Enterben: Wege, Folgen und die Bedeutung des Erblasserwillens

  • 5 Minuten Lesezeit

So schließen Sie Erben rechtssicher aus 


Enterben: 

Welche Möglichkeiten gibt es? Welche Folgen hat eine Enterbung für Pflichtteilsansprüche? 

Aktuelle Rechtsprechung und wichtige Hinweise für Erblasser und Angehörige.


Die Entscheidung, einen nahen Angehörigen von der Erbfolge auszuschließen, ist eine tiefgreifende und oft emotional belastete Maßnahme. Das deutsche Erbrecht sieht verschiedene Wege vor, eine Enterbung wirksam zu gestalten, birgt aber auch Fallstricke und schützt


Enterben: Wege, Folgen und die Bedeutung des Erblasserwillens

Die Entscheidung, einen nahen Angehörigen von der Erbfolge auszuschließen, ist eine tiefgreifende und oft emotional belastete Maßnahme. Das deutsche Erbrecht sieht verschiedene Wege vor, eine Enterbung wirksam zu gestalten, birgt aber auch Fallstricke und schützt gleichzeitig die Rechte enterbter Personen durch den Pflichtteilsanspruch.

Die klassische Enterbung: Testament und ErbvertragDer gängigste Weg, eine Enterbung vorzunehmen, ist die explizite Anordnung in einem Testament oder einem Erbvertrag (§ 1938 BGB). 

Hier muss der Erblasser klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Person nicht Erbe werden soll. Eine Begründung für die Enterbung ist grundsätzlich nicht erforderlich, kann aber in bestimmten Konstellationen sinnvoll sein.


Wichtige Voraussetzungen für eine wirksame Enterbung durch Testament/Erbvertrag: 

* Formgültigkeit: Das Testament muss handschriftlich verfasst und unterschrieben oder notariell beurkundet sein. Ein Erbvertrag bedarf immer der notariellen Beurkundung.

* Eindeutige Formulierung: Der Wille zur Enterbung muss klar und zweifelsfrei erkennbar sein. 

* Keine Anfechtungsgründe: Das Testament oder der Erbvertrag darf nicht erfolgreich angefochten werden können (z.B. wegen Testierunfähigkeit des Erblassers, Irrtums oder widerrechtlicher Beeinflussung).Die Enterbung durch "vorweggenommene Erbfolge"?

Eine aktuelle Entscheidung beleuchtet eine interessante Konstellation.Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az.: 3 W 55/22) zeigt, dass eine Enterbung unter Umständen auch implizit durch eine sogenannte vorweggenommene Erbfolge erfolgen kann. 

In dem konkreten Fall übertrug eine Mutter ein Grundstück auf einen ihrer Söhne per notariellem Überlassungsvertrag und bestimmte, dass sich dieser die Zuwendung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse. Zudem verzichteten die übrigen Kinder auf Pflichtteilsergänzungsansprüche bezüglich dieser Übertragung.Das Gericht kam zu dem Schluss, dass in dieser Konstellation der Wille der Erblasserin erkennbar war, den begünstigten Sohn nicht über seinen Pflichtteil hinaus am Nachlass zu beteiligen, was faktisch einer Enterbung gleichkommt. 

Entscheidend war hier die Kombination aus der Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil und dem Ausschluss von Pflichtteilsergänzungsansprüchen für die anderen Kinder.

Die Bedeutung des ErblasserwillensDiese Entscheidung unterstreicht die zentrale Rolle des Erblasserwillens bei der Auslegung erbrechtlicher Verfügungen. Auch wenn ein Überlassungsvertrag nicht explizit als "Testament" bezeichnet wird, kann er dennoch eine Verfügung von Todes wegen darstellen, wenn der Wille zur Enterbung eindeutig zum Ausdruck kommt.

Folgen der Enterbung: Der PflichtteilsanspruchAuch wenn eine Person wirksam enterbt wurde, steht ihr unter Umständen ein Pflichtteilsanspruch zu (§ 2303 BGB).

 Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Angehörigen des Erblassers: Kinder, Ehegatten (oder eingetragene Lebenspartner) und, wenn keine Kinder vorhanden sind, die Eltern.Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben und begründet keine Beteiligung am Nachlass selbst.

Wichtige Aspekte zum Pflichtteilsanspruch: 

* Geltendmachung: Der Pflichtteilsanspruch muss aktiv vom Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Erben geltend gemacht werden. 

* Verjährung: Der Pflichtteilsanspruch verjährt in der Regel innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Erbfalls und der Enterbung. 

* Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch: Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und gegebenenfalls auf Wertermittlung von Nachlassgegenständen.


Kann der Pflichtteil umgangen werden?

Eine vollständige Umgehung des Pflichtteils ist im deutschen Erbrecht nur in extremen Ausnahmefällen möglich, beispielsweise bei einem Entzug des Pflichtteilsrechts (§ 2333 BGB). Dies setzt jedoch schwerwiegendes Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser oder nahen Angehörigen voraus (z.B. versuchte Tötung, schwere vorsätzliche Straftat).


Die Rolle der vorweggenommenen Erbfolge bei der Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen


Die  vorweggenommene Erbfolge, wie im Fall des OLG Brandenburg, kann jedoch dazu beitragen, den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes zu reduzieren und somit potenziell auch die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu beeinflussen. Allerdings sind hierbei die Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 BGB) zu beachten. Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod können unter Umständen dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet werden, um den Pflichtteil zu berechnen.Fazit für Erblasser und Angehörige


Die Enterbung ist ein komplexes Thema im Erbrecht. Erblasser, die eine Enterbung in Erwägung ziehen, sollten sich umfassend rechtlich beraten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Verfügung wirksam ist und die gewünschten Folgen eintritt. Auch für enterbte Angehörige ist es ratsam, ihre Rechte, insbesondere den Pflichtteilsanspruch, frühzeitig prüfen zu lassen. 

Die Entscheidung des OLG Brandenburg zeigt, dass auch scheinbar eindeutige Übertragungsverträge im Lichte des Erblasserwillens eine Enterbungswirkung entfalten können, was die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall unterstreicht.


FAQ: Enterben – Antworten auf häufige Fragen

F: Wie kann ich jemanden enterben?

A: Die gängigsten Wege sind eine klare Anordnung im Testament oder in einem notariellen Erbvertrag.


F: Muss ich die Enterbung begründen?A: Grundsätzlich nicht. Es ist aber ratsam, die Gründe zu dokumentieren, um späteren Anfechtungen vorzubeugen.F: Wer kann enterbt werden?

A: Jeder gesetzliche Erbe kann enterbt werden.


F: Haben enterbte Personen Rechte?

A: Ja, enterbten nahen Angehörigen (Kinder, Ehegatten, Eltern) steht in der Regel ein Pflichtteilsanspruch zu.


F: Was ist der Pflichtteil?

A: Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ein reiner Geldanspruch.


F: Muss der Pflichtteil aktiv eingefordert werden?

A: Ja, der Pflichtteilsanspruch muss gegenüber den Erben geltend gemacht werden.


F: Verjährt der Pflichtteilsanspruch?

A: Ja, in der Regel innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Erbfalls und der Enterbung.


F: Kann ich meinen Ehepartner enterben

A: Ja, aber auch dem Ehepartner steht in der Regel ein Pflichtteilsanspruch zu.


F: Können meine Kinder mich enterben?

A: Nein, eine Enterbung ist nur durch den Erblasser möglich.


F: Was ist eine "vorweggenommene Erbfolge" im Zusammenhang mit Enterbung?

A: Eine Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten, die unter Umständen im Erbfall als (teilweise) Erfüllung des Erbteils oder Pflichtteils gewertet werden kann und in bestimmten Konstellationen eine Enterbungswirkung haben kann (siehe OLG Brandenburg).


F: Was sind Pflichtteilsergänzungsansprüche?

A: Ansprüche, die entstehen können, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen gemacht hat, um den Pflichtteil zu sichern.


F: Kann ich durch Schenkungen den Pflichtteil reduzieren?

A: Schenkungen in den letzten zehn Jahren vor dem Tod können bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden (Abschmelzungsregelung).


F: Was bedeutet "Anrechnung auf den Pflichtteil"?

A: Eine lebzeitige Zuwendung wird auf den Pflichtteilsanspruch des Empfängers im Erbfall angerechnet.

F: Was bedeutet der "Ausschluss von Pflichtteilsergänzungsansprüchen"?

A: Eine Anordnung des Erblassers, dass bestimmte Zuwendungen bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen unberücksichtigt bleiben sollen (kann ein Indiz für eine Enterbung sein).

.F: Sollte ich einen Anwalt konsultieren, wenn ich enterben möchte?

A: Unbedingt. Eine rechtzeitige und umfassende Beratung hilft, Fehler zu vermeiden und die gewünschten Ziele rechtssicher umzusetzen.


F: Was mache ich, wenn ich enterbt wurde?

A: Lassen Sie sich umgehend rechtlich beraten, um Ihre Rechte, insbesondere den Pflichtteilsanspruch, prüfen und gegebenenfalls geltend machen zu können.

Foto(s): @urheberlos


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Anna O. Orlowa LL.M.

Beiträge zum Thema