Ein einmal nicht erschienener Zeuge ist nicht gleich unerreichbar – Revision erfolgreich

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Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss (Az. 2 StR 556/15) vom 02.11.2016 das zuständige Landgericht gerügt, zu vorschnell von einer Unerreichbarkeit eines Zeugen ausgegangen zu sein und die Ablehnung des Beweisantrags als rechtswidrig erklärt. 

Sachverhalt

Dem Angeklagten wird eine schwere räuberische Erpressung vorgeworfen und sein Verteidiger stellt in der gerichtlichen Hauptverhandlung einen Beweisantrag, der sich auf das Tatgeschehen auf einem Parkplatz bezog. Dort sollen sich noch weitere Personen und somit Zeugen aufgehalten haben, die jedoch nur teilweise mit vollständigem Namen bekannt seien. Besonders einer von ihnen sei äußerst hilfreich für den Prozess, allerdings sei nur dessen Spitzname und Wohnadresse bekannt. 

Die Staatsanwaltschaft bemühte sich zwar, die Personalien dieses Zeugen zu ermitteln und zum nächsten Termin zu laden, doch obwohl es ihr gelang, den bürgerlichen Namen zu identifizieren, erschien der besagte Zeuge nicht beim Gerichtstermin. Ob die Ladung auch zu gestellt wurde, war nicht ersichtlich. Daraufhin wurde er zwei weitere Male zu einem Hauptverhandlungstag geladen, ohne dass dieser erschien. 

Das Gericht kam daher zu der Auffassung, der von der Verteidigung genannte Zeuge sei unauffindbar. 

Entscheidung

Nach der ständigen Rechtsprechung müssen die Bemühungen der Gerichte und der Staatsanwaltschaft, das Beweismittel herbeizuschaffen, dem Wert des Beweismittels entsprechen. Also nach der Bedeutung für die Beweisfindung und auch nach der Schwere der vorgeworfenen Tat. 

Zwar kann dabei die ausdrückliche Weigerung eines Zeugen, zu erscheinen und auszusagen, die Annahme von Unerreichbarkeit rechtfertigen, doch allein das Nichterscheinen in einer Hauptverhandlung begründet eine solche Annahme nicht. 

Nach dem Vorbringen im Beweiseintrag des vorliegenden Falls handelte es sich um einen unmittelbaren Tatzeugen, dessen Angaben naheliegend von wesentlicher Bedeutung für die Aufklärung des Tatgeschehens sein könnten. 

Danach hätte in einer überschaubaren Zeitspanne versucht werden müssen, den besagten Zeugen vor Ort aufzusuchen, gegebenenfalls eine weitere Vorführungsanordnung oder die Androhung von Maßnahmen zu erlassen. 

Der Bundesgerichtshof kam somit zu der Entscheidung, dass das Landgericht sich nicht ausreichend bemüht hat, alle genannten Möglichkeiten zur Würdigung des Tatgeschehens auszuschöpfen. 

Die vorangegangene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wurde aus diesen Gründen aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen. 

Fazit

Anhand dieses Urteils lässt sich erkennen, dass ein Zeuge nicht bereits deshalb „unbrauchbar“ ist, weil es Schwierigkeiten bereitet, ihn zu laden oder vorführen zu lassen. 

Somit ist in einem Strafverfahren jede Möglichkeit zur Entlastung oder zur Klärung des Sachverhalts anzugeben. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaft sind dazu verpflichtet, diesen Angaben nachzugehen und sie auch zu überprüfen. 


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