Dürfen in Spanien Online-Eigentümerversammlungen abgehalten, oder Umlaufbeschlüsse getroffen werden?

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Wir kennen es aus dem deutschen Recht. 


§ 23 Abs. 3 WEG ermöglicht es der Gemeinschaft, ohne Abhaltung einer Versammlung Beschlüsse als sogenannte Umlaufbeschlüsse zu treffen.

Seit der Reform des deutschen Wohnungseigentumsgesetzes im Jahre 2020, eröffnet § 23 Absatz 1 WEG der Eigentümergemeinschaft darüber hinaus die Möglichkeit, durch Beschluss, Eigentümern die Teilnahme an einer Versammlung auch ohne Anwesenheit am physischen Veranstaltungsort zu ermöglichen. 


Der besagte Paragraph erlaubt es auf diese Weise Eigentümern ihre Rechte - so der Wortlaut - "im Wege elektronischer Kommunikation" auszuüben.


Beide Optionen - Umlaufbeschlüsse und die Teilnahme mittels Videokonferenz - führen für die Gemeinschaft und ihre Mitglieder zu großen Erleichterungen, denn diese können ihre Angelegenheiten viel flexibler, und angepasst an die aktuellen technischen Möglichkeiten, lösen.


Doch nicht nur das. Gerade vor dem Hintergrund der umfassenden Einschränkungen der Reisefreiheit, zu Beginn der COVID-19-Pandemie, erlaubten es diese beiden Möglichkeiten, den besonderen Erfordernissen der Eigentümergemeinschaft, in derartigen Krisenzeiten, gerecht zu werden.


Bisherige Erfahrung in Deutschland


Dass einzelne Eigentümer seit circa drei Jahren, online an Eigentümerversammlungen teilnehmen konnten, hat zu weitestgehend positiven Erfahrungen geführt, denn der Stand der Technik erlaubt es regelmäßig - vorausgesetzt alle Betroffenen sind technisch sinnvoll ausgestattet -, dass die Online-Teilnahme reibungslos funktioniert, und der Gemeinschaft und ihren Mitgliedern, zusätzliche Freiheiten eröffnet werden. 


Bisher wurde diese Option jedoch lediglich in der Weise eingesetzt, dass zu der eigentlichen, an einem bestimmten Raum stattfindenden Präsenz-Versammlung einzelne Eigentümer zugeschaltet werden konnten.

In diesem Zusammenhang ist deshalb teilweise auch von hybriden Wohnungseigentümerversammlungen die Rede, weil die Teilnehmer derselben teilweise am Veranstaltungsort der Versammlung zusammentreffen, und teilweise von einem fremden Ort zugeschaltet werden.


Zukunft der Online-Versammlung in Deutschland


Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht jetzt allerdings vor, dass in Zukunft auch die Möglichkeit der Durchführung einer vollständig virtuellen Eigentümerversammlung besteht.

Dies soll, entsprechend dem Entwurf, mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden können.


Situation in Spanien


Die Möglichkeit der Durchführung von Online-Versammlungen ist in Spanien aus Anlass der Covid-19-Pandemie, bereits in den Jahren 2020 und 2021, dank spezifischer Regelungen ausdrücklich normiert worden. 

Teilweise gab es aber bereits vorher schon Erleichterungen, welche diese ermöglichten.

In diesem Zusammenhang gilt es aber zwischen den Vorschriften in Katalonien und im Rest Spaniens zu unterscheiden.


Online-Versammlungen in Katalonien 


Das Wohnungseigentumsrecht wird in Katalonien seit dem Jahre 2006 nicht mehr durch das allgemeine spanische Wohnungseigentumsgesetz (Ley de Propiedad Horizontal, kurz: LPH), normiert. 

Vielmehr kommen die Vorschriften des fünften Buches des katalanischen Zivilgesetzbuches (Libro V. del Código Civil de Cataluña, kurz: C.C.C.) zur Anwendung.


Artikel 553-22 des C.C.C. sieht in Katalonien bereits seit dem Jahr 2015 die Möglichkeit vor, dass die Eigentümergemeinschaft durch Satzung oder Beschluss die Teilnahme an der Versammlung mittels Videokonferenz oder unter Zuhilfenahme anderer elektronischer Mittel ermöglicht.

Vergleichbar mit der bisher geltenden Situation in Deutschland, können deshalb bereits seit acht Jahren einzelne Eigentümer, von einem anderen als dem physischen Veranstaltungsort, an welchem sich die übrigen Eigentümer treffen, zugeschaltet werden.

Diese hybriden Versammlungen erforderten lediglich, wie beschrieben, eine entsprechende allgemeine Erlaubnis in der Satzung der Eigentümergemeinschaft oder eines hierauf gerichteten Beschlusses. 

Die soeben beschriebene Option wurde aufgrund der aus der COVID-19-Krise resultierenden Herausforderungen durch den Erlass zusätzlicher Vorschriften ausgeweitet.

Das Decreto-ley 10/2020, de 27 de marzo, por el que se establecen nuevas medidas extraordinarias para hacer frente al impacto sanitario, económico y social del COVID-19, also das “Gesetzesdekret 10/2020 vom 27. März über neue außerordentliche Maßnahmen zur Bewältigung der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von COVID-19“, erlaubte es den Eigentümergemeinschaften unter anderem, während der Dauer der Pandemie, von der Abhaltung von Versammlungen abzusehen, und führte dessen ungeachtet, in seinem Artikel 4.2 außerdem die Option ein die gesamte Versammlung als Videokonferenz durchzuführen. 

Zusätzlich verwies der besagte Artikel 4.2 auf die in den Artikeln 312-5.2 und 312-7 C.C.C., enthaltenen Regelungen, welche vorher keine Anwendung auf Eigentümergemeinschaften fanden, und bestimmen, dass Entscheidungen – hier Beschlüsse – auch ohne die Abhaltung einer Versammlung, quasi als Umlaufbeschlüsse, zustande kommen dürfen, wenn sich der Präsident oder zwei Eigentümer hierfür aussprechen, und dass Versammlungen auch vollständig online durchgeführt werden können. 

Damit gestattete das katalanische Wohnungseigentumsrecht sowohl die Abhaltung von reinen Online-Versammlungen, wie auch die Beschlussfassung im Umlaufverfahren, schon im Jahre 2020. 

Dem Wortlaut dieses Dekrets folgend, sollten diese Regeln allerdings nur bis zum Ende des Alarmzustandes gelten, und dieser endete in ganz Spanien am 9. Mai 2021.

Die hybriden Versammlungen, sind seit dem Jahre 2015 ausdrücklich nach katalanischem Recht zulässig, und sind dies deshalb auch heute noch ununterbrochen.

Es stellt sich aber die Frage, ob nach Beendigung des Estado de Alarma d.h. des durch die spanische Regierung während der Hochphase der Pandemie ausgerufenen Alarmzustandes, jetzt auch noch die Durchführung von reinen Online-Versammlungen und die abstimmung mittels Umlaufbeschlüssen zulässig ist.

Mit Beendigung des Alarmzustandes endete, wie oben beschrieben, die allgemeine Zulässigkeit, denn die Vorschrift beschränkte diese Optionen auf dessen Dauer.

Es sollte daher zu der alten Handhabung zurückgekehrt werden. 

Zuschaltungen zur Präsenz-Versammlung mittels Videokonferenz sind zulässig, wenn dies in der Satzung vorgesehen oder entsprechend beschlossen wurde. 

Umlaufbeschlüsse waren ohnehin lediglich nachgeordnet vorgesehen, und insbesondere für die Fälle angedacht, in denen nicht sichergestellt werden konnte, dass sämtliche Eigentümer über die technischen Möglichkeiten verfügen, um an den Online-Versammlungen teilzunehmen. 

Von der Durchführung reiner Online-Versammlungen oder der Erzielung von Beschlüssen im Umlaufverfahren sei jetzt jedoch abgeraten, bis es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt, denn es gilt, wie gesagt, erneut lediglich die bereits im Jahre 2015 eingeführte Erlaubnis hybride Versammlungen abzuhalten. 


Online Versammlungen im restlichen Spanien


Das spanische Wohnungseigentumsgesetz (Ley de Propiedad Horizontal, kurz: LPH) sah und sieht, anders als das katalanische Zivilgesetzbuch, keine Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels Videokonferenz vor.

Auch der nationale Gesetzgeber hat aber hier, nach Ausbruch der Pandemie, besondere Regelungen geschaffen.

So bestimmte das königliche Gesetzesdekret 8/2021 vom 4. Mai (Real Decreto-ley 8/2021, de 4 de mayo, por el que se adoptan medidas urgentes en el orden sanitario, social y jurisdiccional, a aplicar tras la finalización de la vigencia del estado de alarma declarado por el Real Decreto 926/2020, de 25 de octubre, por el que se declara el estado de alarma para contener la propagación de infecciones causadas por el SARS-CoV-2, übersetzt: Königliches Gesetzesdekret 8/2021 vom 4. Mai zur Verabschiedung dringender Maßnahmen im Gesundheits-, Sozial- und Gerichtsbereich, die nach dem Ende des durch das königliche Dekret 926/2020 vom 25. Oktober ausgerufenen Alarmzustands anzuwenden sind, um die Ausbreitung der durch SARS-CoV-2 verursachten Infektionen einzudämmen.), dass vorübergehend keine Versammlungen abgehalten werden mussten, dass diese aber dennoch falls erforderlich oder gewünscht, mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden könnten, und dass es erlaubt sei, im Wege des Umlaufverfahrens, Beschlüsse ohne Versammlung zu teffen. 

Die Geltung dieser Sonderregeln war allerdings bis zum 31. Dezember 2021 begrenzt. 

Ist deshalb auch hier, davon auszugehen, dass, ähnlich wie für Katalonien, im Rest Spaniens ebenfalls wieder die ursprünglichen Regeln gelten, die vor der Pandemie zur Anwendung kamen? 

Nicht ganz. 

In beiden Fällen, d.h. sowohl in Katalonien, wie auch im übrigen Spanien muss man zunächst die gesetzlichen Grundlagen heranziehen, und in beiden Fällen, wurde das einschlägige Wohnungseigentumsrecht nicht abschließend geändert. 

Hier wie dort gab es lediglich vorübergehende Sondervorschriften, welche während der Pandemie, andere Regeln zur Anwendung brachten, um den besonderen Umständen Rechnung zu tragen. 

Am Wunsch beider Gesetzgeber, dass die Meinungsbildung innerhalb der Gemeinschaft im wesentlichen Ausdruck des Austausches zwischen den Eigentümer ist, hat sich nichts geändert, weshalb wir wieder bei der vorrangigen Durchführung von Präsenz-Versammlungen angelangt wären. 

Allerdings haben sich verschiedene Lehrmeinungen herausgebildete, welche die Möglichkeit der Fortgeltung der alternativen Online-Versammlung und des Umlaufbeschlusses thematisieren.

Hiernach wird beispielsweise argumentiert, dass der nationale Gesetzgeber die Durchführung von Online-Versammlungen nicht ausdrücklich verbiete. 

Vielmehr sei lediglich die Rede davon, dass Artikel 15.1 LPH die persönliche Teilnahme des Eigentümers an der Versammlung, oder eben seine Vertretung vorsehe. 

Und eine persönliche Teilnahme sei eben auch möglich, wenn die Versammlung online erfolge bzw. mittels Videokonferenz durchgeführt werde. 

Magro Servet, hält es deshalb für ausreichend, wenn mit einer einfachen Mehrheit der Stimmen und Quoten eine Fortsetzung der Online-Versammlungen, oder die Zuschaltung der an einem anderen Ort befindlichen Eigentümer, mittels Videokonferenz beschlossen wird. 

Sowohl in Katalonien, wie auch im Rest Spaniens, könnte nach dieser Auffassung – ein entsprechender Beschluss der Eigentümerversammlung vorausgesetzt – eine hybride, oder gar eine vollständige Online-Versammlung abgehalten werden. 

Um Anfechtungen zu vermeiden, würde ich allerdings von einer reinen Online-Versammlung oder einem Beschluss im Umlaufverfahren Abstand nehmen, solange weder die einschlägigen Vorschriften angepasst, noch wenigstens eine ausreichende Menge an richterlichen Entscheidungen eine sicherere Analyse ermöglichen. 


Fazit


Die hybriden Versammlungen waren in Katalonien schon früher, also vor der Pandemie möglich, und sind es ununterbrochen, wenn die Satzung oder ein Beschluss dies erlaubt. Im Rest Spaniens (siehe oben) scheint vieles dafür zu sprechen, ebenfalls hybride Versammlungen zuzulassen, wenn ein entsprechender Beschluss getroffen wird, auch wenn es das aktuelle spanische Wohnungseigentumsgesetz nicht ausdrücklich vorsieht.

Von vollständigen Online-Versammlungen oder Beschlüssen im Umlaufverfahren muss abgeraten werden, solange die Rechtslage aufgrund mangelnder Gesetzesänderungen oder wenigsten gefestigter Rechtsprechung uneindeutig ist.  


Vertiefende Hinweise finden Sie auf unserem Themenportal zum spanischen Immobilienrecht oder unserer Kanzleiseite.

Foto(s): Manuel del Cuerpo


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