Erweiterung des § 174 StGB auch auf Schutzbefohlenen bei Geschädigten über 16 Jahre

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Der § 174 Abs.1 Nr. 2 StGB erweitert den grundsätzlichen Tatbestand des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen.

Während nach § 174 Abs.1 Nr. 1 StGB das Opfer unter sechzehn Jahren sein muss, ermöglicht der § 174 Abs.1 Nr. 2 StGB auch eine Tatbestandsmäßigkeit bei einer Person über sechzehn Jahren aber unter achtzehn Jahren.

Als zusätzliche Voraussetzung muss jedoch vorliegend sein, dass die sexuelle Handlung unter Missbrauch einer mit dem festgestellten Obhutsverhältnis verbundenen Abhängigkeit des Schutzbefohlenen vorgenommen wurde und sich die beteiligten Personen dabei dem Zusammenhang des Abhängigkeitsverhältnisses mit den sexuellen Handlungen bewusst sind.

Der Abhängigkeitsmissbrauch kennzeichnet sich dadurch, dass der Täter seine Macht und Überlegenheit in einer für den Jugendlichen erkennbar werdende Weise als Mittel einsetzt, um diese gefügig zu machen.

So auch in dem durch das Bundesgerichthof abgeurteilten Fall (5 StR 112/17) vom 11.01.2017:

Der in häuslicher Gemeinschaft mit der Ehefrau und seinen zwei Stieftöchtern (geboren 1993 und 1997) lebende Angeklagte nahm mit Einverständnis der Mutter von Anfang an gegenüber den beiden Mädchen eine Vaterrolle ein.

Allerdings pflegte er diese für sexuelle Übergriffe auszunutzen. So führte er beispielsweise ein sonntägliches „Duschritual“ mit seiner jüngeren Stieftochter ein, wo er sie nicht nur wusch, sondern seinen Finger auch in ihre Scheide und ihren Anus einführte, um sich selber dadurch sexuell zu erregen.

Weitere sexuelle Handlungen nahm er unter dem Vorwand einer Schwangerschaftsuntersuchung oder einer Brustkrebsvorsorge vor, wo der Angeklagte die beiden Mädchen mit den Händen an der Scheide und am Brustbereich streichelte, massierte und gegebenenfalls auch Eindrang.

Wenn die Mädchen sich hiergegen wehrten, drohte er ihnen mit häuslichen Strafen.

Auch forderte er sie gelegentlich dazu auf, sich mit entblößtem Unterleib in eine „Hündchenstellung“ zu begeben, damit er sein erigiertes Glied in ihren After führen konnte.

Diese sexuellen Übergriffe erfolgten über die Jahre hinweg und auch noch, als die Stieftöchter bereits das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben.

Nach eigener Aussage fand die jüngere Stieftochter „es völlig entwürdigend, sich mit sechzehn Jahren vom Stiefvater an Brust und Scheide betatschen und befingern zu lassen“. Sollte sie sich jedoch dagegen gewehrt haben, so führte dies dazu, dass der Angeklagte Vorhaltungen, Beschimpfungen und Drohungen gegenüber den Stiefkindern und seiner Ehefrau äußerte und sowohl seine schlechte Laune als auch seinen Unmut an der ganzen Familie ausgelassen hat. Daraufhin gab die Geschädigte seinen Forderungen zumeist nach, um den Hausfrieden nicht zu gefährden.

Das Gericht würdigte den festgestellten Sachverhalt dahin gehend, dass der Angeklagte ein eigens geschaffenes Klima der Einschüchterung systematisch und rücksichtslos für sich ausnutzte und sich damit die Gefügigkeit seiner Stieftöchter erzwang. Ganz im Sinne des § 174 Abs.1 Nr.2 StGB.

Damit wird der Schutzbereich von Schutzbefohlenen dahin gehend erweitert, dass ein sexueller Missbrauch nicht nur bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs nach Maßgabe des § 174 StGB vorliegend sein kann, sondern auch unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres erfolgen kann.


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