Hohe Strafe bei Kinderpornografie - Entwarnung?! [Update 29.4.24]

  • 3 Minuten Lesezeit

Sie sind besorgt wegen eines Ermittlungsverfahrens betr. Kinderpornographie? Auf den ersten Blick scheint hier alles aussichtslos - aber ganz so ist es nicht. Lesen Sie hier mehr: 

Die Situation: Sie sind von einer Hausdurchsuchung oder Vorladung betroffen oder es wurde Ihnen einfach nur ein „böses Bild“ zugesandt, z.B. in einer WhatsApp-Gruppe. Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie gilt gem. § 184b StGB seit einiger Zeit als Verbrechen mit der Folge, dass die Staatsanwaltschaften die Verfahren nicht mehr einstellen können und die Gerichte eine Mindeststrafe von einem Jahr verhängen müssen. Das hat in vielen Fällen existenzvernichtende Wirkung. Nicht nur privat, sondern auch beruflich ist dann häufig Ende. Beamte verlieren ihren Beamtenstatus und vieles mehr.

Der Hintergrund: Die Verschärfung der Vorschrift war ein populistischer Schnellschuss der früheren Bundesjustizministerin und wurde nicht nur von Strafverteidigern, sondern auch von Richtern und Staatsanwälten scharf kritisiert. 

Zur Kritik: Sehr häufig sind die „Täter“ Personen, denen die fraglichen Bilddateien in WhatsApp-Gruppen zugesandt worden sind oder bei anderen Messengern. Sehr häufig betrifft es Kinder und Jugendliche, die so als „Verbrecher“ stigmatisiert werden. Tatsächlich sind 40% der Betroffenen unter 18 Jahre alt. Oft betrifft es auch Eltern, die auf einmal zu Straftätern werden, weil sie Daten auf dem Handy des eigenen Kindes sichern möchten, um damit zur Polizei zu gehen, wovon wir dringend abraten. Sehr häufig kommt es zu Hausdurchsuchungen, weil Internet-Straftäter Accounts bei Instagram und Facebook hacken, und dort kinderpornographische Dateien versenden. Und manchmal sind natürlich auch Personen betroffen, die wissentlich und willentlich solches Material besessen oder verbreitet haben.

Straftäter werden zwar nach dem Gesetz bestraft, dass zur Tatzeit gilt. Eine Ausnahme gibt es aber dann, wenn später ein milderes Gesetz erlassen wird. Betroffenen – gleich ob schuldig oder nicht – kommt es daher entgegen, dass der Gesetzgeber zu einer gewissen Besinnung gekommen ist und dieser verstanden hat, dass es auch minder schwere Fälle gibt. 

Update I: Tatsächlich will sich Bundesjustizminister Buschmann, der das Thema aus Angst vor öffentlicher Kritik über ein Jahr liegenließ, nun doch um das Thema kümmern, wie die LTO berichtete.

Update II: Nun - Januar 2024 - wird es ernst! Die Bild berichtet neben anderen Medien bereits über die Änderung des Strafrahmens.

Update III: Das neue Gesetz ist Gegenstand der ersten Lesung gewesen - aber immer noch nicht verabschiedet.

Auch jetzt schon können die Gerichte § 184b StGB hinsichtlich seines Strafmaßes ablehnen und eine tatsächlich angemessene Strafe verhängen. Das folgt aus Erwägungsgrund 12 der Richtlinie, die Grundlage des aktuellen Gesetzes ist, in Verbindung mit Art. 49 Abs. 3 der Grundrechtecharta.

Begründung für angemessenere Strafmaße: Die Öffentlichkeit übersieht häufig, dass die allermeisten Beschuldigten eben nicht „tonnenweise Kinderporno“ horten, sondern ein paar wenige Dateien besitzen – und manchmal sogar, ohne das zu wissen. Bevor der Gesetzgeber angefangen hat, über das Strafmaß nachzudenken, hat übrigens ein couragierter Amtsrichter einen solchen Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt mit der Argumentation, dass die Strafnorm allen Tatvarianten gerecht werden muss und nicht nur dem schwersten Fall. Das Gericht hat den Antrag im März 2023 als unzulässig verworfen (Az. 2 BvL 11/22). 

Wenn Sie betroffen sind, rufen Sie uns an oder senden Sie eine Mail. Nehmen Sie keinen Termin wahr (Vorladung). Wir beraten bundesweit, telefonisch, per Mail, persönlich oder per WhatsApp. Ihre Anfrage ist selbstverständlich kostenfrei.


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Dr. Daniel Kötz ist u.a. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er ist spezialisiert auf das Medienstrafrecht - Delikte, in denen es um Bilder, Worte oder Daten geht.

Foto(s): Frank Beer

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