatz so eingriffsintensiv?

Wenn der einzuziehende Gegenstand nicht mehr vorhanden ist und deshalb nur die Einziehung von Wertersatz in Betracht kommt, so geht damit zwangsläufig einher, dass diese Einziehung sich auf Gegenstände bezieht, die gerade nicht aus einer Straftat stammen. Im oben beschriebenen Falle des Autodiebs etwa erfolgt die Einziehung von Wertersatz möglicherweise dadurch, dass sein Konto gepfändet und davon ein Wert eingezogen wird, der dem Wert des Fahrzeugs entspricht. Das gilt selbst dann, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass es sich bei diesem Geld nur um sein Gehalt aus einer legalen Beschäftigung, etwa als Einzelhandelskaufmann, handelt. Dadurch, dass die Wertersatzeinziehung nicht auf den aus der Straftat stammenden Gegenstand, sondern nur auf dessen Wert gerichtet ist, spielt die Frage, woher dieser Wert stammt, keine Rolle.

Die Antwort auf die Frage nach der Eingriffsintensität der Wertersatzeinziehung wird dadurch offenkundig: Die Einziehung kann in diesen Fällen in sämtliche, auch unstrittig legal erworbene Vermögenswerte des Betroffenen vollzogen werden. Es obliegt dabei den Staatsanwaltschaften zu entscheiden, auf welchen konkreten Gegenstand sie zugreifen. Das kann im Wege der Kontopfändung geschehen, aber auch etwa durch Pfändung von Fahrzeugen oder Grundstücken. Regelmäßig wird man sich bei dieser Entscheidung danach richten, welcher Gegenstand möglichst „schnell“ zu Geld gemacht werden kann. Das ist meist der Anspruch gegen eine Bank, der deshalb im Wege der Kontopfändung eingezogen wird.

3. Wie stellt sich der Zusammenhang zwischen einem Vermögensarrest und der Einziehung von Wertersatz dar?

Der Anspruch des Staates auf Einziehung von Wertersatz kann im Wege des Vermögensarrestes schon vor Rechtskraft des Strafurteils vorläufig gesichert werden. Die Regelungen hierzu finden sich in §§ 111e ff. StPO. In einem früheren Beitrag haben wir die Grundlagen des Vermögensarrestes umfangreich dargelegt und auch ausgeführt, welche Möglichkeiten es gibt, gegen einen Vermögensarrest vorzugehen.

Kurzer Exkurs zum Steuerstrafrecht:

Eine besondere Bedeutung kommt dem Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren zu, weil es hier ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 324 AO und § 111e StPO gibt. Umfangreiche Hinweise zum Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren haben wir Ihnen deshalb in einem separaten Rechtstipp aufbereitet.

Der Betroffene einer Maßnahme der Einziehung von Wertersatz erfährt regelmäßig erst im Rahmen der Vollstreckung des Vermögensarrestes, häufig im Zusammenhang mit Durchsuchungsmaßnahmen nach §§ 102, 103 StPO, davon, dass der Staat einen Anspruch auf Einziehung von Wertersatz gegen ihn behauptet. Hintergrund dieser „Überraschung“ ist freilich der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörden verhindern wollen, dass die Vollstreckung des Vermögensarrestes dadurch vereitelt wird, dass Vermögenswerte beiseitegeschafft und damit ihrem Zugriff entzogen werden.

4. Wie berechnet sich die Höhe der Einziehung von Wertersatz?

In der Praxis wird regelmäßig darüber gestritten, in welcher Höhe Wertersatz zu leisten ist. Schon die Frage, welchen Wert etwa das gestohlene Auto gehabt hat, kann allzu häufig nicht ohne entsprechende Ermittlungen bestimmt werden. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn der Originalgegenstand, der nicht mehr aufgefunden werden kann, besonders exotisch war oder nur in bestimmten Sammlerkreisen einen merkantilen Wert hat.

Besondere Beachtung muss dabei finden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht nur den Gewinn des vermeintlichen Täters einzieht, sondern den gesamten Umsatz. Für den Betroffenen kommt erschwerend hinzu, dass die Strafverfolgungsbehörden nach § 73d Absatz 2 StGB den Wert des Erlangten grundsätzlich frei schätzen dürfen. Diese Schätzung darf zwar nicht „ins Blaue“ hinein erfolgen, letztlich obliegt es dann aber doch dem Betroffenen, diese Schätzung zu widerlegen.

Vermögensarreste zur Sicherung der Einziehungsforderung werden häufig gesamtschuldnerisch angeordnet. Was es mit der Gesamtschuld im Strafrecht auf sich hat, haben wir Ihnen hier umfangreich aufbereitet.

5. Was kann man tun, wenn die Einziehung von Wertersatz droht?

Die Frage, was der Betroffene einer Einziehung von Wertersatz tun kann, um diese abzuwenden, hängt maßgeblich davon ab, in welchem Verfahrensstadium er sich befindet. Ist im Ermittlungsverfahren etwa ein Vermögensarrest vollzogen, so muss man sich zunächst gegen diesen zur Wehr setzen. Zum Steuerstrafverfahren siehe hier.

Sind keine vorläufigen Sicherstellungsmaßnahmen ergangen, das heißt, liegt kein Vermögensarrest vor, so muss die Verteidigungsstrategie zugleich auch gegen die Einziehung von Wertersatz gerichtet sein. Dabei kann man zunächst an der Frage ansetzen, ob der Betroffene überhaupt etwas erlangt hat. Kann dies nicht nachgewiesen werden, scheidet auch eine Einziehung von Wertersatz aus.

Ist hingegen beweisbar, dass der Betroffene etwas erlangt hat, so stellt sich die Frage, welchen Wert dieser nicht mehr auffindbare Gegenstand hatte. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass die Strafverfolgungsbehörden auch ihre Schätzgrundlagen offenlegen, sodass man gegebenenfalls eigene Beweismittel anbringen und diese Behauptungen widerlegen kann.

Letztlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es den Strafverfolgungsbehörden auch möglich ist, die Frage der Einziehung von Wertersatz zunächst hintenanzustellen und erst im weiteren Verlaufe des Verfahrens im Wege des sog. selbstständigen Einziehungsverfahrens darauf zurückzukommen. Dieses Verfahren haben wir Ihnen hier grundlegend erläutert

Fazit:

Die Einziehung von Wertersatz stellt einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar, weil sie sich auf unstrittig legal erworbenes Vermögen des Betroffenen bezieht und die Frage, auf welche Vermögenswerte sie zugreifen, grundsätzlich den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten überlassen ist. Der Betroffene sollte darauf achten, auch in diesen Fällen dem Druck standzuhalten und ggf. alle Erfolg versprechenden Rechtsbehelfe zu ergreifen, um die mitunter erdrosselnde Wirkung dieser staatlichen Maßnahme zu verhindern. Dabei sollte nicht nur besondere Sorgfalt auf die Frage gelegt werden, ob eine Einziehung von Wertersatz überhaupt in Betracht kommt, sondern auch, in welcher Höhe.


Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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