EuGH - 22.09.2022: ab sofort keine Verjährung des Urlaubs

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Der EuGH hat entschieden, dass ohne Aufklärung und Hinweis des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer der Urlaubsanspruch nicht verjähren kann.

Sofern ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht aktiv auf den möglichen Verfall von Urlaub hingewiesen hat, kann der restliche Urlaubsanspruch nicht verjähren (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, Az. C-120/21). Die bisherige Regelung des Bundesarbeitsgerichts verstößt gegen das Unionsrecht und ist damit hinfällig.

Der Fall in Kürze:

Eine Mitarbeiterin klagte in Deutschland auf Urlaubsabgeltung für die vergangenen Jahre. Sie konnte den Urlaub aufgrund des großen Arbeitsvolumens nicht vollständig nehmen. Der Arbeitgeber kam den jetzt schon bestehenden Hinweisverpflichtungen des EuGH nicht nach, die Mitarbeiterin zu informieren, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Mitarbeiterin den Urlaub nicht im laufenden Urlaubsjahr beantragt und nimmt. Als die ehemalige Mitarbeiterin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich der Arbeitgeber auf die Verjährung.

Der Rechtsstreit ging bis vor das höchste deutsche Arbeitsgericht (BAG). Das BAG legte dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs gem. §§ 194 Abs. 1, 195 BGB trotz Verletzung der Hinweispflichten gestattet, um u.a. das hohe Rechtsgut des Rechtsfriedens zu wahren. 

Der EuGH hat entschieden, dass der Arbeitgeber dann nicht schützenswert sei, wenn er den Mitarbeiter zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Denn durch die fehlende Aufklärung habe der Arbeitgeber selbst erst die Situation geschaffen, dass der Arbeitnehmer erst nach Jahren den ihm zustehenden Urlaub fordert. Die geltenden Verjährungsregelungen im deutschen Arbeitsrecht stehen daher den Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie entgegen. Der EuGH hat diesen rechtlichen Konflikt so aufgelöst, dass - nachweislich-  die positive Kenntnis des arbeitnehmers über den aussteheden Urlaubsanspruch und die Verjährung notwendig ist, damit die Verjährung zu laufen beginnt. 

Denn der EuGH betont schon seit 2018, dass der Erholungsurlaub als wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union einen zwingenden Charakter hat. (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az. C-684/16)

Die Folgen und Konsequenzen betreffen Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Klagen auf Urlaubsabgeltung für 2022 und alle Jahre davor möglich ?

Zuzeit ist es ständige Rechtsprechung in Deutschland, dass der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. 

Klar ist nun, dass bei fehlender Aufklärung des Arbeitgebers für den restlichen Urlaub in 2022 die Rechtsprechung des EuGH gilt und der Urlaub 2022 nicht verjährt.

Wie die Rechtsprechung jedoch die Jahr 2021 und davor bewertet, hängt davon ab, was von dem Arbeitgeber an Aufklärung gegenüber dem Arbeitnehmer nachgewiesen werden kann. Sicher ist, dass der Arbeitgeber, der seit dem Jahr 2018 nachweisen kann, die Mitarbeiter über den Urlaubsanspruch und die Verjährung aufgeklärt zu haben, sich nun - quasi zur Belohnung- auf die Verjährung berufen kann. Ist dies nicht der Fall, so wird die Rechtsprechung und das BAG zu entscheiden haben, ob und in welchen Einzelfällen eine Verjährung der Urlaubsanspüche für die Jahre 2018 bis einschließlich 2021 gegeben ist.

Ob bestehende vertragliche Ausschlußfristen den Arbeitgeber zuverlässig gegen die Zahlungsforderung des Arbeitnehmers schützen kann, ist nun fraglich.  Angesichts der jetzigen Rechtsprechung dürfte die Ausschlußklausel ebenfalls neu zu interpretieren und zu regeln sein. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Ausschlußklauseln nur dann wirksam sind, wenn von dieser Regelung auch der Urlaubsanspruch explizit ausgenommen wird.

Stichworte: Urlaub, Geld, Urlaubsabgeltung, keine Verjährung, Hinweispflicht, Klage, EuGH Urteil vom 22.09.2022, Az. C-120/21.

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Ulrich Gewert

Rechtsanwalt

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