Freistellung während der Kündigungsfrist: Keine Pflicht zur sofortigen anderweitigen Erwerbstätigkeit!

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Die Frage, ob ein Arbeitnehmer während einer einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber verpflichtet ist, sich unmittelbar um eine neue Erwerbstätigkeit zu bemühen, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil klargestellt. Die Entscheidung ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen relevant, da sie Grundsätze zur Vergütungsfortzahlung und zum Annahmeverzug nach § 615 BGB konkretisiert.

Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer klagt auf Vergütung

Der Arbeitnehmer war seit November 2019 als Senior Consultant beschäftigt und bezog zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von 6.440 Euro. Am 29. März 2023 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2023 und stellte den Arbeitnehmer unter Anrechnung seines Resturlaubs unwiderruflich frei.

Während der Freistellung meldete er sich arbeitssuchend, erhielt jedoch erst im Juli 2023 Vermittlungsvorschläge von der Agentur für Arbeit. Die Arbeitgeberin hingegen stellte ihm bereits im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 Stellenangebote zur Verfügung. Er bewarb sich jedoch erst ab Ende Juni auf sieben dieser Stellen. Die Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Zahlung des Juni-Gehalts und argumentierte, der Arbeitnehmer hätte sich unverzüglich bewerben müssen, um seinen Verdienst anderweitig zu sichern. Nachdem die Beklagte dem Kläger für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, hat er diese mit der Klage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, hat das LAG auf die Berufung des Klägers ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision blieb vor dem BAG erfolglos. 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers:

  • Die Arbeitgeberin befand sich während der Freistellung im Annahmeverzug nach § 615 Abs. 1 BGB. Damit blieb die Pflicht zur Vergütungszahlung bestehen.

  • Der Arbeitnehmer unterliege keiner Verpflichtung, bereits während der Freistellung eine neue Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

  • Eine fiktive Anrechnung eines möglichen anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer in böswilliger Weise untätig bleibt. Das sei hier nicht der Fall gewesen.

  • Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre.

Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte im Fall einer einseitigen Freistellung. Sie müssen sich nicht sofort um eine neue Stelle bemühen, um dem Arbeitgeber finanzielle Vorteile zu verschaffen. Arbeitgeber sollten bei Freistellungen im Kündigungsfall prüfen, ob sie eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitnehmer treffen können, um finanzielle Risiken zu minimieren.

Fazit

Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass Arbeitnehmer während einer Freistellung nicht gezwungen sind, sofort eine neue Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Arbeitgeber, die eine Kündigung aussprechen und eine Freistellung veranlassen, sollten sich der damit verbundenen Konsequenzen bewusst sein.

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