Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Freistellungen ab 16.3.2022 unzulässig!

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Die Zeit läuft langsam ab. Die heftig kritisierte einrichtungsbezogene Impfpflicht im Pflege- und Gesundheitswesen wird (wohl) kommen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 10.02.2022, 1 BvR 2649/21) hat einen Eilantrag abgelehnt. Die Frage, die alle bewegt und weiterhin für große Verunsicherung sorgt ist, was passiert eigentlich am 16.03.2022, wenn bereits beschäftigte Arbeitnehmer nicht die erforderlichen Nachweise, also einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein Impfunfähigkeitsattest vorlegen können?

Seit der Verlautbarung des Bundesgesundheitsministeriums vom 16.02.2022 (bestätigt auch durch die Erklärungen aus anderen Ländern) dürfte nun klar sein, dass zunächst einmal – nichts – passiert. Dies bedeutet: Der Arbeitnehmer, der keine Nachweise vorlegen kann, kann und muss weiterbeschäftigt werden. Selbstverständlich muss auch die Vergütung bezahlt werden.

In der sog. Handreichung des Bundesgesundheitsministeriums ist folgendes zu lesen (Seite 17, Frage Nr. 22):

„22. Welche arbeitsrechtlichen Folgen können sich für die betroffenen Personen ergeben, wenn keine Nachweise vorgelegt werden?

Im Hinblick auf Personen, die bereits in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen tätig sind, sind mögliche arbeitsrechtliche Rechtsfolgen abhängig von der Entscheidung des Gesundheitsamtes. Bis das Gesundheitsamt über den Fall entschieden hat und ggf. ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Person möglich. Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG begründet kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, besteht auch keine Grundlage für kündigungsrechtliche Konsequenzen. In den Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- oder Betretensverbot ausgesprochen hat, kann die betroffene Arbeitnehmerin bzw. der betroffene Arbeitnehmer in der Einrichtung nicht mehr tätig werden. Damit dürfte für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen. …“

Keine Freistellung vor Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot!

Also: Freistellung und Einstellung der Gehaltszahlung ist vor der Entscheidung des Gesundheitsamtes über ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot ausgeschlossen! Übrigens: Kündigung und Abmahnung natürlich auch (sehen Sie dazu meinen Beitrag vom 22.02.2022).

Mit welchen Abläufen ist zu rechnen?

Liegt bis zum 15.03.2022 kein Impf- oder Genesenennachweis und auch kein Impfunfähigkeitsattest vor, benennt der Arbeitgeber dem Gesundheitsamt diese Mitarbeiter. Das Gesundheitsamt wird die Mitarbeiter dann anhören und zur Vorlage der Nachweise auffordern und erst, wenn diese nicht vorgelegt werden, unter Umständen ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot aussprechen.

Es gibt bereits „Fahrpläne“ und Verlautbarungen der Länder. In vielen Bundesländern dürften Beschäftigungsverbote mit deutlicher zeitlicher Verzögerung ausgesprochen werden. Einige Bundesländer, allen voran Bayern, hatten schon Widerstand angekündigt. Andere Bundesländer, wie bspw. Rheinland-Pfalz wollen hingegen zügig entscheiden, mit Bußgeldverhängung.

Nordrhein-Westfahlen hat als Zeitplan ausgegeben, dass dem Gesundheitsamt bis zum 31.03.2022 die Meldungen vorliegen müssen und dann bis Mitte Juni durch die Gesundheitsämter entschieden werden soll. Ähnlich ist es wohl in Thüringen. Sachsen will Beschäftigten vier Wochen Zeit geben, um die Nachweise vor Ausspruch eines Verbots vorzulegen.

Wie werden die Entscheidungen der Gesundheitsämter sein? 

Das ist schwer einzuschätzen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung durch die Gesundheitsämter wird in jedem Fall auch den Belangen der Versorgungssicherheit sowie der Funktionsfähigkeit der Einrichtung/des Unternehmens Rechnung getragen werden müssen. Entsprechende Angaben sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem Gesundheitsamt unbedingt machen. Einige Bundesländer haben bereits signalisiert, großzügig zu entscheiden. Andere wollen restriktiv entscheiden, sogar mit Bußgeldandrohung. 

Neben und unabhängig von der Entscheidung über ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot kann bei Nicht-Vorlage eines Nachweises trotz Aufforderung durch das Gesundheitsamt auch ein Bußgeld verhängt werden (s. § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG).

Übrigens: Kein Beschäftigungsverbot bei sonstiger Abwesenheit!

Das Bundesgesundheitsministerium hat in seiner letzten Veröffentlichung (Handreichung vom 16.02.2022) einen interessanten Hinweis gegeben:

Die Vorschrift des § 20a IfSG bezieht sich auf eine Tätigkeit in den betroffenen Einrichtungen oder Unternehmen. Dies bedeutet, dass Personen, die sich beim Ablauf der Frist, also am 16.03.2022, im Mutterschutz, Elternzeit oder in vollständiger Freistellung wegen Pflegezeit befinden oder einem Beschäftigungsverbot (bei Schwangerschaft) unterliegen, erst bei Rückkehr vorlagepflichtig sind. Das gleiche gilt für Sonderurlaub, Krankschreibung oder Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen befristeter Erwerbsminderung.

Dies bedeutet, dass die Beschäftigten erst bei dann die Nachweise erbringen müssen, wenn sie an den Arbeitsplatz zurückkehren. Vorher sind damit natürlich auch Freistellungen oder Kündigungen durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Ist das jetzt die Hintertür der Hintertür?


Wenn Ihr Arbeitgeber dies alles ignoriert, melden Sie sich.



Thomas Regh

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Tel.: 0228/60414-25

thomas.regh@huemmerich-legal.de



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