Einziehungsbeteiligte / Nebenbeteiligte im Strafrecht nach § 111b, § 111e StPO, § 73b StGB; Teil 2

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Nachdem wir Ihnen im 1. Teil dieses Rechtstipps die Grundlagen der Einziehung bei anderen als Tätern und Teilnehmern einer Straftat erläutert haben und auf die Einziehungsbeteiligung im Ermittlungsverfahren eingegangen sind, wollen wir im 2. Teil nun einen Blick auf die Einziehungsbeteiligung im Hauptverfahren werfen und auf einige praktische Besonderheiten der Einziehungsbeteiligung hinweisen. Hierdurch soll den Betroffenen eine Hilfestellung bei der Bewältigung dieser mitunter schwierigen Situation gegeben und auf vermeidbare Fehler hingewiesen werden.

1. Die Einziehungsbeteiligung im Hauptverfahren

Der Einziehungsbeteiligte kann mit dem Strafverfahren nicht schon im Ermittlungsverfahren, sondern unter Umständen erstmals im Hauptverfahren in Kontakt kommen. Für beide Fälle regeln die §§ 427 ff. StPO, wie der Betroffene, der nicht Täter oder Teilnehmer der Straftat ist, an dem Strafverfahren zu beteiligen ist: 

§ 427 Abs. 1 Satz 1 StPO gewährt dem Einziehungsbeteiligten grundsätzlich dieselben Befugnisse, die einem Angeklagten zustehen. Daraus folgt insbesondere, dass er sich nicht zu den Tatvorwürfen einlassen und auch keine Versuche unternehmen muss, um zu erklären, wieso der Vermögensvorteil nicht aus einer Straftat herrührt. Der Einziehungsbeteiligte kann sich dabei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, der für den Einziehungsbeteiligten auch die Ermittlungsakten einsehen kann. Bei dem Recht auf Ermittlungsakteneinsicht handelt es sich um eines der stärksten Rechte des Einziehungsbeteiligten, weil er sich nur so einen Überblick darüber verschaffen kann, was dem Täter oder Teilnehmer der vermeintlichen Straftat vorgeworfen wird und in welchem Zusammenhang dieser Tatvorwurf zu ihm selbst steht.

Praxistipp: 

Es gibt durchaus Sachverhaltskonstellationen, in denen eine anwaltliche Vertretung des Einziehungsbeteiligten nicht nötig ist bzw. in denen die Anwaltskosten in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu dem Wert des Einziehungsgegenstandes stehen. In diesen Fällen können Sie als Einziehungsbeteiligter die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht auch um Abschriften aus den Akten bitten, die Ihnen darlegen, wieso die Strafverfolgungsbehörden von einer Einziehungsbeteiligung ausgehen. Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, aber doch mittelbar aus den §§ 427 und 147 Abs. 4 StPO.

2. Das Anwesenheitsrecht des Einziehungsbeteiligten

Der Einziehungsbeteiligte ist von Zeit und Ort der Hauptverhandlung zu unterrichten und kann aktiv an dieser teilnehmen. Er kann Anträge stellen oder auch Fragen an Zeugen richten. Die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Hauptverhandlung sollten dabei nicht unterschätzt werden. Nicht selten werden hier maßgebliche Fragen der Einziehungsbeteiligung geklärt, sodass in Fällen mit hohen Einziehungssummen eine anwaltliche Vertretung des Einziehungsbeteiligten erfolgen sollte.

Praxistipp: Abgrenzung vom Angeklagten

Der Einziehungsbeteiligte ist strikt von dem Angeklagten zu unterscheiden. So kann der Angeklagte etwa der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Einziehungsbeteiligte die Gesellschaft selbst sein. In diesen Fällen muss sich auch die Gesellschaft eines eigenen anwaltlichen Vertreters bedienen und ihre Rechte unabhängig von der Verteidigung gegen den Strafvorwurf geltend machen. Der Verteidiger kann nicht zugleich auch das Unternehmen vertreten, hier gilt das sog. Verbot der Mehrfachverteidigung. Regelmäßig wird es freilich sinnvoll sein, wenn Verteidigung und Einziehungsbeteiligte eng zusammenarbeiten; notwendig ist das jedoch nicht.

3. Praktische Aspekte der Einziehungsbeteiligung im Hauptverfahren

a) Ermittlungsakteneinsicht beantragen

Will man sich als Einziehungsbeteiligter gegen die Einziehung bzw. die vorläufige Sicherstellung wehren, sollte zunächst Ermittlungsakteneinsicht, entweder durch einen Rechtsanwalt oder wie oben beschrieben, über einen Antrag auf Übersendung von Kopien, genommen werden. Von einer Stellungnahme vor Akteneinsicht, in welcher Form auch immer, kann nur ausdrücklich gewarnt werden, schließlich weiß man zu diesem Zeitpunkt gar nicht, worauf die Strafverfolgungsbehörden ihre Annahme einer Einziehungsbeteiligung stützen und wozu es Stellung zu nehmen gilt. 

Nicht selten verweigern die Strafverfolgungsbehörden die Akteneinsicht des Einziehungsbeteiligten mit dem Argument, die Einziehungsbeteiligung sei nicht hinreichend dargelegt. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig, weil das Gesetz in § 426 StPO eine Anhörung schon dann vorschreibt, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Einziehungsbeteiligung in Betracht kommt. Das Gesetz erklärt dabei auch die Vorschriften über die Vernehmung des Beschuldigten für anwendbar, was bei der Begründung des Akteneinsichtsrechts des Einziehungsbeteiligten nicht unberücksichtigt bleiben darf. 

Praxistipp:

Lassen Sie sich von der Verweigerung von Akteneinsicht nicht entmutigen. Es kommt in der Praxis regelmäßig vor, dass die Strafverfolgungsbehörden eine Einsichtnahme zunächst verweigern, ohne hinreichende Gründe dafür darlegen zu können. Fragen Sie dann konkret nach, warum man Ihnen keine Abschriften erteilen will und bleiben Sie beharrlich, das zahlt sich regelmäßig aus.

b) Verlassen Sie sich nicht auf den Angeklagten

Es ist eine mitunter gängige Verteidigungsstrategie des Angeklagten, auf die Rückgabe sichergestellter Vermögenswerte zu verzichten. Verfolgt der Angeklagte diese Strategie und verzichtet er auf Gegenstände, die tatsächlich dem Einziehungsbeteiligten zustehen, wird es für diesen äußerst schwierig, die Gegenstände zurückzuerhalten. Zwar kann der Einziehungsbeteiligte unter Umständen (zivilrechtlich) gegen die Staatsanwaltschaft bzw. den Angeklagten vorgehen, das ist jedoch in vielen Fällen mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden.

Praxistipp:

Haben Sie als Einziehungsbeteiligter den Verdacht, dass der Angeklagte bzw. dessen Verteidiger zu einem solchen Verzicht neigt, sollten Sie schon aus Gründen der „Waffengleichheit“ überlegen, ebenfalls einen Rechtsanwalt einzuschalten. Andernfalls läuft man Gefahr, dass man sich auf den Beschuldigten und dessen Angaben verlässt, obwohl dieser ganz andere, eigene Ziele verfolgt. Erinnern Sie sich, dass es im Strafprozess in erster Linie um die Bestrafung des Angeklagten geht, der zumeist alles unternehmen wird, um diese Strafe möglichst gering zu halten. Die Interessen des Einziehungsbeteiligten spielen für Angeklagte daher in vielen Fällen nur eine untergeordnete Rolle.

4. Rechtsmittel

Soweit es die Einziehungsbeteiligung betrifft, kann der Betroffene Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegen. Die nicht leicht zu verstehende Vorschrift schränkt die Rechtsmittel des Einziehungsbeteiligten im Vergleich zu den Rechtsmitteln des Angeklagten insgesamt ein, denn der Einziehungsbeteiligte kann grundsätzlich nicht den Schuldspruch des angefochtenen Urteils überprüfen lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Einziehungsbeteiligte Einwendungen vorbringt und, darin liegt die maßgebliche Einschränkung, im vorausgegangenen Verfahren ohne sein Verschulden nicht zum Schuldspruch gehört worden ist, § 431 Abs. 1 Satz 1 StPO.

5. Fazit:

Die Einziehungsbeteiligung ist ein weites Feld, auf dem es viel zu beachten gibt. Das gilt sowohl für die bereits im 1. Teil dieses Rechtstipps dargestellten Grundlagen und das Verhalten als Einziehungsbeteiligter im Ermittlungsverfahren, als auch für das Hauptverfahren selbst. Der Einziehungsbeteiligte sollte spätestens in diesem Verfahrensabschnitt aus den hier dargestellten Gründen überlegen, aktiv am Verfahren teilzunehmen und seine Interessen selbst oder durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Weder sollte sich der Einziehungsbeteiligte auf die nur beschränkten Rechtsmittel, noch auf den Angeklagten verlassen; andernfalls läuft er Gefahr, den Einziehungsgegenstand dauerhaft zu verlieren bzw. mit einer entsprechenden Einziehungsforderung belastet zu sein. Dabei ist auch zu beachten, dass ohne Akteneinsicht keine Stellungnahme abgegeben wird, da man andernfalls gar nicht weiß, wozu es überhaupt Stellung zu nehmen gilt und worauf die Strafverfolgungsbehörden die Annahme stützen, dass der Einziehungsbeteiligte für eine Einziehungsforderung haften muss.


Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Pascal Johann

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