Feuerwehr und Katastrophenschutz: Sonderrechte im Privat-Pkw – Eine nie endende Geschichte?

  • 3 Minuten Lesezeit

Gemäß § 35 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) können bestimmte Personen von der Straßenverkehrsordnung befreit sein, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Zu diesen Personen bzw. Organisationen zählen unter anderem die Feuerwehr, der Katastrophenschutz und die Polizei. Nicht zu verwechseln sind die Sonderrechte (§ 35 StVO) dabei mit den Vorrechten, die entstehen, wenn Blaulicht und Einsatzhorn verwendet werden (§ 38 Abs. 1 StVO).

Ein immer wiederkehrendes rechtliches Problem bezüglich der Sonderrechte ist die Frage, ob Einsatzkräfte nach einer Alarmierung auch in einem Privat-Pkw Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen. Ganz klassisch tritt dieses Problem bei der Freiwilligen Feuerwehr auf. Deren Mitglieder werden im Einsatzfall aus dem Privatleben alarmiert, fahren ihren Feuerwehrstützpunkt an und rücken von dort aus. Das „System freiwillige Feuerwehr” basiert zum guten Teil auf der schnellen Verfügbarkeit ehrenamtlicher Einsatzkräfte. Insbesondere ist in weiten Teilen Deutschlands eben „nur” eine freiwillige Feuerwehr verfügbar.

Aktuell wird die Thematik durch eine Entscheidung des Amtsgerichtes Speyer, die einem Feuerwehrmann Sonderrechte zugestanden hat. Dem Amtsgericht lag die Sache schon zum zweiten Mal vor. Auch in der ersten Entscheidung hatte das Amtsgericht den Feuerwehrmann vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte hiergegen jedoch Rechtsmittel eingelegt, nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts musste über die Sache erneut verhandelt werden.

Rechtsprechung nicht einheitlich

Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt jedoch alles andere als einheitlich. Zum Teil werden Sonderrechte im Privat-Pkw bejaht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. 4. 2002, 4 Ss 71/02 = NZV 2002, 410), andere gerichtliche Entscheidungen lehnen dies jedoch ab (z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. 9. 1991, 2 Ws (B) 421/91 OWiG = NZV 1992, 334 [vorherige Entscheidung des Amtsgerichts]).

Urteile zu diesem Thema sind für einen juristischen Laien schwer nachvollziehbar und auch für Juristen teilweise nur mit gewissen Schmerzen zu lesen. So werden dort teilweise Sonderrechte (§ 35 StVO) und Wegerechte (§ 38 StVO) durch das Gericht nicht unterschieden oder man kann erstaunt lesen „Zunächst ist festzustellen, dass dem Betroffenen (= dem angeklagten Feuerwehrangehörigen) bei seiner Fahrt Sonderrechte i. S. des § 35 Abs. 1 StVO nicht zustanden, weil diese auf die Führer von Rettungsdienstfahrzeugen beschränkt sind.” (AG Groß-Gerau, Urteil vom 11.04.1991 - 58 Js 55641/91 - 3 OWi). Letzteres ist nun so gar nicht aus dem Gesetzestext herzuleiten.

Grundsätzlich kommen Sonderrechte auch für Angehörige anderer Katastrophenschutz-Organisationen in Betracht. Dort stellt sich dann aber zum Beispiel die Frage, ob zum Beispiel der Angehörige einer Hilfs-Organisation (z. B. ASB, DRK, JUH, Malteser) in diesem Augenblick auch tatsächlich als Katastrophenschutz im Sinne des § 35 StVO tätig war. Wäre er nämlich nur als Rettungsdienst (§ 35 Abs. 5a StVO) tätig geworden, schieden Sonderrechte von vornherein aus. Die Rechtslage wird schwieriger und verwirrender als sie es eh schon ist.

Gänzlich kurios wird es, wenn man die Rechtsprechung zu Feuerwehrangehörigen mit denen zu Polizeibeamten vergleicht. Regelmäßig gesteht die Rechtsprechung Polizeibeamten Sonderrechte im Privat-Pkw grundsätzlich zu (etwa: OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.10.1991 - 3 Ss 400/91 = NJW 1992, 993; OLG Hamm, Beschluss vom 19. September 2002, 4 Ss OWi 776/02 = BeckRS 2002 30283374).

Aus dem Text der Straßenverkehrsordnung lässt sich dieser Unterschied in keiner Weise herleiten, dort stehen Feuerwehr, Katastrophenschutz und Polizei friedlich und gleichberechtigt nebeneinander.

Nur eigene Zurückhaltung schafft Rechtssicherheit

Ganz klar: Die Rechtslage ist für Feuerwehrangehörige oder Katastrophenschutzhelfer uneinheitlich und unbefriedigend. Dazu kommt, dass die Kompetenz der erstinstanzlich befassten Amtsgerichte bei dieser speziellen Thematik manchmal eingeschränkt ist. Die Möglichkeit noch Rechtsmittel gegen ein solches Urteil einzulegen, ist praktisch sehr beschränkt.

In der momentanen Situation sollte sich jede Einsatzkraft bewusst sein, dass Verkehrsverstöße auf der Anfahrt zum Stützpunkt nach einer Alarmierung weiterhin zu Bußgeldern und Fahrverbot führen können. Aus Gründen des rechtlichen Eigenschutzes ist daher gut nachvollziehbar, sich bei der Anfahrt strikt an die Straßenverkehrsordnung zu halten. 

Guido C. Bischof
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Guido C. Bischof

Beiträge zum Thema