Doppelte Entschädigung bei mehrfacher Flug-Störung nach der Fluggastrechteverordnung

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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Fluggastrechten.

Anmerkung zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) – Urteil vom 12.03.2020 Az. C-832/18

In unserem Beitrag „Ansprüche des Reisenden bei Reisemängeln und Flugverspätung nachzulesen, hat ein Fluggast bei Nichtbeförderung, Verspätung oder Annullierung nach Art. 5 ff. der Fluggast-VO einen Ausgleichsanspruch, sofern die Voraussetzungen vorliegen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass Flugreisende Anspruch auf doppelte Entschädigung haben, wenn sie mehrfachen Verspätungen wegen technischer Probleme ausgesetzt waren.

  • Diese Entscheidung ist deshalb so interessant, da die doppelte Entschädigung, also die Entschädigung für die Verspätung eines angebotenen Alternativflugs beinhaltet!
  • Nach der Fluggastrechteverordnung (Fluggast-VO) erhält ein Reisender bei Annullierung / Verspätung seines Fluges nach Art. 5, Art. 6 und 7 Fluggast-VO bis zu 600 EUR je nach Entfernung der Flugkilometer.

Was ist, wenn der Reisende einen Alternativflug angeboten bekommt, diesen annimmt und auch beim Alternativflug eine Flugverspätung eintritt; erhält der Reisende dann eine doppelte Entschädigung?

Folgender Fall liegt der Entscheidung des EuGHs zugrunde:

Acht Reisende hatten gegen die Fluggesellschaft Finnair geklagt. Ihr Flug sollte direkt von Helsinki nach Singapur erfolgen. Der Abflug wurde jedoch durch eine Störung an der Maschine verhindert.

Die Reisenden waren einverstanden, am nächsten Tag über China nach Singapur zu fliegen.

Da es wieder ein technisches Problem am Flugzeug auftrat, verzögerte sich auch dieser Alternativflug.

Durch Probleme an den verschiedenen Flugzeugen waren die Reisenden mehr als 48 Stunden unterwegs.

Die Flugdauer war viermal länger als ursprünglich angedacht. Die ursprüngliche Flugdauer sollte 11 Stunden und 35 Minuten betragen. 

Die Fluggesellschaft Finnair zahlte je 600 EUR an die Reisenden, verweigerte aber für den Alternativflug und der zweiten Abflug-Verspätung wegen „außergewöhnlicher Umstände“ keine Entschädigung.

Begründet wurde dies damit, dass es sich bei dem Defekt am zweiten Flugzeug, einem Defekt der Servolenkung des Steuerruders um ein sog. „on-condiction-Teil“ handle. Dieses „on-condiction-Teil“ wird nur ersetzt, wenn bei dem früheren Teil ein Defekt aufgetreten wäre und dieses ausgetauscht werden würde.

Der Europäische Gerichtshof hat nun entschieden, dass der Defekt eines sog. „on-condiction-Teil“ keine außergewöhnlichen Umstände begründet.

Außergewöhnliche Umstände sind solche, die ihre Natur und Ursache nicht in der normalen Ausübung haben, wie bspw. Streik, Blitzschlag oder Flughafensperrungen.

Technische Mängel begründen hingegen keine außergewöhnlichen Umstände nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggast-VO.

Der EuGH entschied, dass das vorzeitige, sogar unerwartete Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs keinen außergewöhnlichen Umstand darstelle, da ein solcher Defekt grundsätzlich untrennbar mit dem System verbunden ist und dem Betrieb des Flugzeugs gehört und somit damit verbunden ist. Ebenso wurde dargestellt, dass das Flugunternehmen auf den Austausch eines „on-condiction-Teil“ vorbereitet sei und dies von der Fluggesellschaft beherrscht wird.

Weiter besagt die Entscheidung des EuGH Folgendes:

Art. 7 Abs. 1 der Fluggast-VO ist dahin auszulegen sind, dass ein Fluggast, der wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und den ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativflugs hat, wenn diese Verspätung eine Anzahl von Stunden beträgt, die zu einer Ausgleichszahlung berechtigt und das den Alternativflug ausführende Luftfahrtunternehmen dasselbe ist wie das des annullierten Fluges.

Das bedeutet, wenn Flugreisende wegen doppelter technischer Störung einer doppelten Verspätung ausgesetzt sind, dann müssen diese auch doppelt entschädigt werden.

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