Errichtung von Photovoltaikanlagen, Werkvertrag oder Kaufvertrag? Gewährleistungsfristen

  • 5 Minuten Lesezeit

Der rechtlichen Einordnung von Verträgen hinsichtlich der Errichtung von Photovoltaikanlagen kommt eine besondere Bedeutung zu. Entweder handelt es sich hierbei um Werkverträge (bzw. Bauverträge) oder Werklieferungsverträge/Kaufverträge. Die beiden Vertragstypen unterscheiden sich teilweise sehr erheblich.

Z.B. besteht nur im Kaufrecht ein Wahlrecht des Käufers, ob der Verkäufer eine mangelhafte Sache nachbessern oder eine ganz neue Sache liefern muss. Im Werkvertragsrecht steht dem Werkunternehmer dieses Wahlrecht zu. Weiterhin steht dem Käufer bei einem Mangel kein Selbstvornahmerecht zu; lediglich bei Geltung des Werkvertragsrechts kann der Besteller den Werkmangel selbst beseitigen und Kostenersatz hierfür vom Werkunternehmer verlangen. Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern bestehen für den Käufer umfangreiche Untersuchungs- und Rügepflichten hinsichtlich der Kaufsache; solche Pflichten bestehen im Rahmen eines Werkvertrages nicht.

Wann liegt nun ein Werk- (bzw. Bauvertrag) oder Kauvertrag (bzw. Werklieferungsvertrag) vor?

Nach der Schwerpunkttheorie des Bundesgerichtshofs kommt es für die Entscheidung, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht Anwendung findet, auf die Art des zu liefernden Gegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage und die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses an. D.h. es kommt darauf an, welche Leistungen bei gebotener Gesamtbetrachtung dem Vertrag sein Gepräge geben.

Die Rechtsprechung behandelt Verträge hinsichtlich der Errichtung von Photovoltaikanlagen nicht einheitlich, sondern im Einzelfall danach, wie aufwendig sich die Planung, Lieferung und Errichtung der jeweiligen Anlage darstellt.

Bei Freiflächenanlagen geht die Rechtsprechung vielfach davon aus, dass eine bauwerksähnliche Risikolage vorliegt mit der Folge, dass Werkvertragsrecht angewendet wird. Dies gilt besonders, wenn große Photovoltaikanlagen errichtet werden und deren Leistung durch Probebetriebe und Leistungsgarantien abgesichert werden sollen. Im Einzelfall – z.B. bei nicht aufwendigen und standardmäßig hergestellten Freiflächenanlagen – ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung von einem Werklieferungsvertrag ausgeht, der sich nach den kaufrechtlichen Regeln richtet.

Verträge über die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf bereits vorhandenen Bauwerken (sog. Aufdach-Photovoltaikanlagen) wurden bisher gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung nach Kaufrecht behandelt. Diesbezüglich wurde die Auffassung vertreten, dass die auf einem bestehenden Dach errichtete Anlage mangels Verbindung mit dem Erdboden kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes darstelle. Nur das Gebäude, auf dessen Dach die Anlage montiert wird, wurde als ein Bauwerk angesehen. Ausgehend hiervon entschied der VIII. Zivilsenat, dass bei einer Errichtung einer Aufdach-Photovoltaikanlage auf einem Scheunendach von einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung ausgegangen werden muss (Urteil vom 03.03.2004).

Demgegenüber entschied der VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, dass Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt bei einem Vertrag zur Errichtung einer Aufdach-Photovoltaikanlage auf einem Dach einer Tennisanlage wegen der „aufwendigen handwerklichen Installations- und Anpassungsarbeiten“ (Urteil vom 02.06.2016). Man wird aber davon ausgehen können, dass standardmäßig errichtete Aufdach-Photovoltaikanlagen auch in Zukunft eher als Werklieferungsverträge angesehen werden müssen und daher in solchen Fällen Kaufvertragsrecht zur Anwendung kommt.

Die bestehenden Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der rechtlichen Einordnung solcher Verträge können aber durch geeignete Vertragsbestimmungen beseitig bzw. reduziert werden.

Unabhängig der Frage, ob im jeweiligen Einzelfall Werk- oder Kaufvertragsrecht zur Anwendung kommt, bestehen auch Unsicherheiten bezüglich der zur Anwendung kommenden Verjährungsfristen hinsichtlich etwaiger Mängelansprüche.

Entweder gilt eine zweijährige oder fünfjährige Verjährungsfrist (§ 438/§634a BGB) (wurde die Geltung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) vereinbart, sieht § 13 IV VOB/B statt einer fünfjährigen Verjährungsfrist eine vierjährige Frist vor).

Ist Vertragsgegenstand (unabhängig davon, ob es um einen Werk- oder Kauvertrag geht) die Errichtung oder der Verkauf eines Bauwerks, gilt die fünfjährige Verjährungsfrist. Unter einem Bauwerk wird in der Rechtsprechung eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache verstanden. Erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem bereits errichteten Bauwerk, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind. Im Übrigen gilt die fünfjährige Verjährungsfrist auch für verkaufte Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben (§ 438 I Nr 2. b) BGB)

Vielfach wurde in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Photovoltaikanlage selbst kein Bauwerk sein könne und der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs war der Auffassung, dass die für eine Aufdach-Photovoltaikanlage erforderlichen Komponenten auch nicht für ein Bauwerk verwendet werden (Urteil vom 09.10.2013).

Dem hat der VII. Zivilsenat in der Entscheidung vom 02.06.2016 widersprochen und insbesondere darauf hingewiesen, dass eine Photovoltaikanlage selbst schon ein Bauwerk sein könne. Bei der Aufdach-Photovoltaikanlage auf einem Dach der Tennisanlage sah der VII. Zivilsenat eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle. Die Vielzahl der Eingriffe in die Gebäudesubstanz, die schwere Erkennbarkeit von Mängeln durch aufeinander abgestimmte Arbeiten und die der Witterung ausgesetzte Nutzung würden zu einer typische Risikolage führen, die den Gesetzgeber veranlasst habe, für Arbeiten bei einem Bauwerk eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorzusehen. Auch bei einer fassadenintegrierten Photovoltaikanlage ging der VII. Zivilsenat von der Geltung der fünfjährigen Frist aus, da eine grundlegende Umgestaltung eines Gebäudes vorliegen würde (Urteil vom 10.01.2019).

Auch bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen ist der Streit relevant, wobei es diesbezüglich – soweit ersichtlich – keine BGH-Rechtsprechung gib. Oberlandesgerichte haben in der Vergangenheit unterschiedlich entschieden. Aufgrund der vom VII. BGH-Senat Rechtsgrundsätzen muss aber eher davon ausgegangen werden, dass auch bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen eine fünfjährige Gewährleistungsfrist gilt.

Auch diesbezüglich ist den Bestellern von Photovoltaikanlagen anzuraten, in den jeweiligen Verträgen ausdrücklich die Geltung einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist zu vereinbaren.

Besonders praxisrelevant ist die Frage, welche Gewährleistungsfrist bei Kaufverträgen über einzelne Komponenten einer Photovoltaikanlagen gilt.

Der Installateur einer solchen Anlage kauft z.B. die Solarmodule, die Wechselrichter und die Befestigungssysteme meist direkt von den jeweiligen Herstellern. Macht nun der Anlagenbetreiber z.B. Modulmängel nach drei Jahren gegenüber dem Installateur geltend und nimmt man an, dass in diesem Fall die fünfjährige Gewährleistungsfrist gilt, weil die Photovoltaikanlage als Bauwerk angesehen wird, dann müsste auch bezüglich des zwischen dem Installateur und dem Modulhersteller bestehenden Kaufvertrages die fünfjährige Verjährungsfrist des § 438 I 2 b) BGB gelten. Nach dieser Vorschrift gilt die fünfjährige Verjährungsfrist hinsichtlich einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat.

D.h. die Frage, ob es bei der Errichtung einer Photovoltaikanlage um ein Bauwerk geht, ist auch relevant für die Länge der Gewährleistungsfristen hinsichtlich der Kaufverträge über die einzelnen Komponenten der Photovoltaikanlage. 

Vielfach waren und sind die an der Lieferkette hin zur Errichtung einer Photovoltaikanlage beteiligten Personen unter Verweis auf die Rechtsprechung des VIII. Senats der Auffassung, die Verwendung der einzelnen Komponenten für ein „Bauwerk“ sei unüblich und es gelte von Gesetzes wegen nur die zweijährige Verjährungsfrist hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche. Diese Argumentation ist nach dem Urteil des VII. Senats so nun nicht mehr möglich.

Hinzu kommt noch Folgendes:

Haben z.B. die Modulhersteller die für Mängelgewährleistungsansprüche geltenden Verjährungsfristen in deren allgemeinen Geschäftsbedingungen auf zwei Jahre oder gar ein Jahr verkürzt, können solche Klausel nach § § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB unwirksam sein und dies auch im unternehmerischen Rechtsverkehr.



Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Matthias Weyhreter

Beiträge zum Thema