Fehlende Antragslegitimation von einzelnen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft

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Das Verwaltungsgericht Wien (VwG Wien) hat in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 13.7.2023 zu GZ VGW-123/072/7698/2023 neuerlich die in Österreich herrschende ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach ein von einem einzelnen Mitglied einer Bietergemeinschaft im eigenen Namen eingebrachter Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen ist.

Diese Rechtsprechung geht auf das grundlegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 20.10.2004 zu GZ 2004/04/0134 zurück. In diesem Erkenntnis hat der VwGH zunächst ausgeführt, dass „[d]as einheitliche Angebot der Bietergemeinschaft [...] nur als solches angenommen werden [kann]. Daher kommt auch das Interesse am Abschluss des Vertrages, das gemäß § 163 Abs. 1 BVergG für die Stellung eines Nachprüfungsantrages erforderlich ist, nur der Bietergemeinschaft als solcher zu.“ In weiterer Folge wurde die Möglichkeit der Einbringung von Nachprüfungsanträgen durch (einzelne) Mitglieder einer Bietergemeinschaft vom VwGH in diesem Erkenntnis wie folgt beurteilt: „Ein von allen Mitgliedern gemeinsam – wenn auch nicht ausdrücklich für die Bietergemeinschaft – eingebrachter Antrag ist daher im Zweifel der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bietergemeinschaft zuzurechnen. Treten hingegen nicht alle Mitglieder als Nachprüfungswerber auf, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass es sich um einen Antrag der Gesellschaft handelt. In diesem Fall muss ausdrücklich klargelegt werden, dass die Gesellschaft die Nachprüfung begehrt; die auftretenden Gesellschafter haben überdies darzulegen, dass sie zur Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts berufen sind. Ein von nur einem Teil der Mitglieder einer Bietergemeinschaft jeweils im eigenen Namen gestellter Nachprüfungsantrag ist dagegen – ebenso wie etwa ein Nachprüfungsantrag von einzelnen Gesellschaftern einer OHG – als unzulässig zurückzuweisen.“

Dieser Grundsatz, dass bei Angebotslegung durch eine Bietergemeinschaft das Recht zur Stellung eines Nachprüfungsantrages nur der Bietergemeinschaft als solcher, nicht jedoch (auch) einzelnen ihrer Mitglieder zukommt, wurde seither nicht nur vom VwGH bereits mehrfach bestätigt (bspw. VwGH 8.9.2021, Ra 2019/04/0079; VwGH 8.8.2018, Ro 2015/04/0028; VwGH 18.3.2009, 2007/04/0234; VwGH 1.10.2008, 2004/04/0098; VwGH 29.6.2005, 2003/04/0096; VwGH 17.11.2004, 2003/04/0178), sondern natürlich auch von der Rechtsprechung der österreichischen Vergabekontrollbehörden übernommen (bspw. LVwG NÖ 18.12.2019, LVwG-VG-9/002-2019; LVwG Vbg. 13.1.2015, LVwG-314-009/S1-2014; VKS Wien 23.10.2008, VKS-8683/08; UVS OÖ 5.12.2007, VwSen-550369/19/Wim/Se, VwSen-550370/8/Wim/Se; BVA 19.1.2007, N/0001-BVA/10/2007-021; BVA 16.1.2007, N/0001-BVA/10/2007-EV018; BVA 8.9.2006, N/0070-BVA/05/2006-24; UVS Tir. 24.10.2005, 2005/K9/2676-2; BVA 8.9.2005, 05F-10/03-18; UVS Ktn. 25.1.2005, KUVS-K2-1548/2004).

Darüber hinaus wird dieser Grundsatz auch von der österreichischen Literatur einhellig vertreten (bspw. Elsner in Elsner, Vergaberecht [2023] Rz 3.161; Maurer in Schramm/Aicher/Fruhmann, BVergG 2018 [2021] Rz 11 zu § 346; Blecha, Vergaberechtsschutz in Bund und Ländern [2020] 15, 91, 155, 165, 227, 292, 353, 418, 478, 539, 600, 669; Reisner in Heid/Reisner/Deutschmann/Hofbauer, BVergG 2018 [2019] Rz 3 zu § 342; Walther in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz 1955) und sogar in den Materialien zum geltenden österreichischen Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) wird – ebenso wie bereits in den Materialien zur Vorgängerbestimmung des BVergG 2006, siehe dazu EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 41 – ausdrücklich Folgendes festgehalten: „Hat daher eine Arbeits- oder Bietergemeinschaft ein Angebot gelegt oder einen Teilnahmeantrag gestellt und ergibt sich in weiterer Folge die Notwendigkeit, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, so ist nur die Arbeits- oder Bietergemeinschaft als solche zur Antragstellung berechtigt, nicht hingegen einzelne ihrer Mitglieder.“ (EBRV 69 BlgNR XXVI. GP 57).

Der erwähnte Grundsatz gilt allerdings selbstverständlich nicht nur für Nachprüfungsanträge. Auch Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (bspw. LVwG NÖ 18.12.2019, LVwG-VG-9/001-2019; VKS Wien 23.10.2008, VKS-8683/08; BVA 16.1.2007, N/0001-BVA/10/2007-EV018), Feststellungsanträge (bspw. LVwG Tir. 21.10.2022, LVwG-2022/S2/2376-10; VwGH 8.9.2021, Ra 2019/04/0079; BVA 8.9.2005, 05F-10/03-18; BVA 3.8.2005. 17F-14/03-15) sowie Anträge auf Fortsetzung eines Nachprüfungsverfahrens als Feststellungsverfahren (bspw. VwGH 8.9.2021, Ra 2019/04/0079) können nur von der Bietergemeinschaft als solcher eingebracht werden, nicht jedoch (auch) von einzelnen ihrer Mitglieder. Gleiches gilt für Revisionen an den VwGH oder Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof (vgl. VwGH 29.6.2005, 2003/04/0096; VwGH 17.11.2004, 2003/04/0178; VwGH 20.10.2004, 2004/04/0105).

Die Berechtigung zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages – sowie der übrigen im vorhergehenden Absatz genannten Anträge und Rechtsmittel – kann nur dann ausnahmsweise auf ein (einzelnes) Mitglied einer Bietergemeinschaft übergehen, wenn die Bietergemeinschaft aufgelöst wurde und ihr Vermögen infolgedessen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1215 Abs. 1 zweiter Satz ABGB auf das einzige verbliebene Mitglied der Bietergemeinschaft übergegangen ist, da in einem solchen Fall auch die Antragslegitimation für das Nachprüfungsverfahren übertragen wird (VwGH 8.9.2021, Ra 2019/04/0079; vgl. auch VwGH 26.9.2005, 2005/04/0021).

Von diesem soeben genannten Sonderfall einer Gesamtrechtsnachfolge abgesehen ist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages vor den österreichischen Verwaltungsgerichten jedoch immer die Mitwirkung bzw. Zustimmung sämtlicher Mitglieder der Bietergemeinschaft erforderlich. Unabhängig von der Anzahl dieser Mitglieder führt bereits die Nichtmitwirkung auch nur eines einzigen Mitglieds zur Unzulässigkeit des Antrages (vgl. VwGH 20.10.2004, 2004/04/0134 und LVwG Vbg. 13.1.2015, LVwG-314-009/S1-2014 jeweils zu einem durch vier von fünf Mitgliedern einer Bietergemeinschaft eingebrachten Nachprüfungsantrag).

Allerdings müssen nicht sämtliche Mitglieder der Bietergemeinschaft auch tatsächlich aktiv im Nachprüfungsverfahren auftreten. Vielmehr reicht es aus, wenn ein Mitglied der Bietergemeinschaft diese im Nachprüfungsverfahren nach außen vertritt, also aufgrund eines Vollmachtverhältnisses namens der Bietergemeinschaft einschreitet. In einem solchen Fall muss das einschreitende Mitglied im Nachprüfungsantrag allerdings darlegen, dass die Nachprüfung nicht von ihm selbst, sondern vielmehr von der Bietergemeinschaft begehrt wird, und dass es von sämtlichen übrigen Mitgliedern zur Vertretung der Bietergemeinschaft im Nachprüfungsverfahren bevollmächtigt wurde (bspw. LVwG NÖ 18.12.2019, LVwG-VG-9/001-2019; VKS Wien 23.10.2008, VKS-8683/08; BVA 8.9.2005, 05F-10/03-18; VwGH 29.6.2005, 2003/04/0096; VwGH 20.10.2004, 2004/04/0134).

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass bei Teilnahme einer Bietergemeinschaft an einem österreichischen Vergabeverfahren das Recht zur Einbringung der im BVergG 2018 vorgesehenen Rechtsschutzanträge nach der ständigen Rechtsprechung nur der Bietergemeinschaft als solcher zukommt, nicht jedoch auch einzelnen ihrer Mitglieder. Von einzelnen Mitgliedern der Bietergemeinschaft im eigenen Namen eingebrachte Anträge sind als unzulässig zurückzuweisen.

Diese Rechtsprechung ist insbesondere deshalb von besonderer Relevanz, weil für Rechtsschutzanträge vor den österreichischen Verwaltungsgerichten - abhängig von Auftragswert und Auftragsgegenstand mitunter erhebliche - Pauschalgebühren zu entrichten und diese Gebühren im Fall einer Zurückweisung der Anträge jedenfalls von den Antragstellern selbst zu tragen sind.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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