Erkennungsdienstliche Behandlung: Wie kann ich mich wehren?

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Eine erkennungsdienstliche Behandlung kann langwierige Konsequenzen nach sich ziehen. Sollten Sie eine entsprechende Ladung erhalten haben, ist es daher wichtig zu wissen, was auf Sie zukommt, welche Rechte Sie haben und worauf Sie besonders achten sollten.

Was ist eine erkennungsdienstliche Behandlung?

Eine erkennungsdienstliche Behandlung gem. § 81b StPO ist die Erfassung von personenbezogenen und biometrischen Daten einer Person durch die Polizei. Die Ladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung benennt zumeist die Maßnahmen, die durchgeführt werden sollen. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind z. B.:

  • Feststellung von Name, Wohnort, Alter bzw. Geburtsdatum
  • Anfertigung von Fotos
  • Messung von Größe und Gewicht
  • Abnahme von Fingerabdrücken
  • Erfassung von besonderen körperlichen Merkmalen wie Narben, Muttermalen, Tätowierungen

Muss ich bei der erkennungsdienstlichen Maßnahme mitwirken?

Es besteht auf der Polizeiwache keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung, geben Sie daher keine Schrift- oder Sprechproben ab und lassen Sie sich nicht in Gespräche verwickeln. Sie sind allerdings verpflichtet, die Maßnahmen, wie z. B. die Abnahme von Fingerabdrücken, passiv zu dulden. Die Maßnahmen können also auch gegen Ihren Willen durchgeführt werden.

Um Ihre Rechte vor Ort bestmöglich zu wahren, können Sie selbstverständlich einen Verteidiger mit zum Ladungstermin nehmen.

Voraussetzungen für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung

Es sind zwei verschiedenen Fälle, in denen eine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet werden kann, zu unterscheiden:

1. Erkennungsdienstliche Behandlung zur Durchführung eines Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO)

Eine erkennungsdienstliche Behandlung zur Durchführung eines Strafverfahrens dient der Aufklärung einer aktuellen Ermittlung. Wurden am Tatort z. B. Fingerabdrücke gefunden, soll aufgeklärt werden, von wem diese stammen. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass der Adressat der Maßnahme Beschuldigter einer Straftat ist. Es muss gegen ihn daher ein konkreter Verdacht bestehen, dass er an einer Straftat beteiligt ist. Hierfür bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, vage Vermutungen reichen nicht aus.

Hinzukommt, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nur insoweit zulässig ist, wie es im konkreten Fall erforderlich ist. Wenn etwa nur Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden und daher als Vergleichsspur vorliegen, darf auch nur die Abnahme von Fingerabdrücken angeordnet werden. Demgegenüber dürfen Fotos angefertigt werden, wenn ein Zeuge den Täter gesehen hat und diesen daher wiedererkennen könnte.

2. Erkennungsdienstliche Behandlung zum Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO)

Eine erkennungsdienstliche Behandlung zum Zwecke des Erkennungsdienstes verfolgt präventive Ziele. Durch die Speicherung der erhobenen Daten soll ermöglicht werden, künftige Straftaten zu verhindern bzw. aufzuklären. Wird eine Straftat begangen, kann hinsichtlich gefundener Spuren (z. B. Fingerabdrücke) ein Datenabgleich durchgeführt und die Täterermittlung erleichtert werden. Voraussetzung für eine Anordnung ist:

  • die Gefahr, dass weitere Straftaten begangen werden (Wiederholungsgefahr);
  • die Speicherung der persönlichen Merkmale muss zum Zweck möglicher künftiger Tataufklärungen geeignet und erforderlich sein;
  • der Betroffene muss rechtliches Gehör erhalten, d. h. die Möglichkeit sich zu äußern.

Im Rahmen dieser Prognose sind unter anderem folgende Kriterien relevant:

  • Art und Schwere der Tat;
  • konkrete Begehungsweise (bspw. besondere Brutalität);
  • Persönlichkeit und sonstige Eigenschaften des Täters (bspw. Alkohol- oder Drogeneinfluss).

Was geschieht mit meinen Daten nach der erkennungsdienstlichen Behandlung?

Bei einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zur Durchführung eines Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO) dürfen Ihre Daten nur zur Aufklärung der konkreten Tat verwendet werden. Sobald die Daten zur Aufklärung der Straftat nicht mehr benötigt werden, müssen sie gelöscht werden.

Demgegenüber können im Fall einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zum Zweck des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO) Ihre höchstpersönlichen Daten bei der Polizei auf unbestimmte Zeit gespeichert werden. In der Folge bedeutet dies, dass Ihre persönlichen körperlichen Merkmale wie Fotos oder Fingerabdrücke in der Zukunft für die Aufklärung von Straftaten zum Datenabgleich zur Verfügung stehen. Es handelt sich also um einen massiven Eingriff in Ihre Grundrechte.

Rechtsmittel gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen

Ihre rechtlichen Möglichkeiten hängen davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage und von wem die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wurde.

Bei einer Maßnahme zur Durchführung des Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO) bestehen folgende Rechtsschutzmöglichkeiten:

  1. Bei einer Anordnung durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft kann eine richterliche Entscheidung eingeholt werden (§ 98 Abs. 2 S. 2 analog StPO).
  2. Bei einer gerichtlichen Anordnung kann diese mit einer Beschwerde angefochten werden (§ 304 StPO).

Beide Rechtsschutzmöglichkeiten haben grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass Sie trotz Beschreiten des Rechtsweges zwangsweise von der Polizei abgeholt werden können. In beiden Fällen kann aber die Polizei die Maßnahme freiwillig bis zu einer Entscheidung des Gerichts zurückstellen. Bei der Beschwerde gibt es zusätzlich die Möglichkeit, dass das Gericht die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung anordnet (§ 307 Abs. 2 StPO). Ein Strafverteidiger nimmt in der Regel für Sie Kontakt mit Gericht und Polizei auf, um dies abzuklären.

Gegen die Anordnung bzw. die Aufbewahrung Ihrer Daten zum Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO) muss der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden. In der Regel muss also zunächst gegen die Anordnung Widerspruch eingelegt werden. In Bundesländern, in denen das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde, muss sofort Anfechtungsklage erhoben werden.

Beide Rechtsmittel haben aufschiebende Wirkung, so dass Sie nicht zwangsweise abgeholt werden dürfen. Allerdings wird die Polizei in aller Regel die sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahme anordnen, sodass die Zurückstellung der Maßnahme, bis über den Widerspruch bzw. die Anfechtungsklage entschieden wurde, zu beantragen ist. Erfahrungsgemäß lässt sich die Polizei darauf oftmals auch ein. Tut sie dies jedoch nicht, ist beim Verwaltungsgericht ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen (§ 80 Abs. VwGO), um die Durchführung der Maßnahme doch noch zu verhindern.

Praxistipp: Häufig vergeht, bis dem Verteidiger erstmals Akteneinsicht gewährt wird, viel Zeit. Positiver Nebeneffekt eines gerichtlichen Vorgehens gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist, dass zur Begründung des Rechtsmittels dem Verteidiger die Ermittlungsakte zur Verfügung gestellt werden muss und so bereits eine frühere Einschätzung der Beweissituation und Einflussnahme auf das Strafverfahren möglich wird.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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