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Dürfen Eltern das Vermögen ihres Kindes ausgeben?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Eltern bzw. Großeltern oder auch Taufpaten legen im Namen eines Kindes häufig ein Sparkonto an. Das darauf angesparte Geld soll das Kind aber oft erst zu einem bestimmten Zeitpunkt bekommen – bis dahin behält der „Kontoeröffner“ das Sparbuch zumeist für sich. Bewahren die Eltern das Sparbuch auf oder wird es ihnen übergeben, kommt es jedoch immer wieder vor, dass sie das Vermögen auf dem Konto abheben und ausgeben. Kann das Kind dann Schadenersatz von seinen Eltern verlangen – auch wenn ihm das Guthaben zur Zeit der Kontoauflösung faktisch noch gar nicht gehörte?

Mutter löst zwei Sparkonten auf

Eine Großmutter eröffnete für ihre Enkelin zwei Sparkonten. Das eine Konto lautete von Anfang an auf den Namen des Mädchens, das andere lief zuerst auf den Namen der Oma und wurde später von ihr auf den Namen der Enkelin umgeschrieben. Allerdings behielt die Großmutter die Sparbücher. Als sie an Demenz erkrankte, wurde ihr eine Betreuerin zur Seite gestellt. Im Jahr 2004 forderte die Tochter der Betreuten unter Hinweis auf ihr alleiniges Sorgerecht für die 13-jährige Kontoinhaberin die Betreuerin auf, die Sparbücher an sie herauszugeben. Die Tochter bekam die Sparbücher, löste die Konten auf und ließ sich den Betrag von insgesamt 58.452,52 Euro auf ihrem eigenen Konto gutschreiben.

Erst 2013 erfuhr die nunmehr volljährige Enkelin von den Sparkonten, die ihr die bereits 2005 verstorbene Großmutter hatte hinterlassen wollen. Sie zog daraufhin vor Gericht und verlangte von ihrer Mutter Schadenersatz in Höhe von 58.452,52 Euro. Die habe sich schließlich nicht einfach das Geld „unter den Nagel reißen“ dürfen. Im Übrigen habe sie im Jahr 2004 wegen familiärer Probleme gar nicht bei der Mutter, sondern in einer Jugendhilfeeinrichtung gelebt. Ihre Mutter habe nur verhindern wollen, dass ihre Tochter selbstständig über das Geld verfügen kann. Die Mutter erklärte, das Geld im Interesse ihrer Tochter ausgegeben zu haben.

Mutter muss Schadenersatz zahlen

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. Main verpflichtete die Mutter zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe des Betrages, der sich zur Zeit der Kontoauflösungen auf den beiden Konten insgesamt befunden hat, also 58.452,52 Euro.

Pflicht zur wirtschaftlichen Vermögensverwaltung

Die Mutter hatte unter anderem gegen § 1664 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen. Nach dieser Vorschrift können Kinder ihre Eltern in Haftung nehmen, wenn die im Rahmen der Sorgerechtsausübung gegen eine Pflicht verstoßen.

Eltern sind nach § 1642 BGB dazu verpflichtet, das Vermögen ihrer Kinder zu bewahren. Sie dürfen es also nicht einfach für persönliche Zwecke ausgeben oder damit Aufwendungen für das Kind tätigen, zu denen sie als Unterhaltspflichtige ohnehin verpflichtet sind. Es ist daher grundsätzlich unzulässig, mit dem Vermögen der Kinder z. B. deren Sommer- bzw. Winterbekleidung und die Kinderzimmereinrichtung zu bezahlen.

Gegen diese Pflicht hat die Mutter verstoßen, als sie eigenmächtig die Konten, die auf den Namen ihrer Tochter liefen, auflöste und sich das Geld „einverleibte“.

Enkelin hatte nur eine Erwerbsaussicht auf Kontoguthaben

Vorliegend war jedoch problematisch, dass die Enkelin im Jahr 2004 – also als die Konten aufgelöst wurden – noch gar nicht Inhaberin der Forderungen aus den zwei Sparbüchern gewesen ist. Das war vielmehr noch immer die Großmutter. Zwar liefen die beiden Konten auf den Namen der Enkelin – allerdings hatte die Oma jahrelang auf die Konten eingezahlt und die Sparbücher behalten. Es ist daher anzunehmen, dass die Enkelin erst ab dem Tod der Großmutter über das Sparguthaben verfügen sollte, nicht vorher. Die Enkelin hatte lediglich eine Erwerbsaussicht. Theoretisch wäre es also möglich gewesen, dass die Oma das gesamte Vermögen „auf den Kopf haut“ – sie hätte sich nicht schadenersatzpflichtig gemacht.

Bewusste Schädigung durch die Mutter

Vorliegend hat aber nicht die Oma die Konten aufgelöst und das Geld mit vollen Händen ausgegeben, sondern deren eigene Tochter bzw. die Mutter der Kontoinhaberin. Die habe auch gewusst, dass das Kontoguthaben eigentlich ihrer eigenen Tochter zustehen sollte, aber nach Ansicht des Gerichts verhindern wollen, dass ihr Kind selbst nach Eintritt der Volljährigkeit eigenständig darüber verfügen kann.

Damit hat sie die Aussicht ihrer Tochter auf den Erwerb des Kontoguthabens bewusst vereitelt und gegen ihre Pflicht aus § 1664 BGB verstoßen – auch wenn die Tochter nur eine bloße Erwerbsaussicht in Bezug auf das Vermögen auf den Sparkonten hatte. Verständige Eltern hätten das Geld auf dem Konto gelassen und gerade nicht zum Nachteil des eigenen Kindes abgehoben und ausgegeben.

Selbst wenn sie das Geld für ihre Tochter ausgegeben haben sollte, blieb bis zuletzt unklar, um welche Ausgaben es sich gehandelt hat und ob sie mit dem Vermögen ihres Kindes hätten bezahlt werden dürfen. Auch kam erschwerend hinzu, dass sie das Geld nicht getrennt von ihrem eigenen Vermögen angelegt hat und sie ihrer Tochter somit – selbst nach Vollendung deren 18. Lebensjahres – den eigenständigen Zugriff auf den Betrag verweigert hat.

Fazit: Eltern sind dazu verpflichtet, das Vermögen ihres Kindes zu erhalten oder gar zu mehren. Sie dürfen es nicht für persönliche Zwecke ausgeben – ansonsten müssen sie ihrem Nachwuchs Schadenersatz zahlen.

(OLG Frankfurt a. Main, Beschluss v. 15.04.2016, Az.: 5 UF 55/15)

(VOI)

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