Explosion im Chempark Leverkusen – Schadensersatz von Betreiberfirma Currenta für Anwohner und sonstige Betroffene?

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Rheinland kommt nicht zur Ruhe. Nicht einmal zwei Wochen nach der Flutkatastrophe versetzte eine weitere Katastrophe die Bevölkerung in Angst und Schrecken: Die Explosion im Chempark Leverkusen.

Sogar im über 50 km entfernten Dortmund schlug die NINA-Warnapp Alarm und die Bürger wurden gebeten, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Starke Rauchentwicklung mit potentiell giftigen Dämpfen drohten die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt zu schädigen.

Mittlerweile ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.

Eine traurige Bestandsaufnahme

Manch einer fühlte sich bei den ersten Meldungen und Bildern aus Leverkusen an die Katastrophen von Tschernobyl oder Fukushima erinnert. Insoweit konnte aber schnell Entwarnung gegeben werden, da – anders als bei den vorgenannten Katastrophen – keine entsprechende Radioaktivität in der Rauchwolke „lag“.

Gleichwohl hatte die Explosion schlimme Folgen: Nach aktuellem Stand sind fünf tote Mitarbeiter bestätigt, zwei weitere werden vermisst. 31 Menschen sind, zum Teil sehr schwer, verletzt.

Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt (LANUV) ging nach der Explosion davon aus, dass „Dioxin-, PCB- und Furanverbindungen“ über die Rauchwolke in umliegende Wohngebiete getragen wurden. Die entsprechenden Konzentrationen sind aber nach wie vor weitgehend ungeklärt.

Anwohner – auch solche fern ab der Stadtgrenze Leverkusens – berichten, dass augenscheinlich Rußpartikel in ihren Gärten niedergegangen sind. Die Behörden raten weiterhin, Nahrungsmittel aus Gärten nicht zu verzehren und auch im sonstigen Alltag wachsam hinsichtlich von Ruß besetzter Flächen zu sein.

Eine rechtliche Bestandsaufnahme

Viele Bürger fragen sich nun, wer für die Folgen dieser Katastrophe aufzukommen hat. Betreffende Anwohner stellen sich die Frage hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Betreiberfirma Currenta.

Freilich kann zu diesem Zeitpunkt nur eine äußerst grob umrissene – vorsichtige – rechtliche Einschätzung diesseits gegeben werden. Der Sachverhalt ist für eine nähere rechtliche Beleuchtung noch zu ungeklärt.

Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass all Jene, die eine Gefahrenquelle für die Öffentlichkeit schaffen, dazu verpflichtet sind, Dritte vor den typischerweise ausgehenden Gefahren zu schützen. Jedenfalls im notwendigen und zumutbaren Maße.

Wenn nun im vorliegenden Fall die Betreiberfirma Currenta mit hochgefährlichen und insbesondere hochexplosiven Stoffen arbeitet – zudem noch in der Nähe von Wohngebieten – dann ist diese Firma (also ihre „Organe“, z.B. der Vorstand) strengstens dahingehend verpflichtet, den Schutz der Bevölkerung vor einer solchen Katastrophe wie der hiesigen zu schützen.

Kann nunmehr hinreichend sicher bewiesen werden, dass die Betreiberfirma – bzw. ihre Mitarbeiter – (Verkehrssicherungs-)Pflichten verletzt haben, kommen Schadensersatzansprüche für Betroffene in Betracht. Ggf. sogar unabhängig von einem etwaigen Verschulden seitens der Betreiberfirma nach dem Umwelthaftungsgesetz.

Erfasst werden aber nur solche Schäden, die tatsächlich kausal auf die Sorgfaltspflichtverletzung (vereinfacht: auf die Explosion) zurückzuführen sind. Solche Schadensposten können dann – allgemein gesprochen – z.B. jene sein:

Wenn etwa Häuser nicht mehr bewohnbar sind, können die Eigentümer entsprechend Ersatz für ihr „nicht mehr bewohnbares“ Haus inkl. Grundstück verlangen. Sind Häuser und Wohnungen temporär nicht bewohnbar, könnten Kosten für Hotelübernachtungen der Betreiberfirma auferlegt werden.

Hinzu kommen bei einem solchen „Großschadensereignis“ diverse weitere potentiell Geschädigte mit wiederum diversesten einzelnen Schadensposten in Betracht. Eine nähere Ausführung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und überdies nach derzeitigem Kenntnisstand auch wenig sinnvoll sein.

Selbstverständlich dürften auch die verletzten Mitarbeiter Schadens- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Verursacher der Explosion haben. Wenn etwa der Fehler eines Mitarbeiters ursächlich für die Explosion gewesen sein sollte, bedeutete dies aber keineswegs, dass dieser in der Alleinhaftung wäre. Auch hier könnte die Betreiberfirma in Haftung genommen werden. Im Einzelnen greift in diesem Verhältnis auch das insoweit besondere Regelungen treffende arbeitsrechtliche Binnenverhältnis.

Angehörige der Verstorbenen können mitunter Hinterbliebenengeld sowie diverse weitere Ansprüche geltend machen. Hier könnten sich auch Besonderheiten aus dem arbeitsrechtlichen Verhältnis ergeben.

Sonderkonstellation: Schadensersatz wegen Stau

Unmittelbar nach der Explosion wurden alle umliegenden Autobahnen vollgesperrt. In diesen „Stau-Fällen“ fragen immer wieder Rechtssuchende, ob Ersatzansprüche gegen den Stauverursacher – vorliegend etwa der Verursacher der Explosion – möglich sind.

So werden einige „Stau-Opfer“ Termine verpasst haben, was wiederum eine finanzielle Einbuße zur Folge gehabt haben könnte. In diesen Fällen besteht aber kein Schadensersatzanspruch gegen den „Stau-Verursacher“.

Für einen entsprechenden Anspruch ist nämlich eine sog. (absolute) Rechtsgutverletzung erforderlich. Das (reine) Vermögen an sich stellt kein solches Rechtsgut dar. Rechtsgüter sind etwa das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben.

Fazit

Der hiesige Artikel will nur als Grobskizze verstanden sein und die grundsätzlichen Eckpfeiler des deutschen Schadensrechts wiedergeben und erklären. Für eine konkretere rechtliche Einordnung im Hinblick auf die hiesigen Folgen der Explosion in Leverkusen müssen zunächst die Ermittlungen der nächsten Tage und Wochen abgewartet werden.

Mehr Infos auch im Video.

Über die Kanzlei Mutschke
Frau Rechtsanwältin Nicole Mutschke ist gefragte Rechtsexpertin und deutschlandweit bekannt aus den Medien (RTL, ntv, ZDF, sternTV, WDR etc.). 

Die Kanzlei Mutschke berät ihre Mandanten bundesweit engagiert und kompetent in allen Fragen des Social Media-, Medien-, Urheberrecht-, Unternehmens- und Verbraucherrechts.
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