Eine Bekanntgabe der Schwangerschaft im Betrieb – ohne Zustimmung – löst Entschädigungsanspruch nach dem AGG aus

  • 3 Minuten Lesezeit

I.

Dem Arbeitgeber ist de lege lata untersagt im Betrieb oder Kundenkreis über die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin zu berichten. Eine Weitergabe dieser Information bedarf der Zustimmung der betroffenen Mitarbeiterin. Nicht alle Arbeitgeber halten sich daran. Nur zu oft wird im wirtschaftlichen Eigeninteresse des Unternehmers den Mitarbeitern oder den Kunden von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin berichtet. Dies kommt oft dann zum Tragen, wenn die betroffene Mitarbeiterin durch deren Tätigkeit ein Vertrauensverhältnis zum Kunden unterhält, wie beispielsweise bei Ärztinnen oder Zahnärztinnen zu deren Patienten. Fällt die Behandlerin ad hoc aus, fragen sich die Patienten, warum Sie keinen Termin mehr bei ihrer bisherigen Ärztin bekommen können. Nur zu oft lässt sich der Arbeitgeber in diesen Fällen dazu hinreißen, die Mitarbeiter und Patienten über die Schwangerschaft der Mitarbeiterin zu informieren, obschon diese das nicht möchte – was regelmäßig dann der Fall ist, wenn sich die betroffene Mitarbeiterin noch in einem frühen Stadium der Schwangerschaft befindet.


Das MuSchG schreibt vor, dass eine Offenbarung der Schwangerschaft durch den Arbeitgeber verboten ist und strafrechtlich sanktioniert werden soll. Auch steht fest, dass die ungewollte Bekanntgabe der Schwangerschaft zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der werdenden Mutter gegen den Arbeitgeber auslöst. Die bisherigen Bemessungsfaktoren für die Schadensersatzhöhe führten jedoch nicht dazu, dass Arbeitgeber davon abgehalten wurden, die Schwangerschaften zu offenbaren.


In der ungefragten und ungewollten Bekanntgabe der Schwangerschaft liegt ein Datenschutzverstoß. Gleichzeitig wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren tangiert. Die Frage die sich aber außerdem stellt ist, ob und inwieweit eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt.  Wäre dies der Fall, könnte eine Bemessung der Entschädigung nach den Bemessungsfaktoren des AGG erfolgen.


II.

In einem Prozess vor dem LAG Hamburg hat die Kammer darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine angestellte Zahnärztin Ansprüche wegen Diskriminierung gegen deren Arbeitgeber zustehen, weil dieser ungefragt die Schwangerschaft der Klägerin offenbart hatte. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt in der 7. SSW. Die Klägerin macht gegen den Beklagten drei Bruttogehälter als Nettoschadensersatz geltend.


Nachdem das AG Hamburg zu Unrecht davon ausging, dass eine Zustimmung der Klägerin vorlag, kündigte das Landesarbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung im August 2023 an, dass die Kammer von einer pflichtwidrigen Offenbarung durch den Arbeitgeber ausgehe. Das LAG Hamburg wies in einer gerichtlichen Verfügung darauf hin, dass die Kammer das AGG für einschlägig halte und die Höhe der Entschädigung sich nach den Bemessungsfaktoren des AGG richte.


III.

Die Entscheidung des LAG Hamburg wird mit Spannung erwartet, denn bislang wurden Schadensersatzansprüche nicht nach dem AGG beurteilt, sondern nach (altertümlichen) Schadensersatzgrundsätzen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die zu erwartende Entscheidung trägt dem Wandel der Zeit Rechnung.


Die geänderten Bewertungsmaßstäbe sind absolut zu begrüßen. Die bisher abgeurteilten Schadensersatzansprüche sind der Höhe nach nicht angemessen. Ein Arbeitgeberunternehmen, was hunderttausende Euro oder mehr im Jahr an Gewinn einfährt, wird sich durch einen abgeurteilten Schadensersatzbetrag von ein paar tausend Euro nicht davon abhalten lassen zukünftig Schwangerschaften der Mitarbeiter preiszugeben. Nach dem AGG und der Meinung des Verfassers wären drei Bruttogehälter als Nettoentschädigung angemessen.


Jedenfalls ist die Schadenshöhe so zu bemessen, dass eine generalpräventive Wirkung eintritt und der Arbeitgeber sich durch eine monetär bemerkbare Entschädigung daran gehindert sieht, sich über die Vertraulichkeit der Schwangerschaft hinwegzusetzen. Die Rechtsprechung scheint dem nun endlich Rechnung zu tragen.


Der Unterzeichner vertritt bundesweit schwangere und stillende Mütter sowie Arbeitgeberunternehmen – mit Spezialisierung auf Zahnärztinnen – zu der Thematik.



Dr. Michael Heintz

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Foto(s): @WISSING HEINTZ GEHRLEIN Rechtsanwälte

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Michael Heintz

Beiträge zum Thema