Fall Wirecard - Rückforderung der Dividenden als "Scheingewinne"

  • 2 Minuten Lesezeit

Am 05.05.2022 hat das Landgericht München I die Jahresabschlüsse des Skandalkonzerns Wirecard für die Jahre 2017 und 2018 nachträglich für nichtig erklärt. Damit könnte Insolvenzverwalter Jaffé nun die erhaltenen Dividenden von den Aktionären zurückverlangen. 


Grundsätzlich sieht die Insolvenzordnung in den §§ 143, 129, 134 die Möglichkeit vor, sog. "Scheingewinne" im Wege der Insolvenzanfechtung zurück zu fordern. Diese Möglichkeit gilt auch für die Vergangenheit: Der Insolvenzverwalter kann Scheingewinne zurückfordern, die bis zu vier Jahre vor der Insolvenzeröffnung geflossen sind. 


Auf den ersten Blick dürften die Voraussetzungen für eine solche Anfechtung im Fall "Wirecard" nun erfüllt sein. Mit der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 2017 und 2018 dürften auch die entsprechenden Dividendenbeschlüsse nichtig sein.


Allerdings führt ein nichtiger Jahresabschluss nicht automatisch dazu, dass ein Rückforderung der darauf basierenden Scheingewinn rechtmäßig ist. In einer von uns erstrittenen Entscheidung hat unlängst das Landgericht Stuttgart entschieden, dass eine Rückforderung von Scheingewinnen - auch bei nichtigen Bilanzen - dann ausgeschlossen ist, wenn die ursprünglichen Jahresabschlüsse für die Anleger "verbindlich" waren. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die zugrundeliegenden Verträge eine Bindungswirkung des Jahresabschlusses für die Beteiligen vorsehen.


Zwar betraf diese Entscheidung keinen Wirecard-Anleger. In welchem Umfang sich diese Entscheidung auf den Fall "Wirecard" übertragen lässt, bleibt daher zu prüfen. Grundsätzlich zeigt diese Entscheidung des Landgerichts Stuttgart aber, dass die Anleger der Zahlungsaufforderung des Insolvenzverwalters nicht ohne anwaltliche Prüfung nachkommen sollten.


Unabhängig davon ist eine Rückforderung auch dann ausgeschlossen, wenn der Anleger "entreichert" ist. Eine sog. „Entreicherung“ liegt vor, wenn das ursprünglich Erlangte beim Empfänger der Leistung nicht mehr vorhanden ist und er hierfür auch keinen Gegenwert hat (z.B. im Fall einer Schenkung). Die bloße Behauptung, dass die Ausschüttungen bereits ausgegeben worden sind, reicht nicht aus, der Anleger muss die Entreicherung beweisen können. Denn eine Bereicherung kann auch dann fortbestehen, wenn sich der Anleger durch die Zahlung noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen oder erworben hat. Daher ist der Entreicherungseinwand für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen und kann nicht einheitlich beantwortet werden. Auch bestimmte Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Beständigkeit der erhaltenen "Scheingewinne" getätigt wurden, können als Entreicherung angesehen werden.


Auch dies zeigt, dass die betroffenen Anleger einer Aufforderung zur Rückzahlung von Scheingewinnen nicht ohne anwaltliche Prüfung nachkommen sollten.




Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Christoph Sieprath

Beiträge zum Thema