Eine Vorsorgevollmacht ist kein Blankoscheck!

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In meinem Beitrag Was Sie über eine (General-) Vorsorgevollmacht wissen sollten https://www.anwalt.de/rechtstipps/was-sie-ueber-eine-general-vorsorgevollmacht-wissen-sollten-209854.html 

hatte ich dargestellt, dass das Erteilen einer Vollmacht für den Vollmachtgeber ein Risiko darstellt, denn er erteilt dem Bevollmächtigten die volle Macht. Dieses große Vertrauen kann seitens des Bevollmächtigten im schlimmsten Fall ausgenutzt werden, weshalb er haftbar gemacht werden kann:


Der Bevollmächtigte haftet sowohl dem Vollmachtgeber als auch dessen Erben z.B. auf Schadensersatz, wenn er seine Pflichten schuldhaft verletzt.


Was zum Beispiel schlimmstenfalls geschehen kann, illustriert der folgende, kürzlich vom Oberlandesgericht Brandenburg entschiedene Fall:


Die Tochter bediente sich am Bankkonto des Vaters


Der inzwischen verstorbene Vater (Erblasser) hatte einer seiner Töchter und späteren Miterbinnen eine umfassende Bankvollmacht für das gesamte Konten- und Sparvermögen erteilt. Zu Lebzeiten des Erblassers überwies die Tochter von dessen Konten auf ihr eigenes Konto und auf die Konten ihrer Söhne diverse Geldbeträge. Nach dem Tod des Erblassers forderten die anderen Töchter und Miterbinnen die Bevollmächtigte auf, die Beträge in den Nachlass zurückzuzahlen – mit Erfolg.


Das Problem: Bestand ein Gefälligkeitsverhältnis oder ein Auftragsverhältnis


Die große Frage bei der Verantwortlichkeit von Bevollmächtigten gegenüber den Vollmachtgebern liegt immer darin, ob der Bevollmächtigte im Rahmen eines unverbindlichen Gefälligkeitsverhältnisses tätig geworden war – dann haftet er nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten – oder ob ein verbindliches Auftragsverhältnis bestand mit der Folge, dass der Bevollmächtigte dem Vollmachtgeber auf Auskunft, Rechnungslegung, Herausgabe und Schadensersatz haftet.


Wenn die Parteien zu einer Haftung des Bevollmächtigten im Innenverhältnis nichts vereinbart haben, dann ist nach dem Rechtsbindungswillen der Beteiligten zu fragen: Wollte der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten rechtlich an dessen Handeln binden und war der Bevollmächtigte damit einverstanden? Dies ist notfalls nach den Umständen des jeweiligen Falles zu entscheiden:

  • Wie wichtig war das Tätigwerden des Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber aus dessen Sicht
  • und war die Wichtigkeit für den Bevollmächtigten erkennbar?


Wenn im Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ein Auftragsverhältnis besteht


Das Oberlandesgericht Brandenburg hat im vorliegenden Fall das Bestehen eines Auftragsverhältnisses angenommen:


Ein Rechtsbindungswille, so das OLG, könne sich aus dem Wert, aus der Bedeutung, aus dem Interesse (des Vollmachtgebers) und aus der Gefahr ergeben, die aus einer fehlerhaften Leistung (des Bevollmächtigten) erwächst. Wenn der Bevollmächtigte erkennen könne, dass der Vollmachtgeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages hatte, sei ein Rechtsbindungswille anzunehmen.

Dies sei regelmäßig der Fall, wenn ein Familienangehöriger im Rahmen einer ihm erteilten Vorsorgevollmacht Geldgeschäfte für einen anderen vornehme. Gegen einen Auftrag spreche auch nicht, dass ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe.

Als er der Bevollmächtigten Zugriff auf sein gesamtes Konto- und Sparvermögen gewährt hatte, sei es für den Erblasser und Vollmachtgeber um erhebliche wirtschaftliche Interessen gegangen. Da der Erblasser trotz der erteilten Vollmacht eigenständige Entscheidungen habe treffen wollen, sei daraus abzuleiten, dass die Bevollmächtigte die Gelder nur verwalten und nach den Weisungen und Wünschen des Erblassers einsetzen sollte. Daher sei die Bevollmächtigte auch nicht als befreit anzusehen von der Befolgung der Weisungen des Erblassers und von Auskunfts- und Rechenschaftspflichten.


Ergebnis


Aufgrund des Auftragsverhältnisses hatte die Bevollmächtigte alles herauszugeben, was sie aus der Geschäftsführung erlangt und nicht gemäß den Weisungen des Erblassers verwendet hatte – und zwar nicht an den verstorbenen Vollmachtgeber (Erblasser), sondern an den Nachlass, d.h. an die Miterbinnen zur gesamten Hand

(OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss v. 01.06.2023, Az. 3 U 47/23, BeckRS 2023, 29359, NJW-Spezial 2023, 711).


Tipp:

Streitigkeiten bei der Erbauseinandersetzung lassen sich u.U. leichter lösen, wenn einer der Miterben (general-) bevollmächtigt war.


Streitigkeiten unter Miterben im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung sind keine Seltenheit. Allein nach erbrechtlichen Vorschriften ist es allerdings durchaus schwierig, von Miterben Auskunft, geschweige denn Rechenschaft zu verlangen. War ein „störrischer“ Miterbe allerdings vom Erblasser (general-) bevollmächtigt, ist ein Verlangen nach Auskunft, Rechnungslegung, Herausgabe und Schadensersatz deutlich einfacher durchzusetzen.


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