Geflügelhaltung im Wohngebiet und Ordnungsverfügung
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Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit seinem Beschluss vom 29.05.2024 (10 B 368/24) bestätigt, dass die Entscheidung, ob die Tierhaltung in Gebäuden als Nebenanlage im Sinne von § 14 I 1 BauNVO mit der Eigenart des Baugebietes vereinbar ist, von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und der örtlichen Situation abhängt. Im zugrundeliegenden Fall wurde den Antragstellern untersagt, ihren Hahn „Bigfoot“ zu halten, da dies der festgesetzten Nutzung des Areals als allgemeines Wohngebiet widerspreche. Trotz Vorbringens verschiedener Argumente, unter anderem der nachtzeitlichen Unterbringung des Hahns und der Existenz anderer Kleintierhaltungen in der Umgebung, hat das Verwaltungsgericht die Ordnungsverfügung bestätigt. Es wurde hervorgehoben, dass selbst angewandte Maßnahmen zur Lärmeinschränkung nicht garantieren können, dass keine Lärmbelästigung entsteht, und die Entscheidung demnach im Einklang mit der vorgesehenen Nutzung als allgemeines Wohngebiet steht. Die Relevanz der artgerechten Haltung oder des Schutzes vor Greifvögeln wurde in Bezug auf die Prüfung nach § 14 I 1 BauNVO nicht als ausschlaggebend betrachtet.
Mit seinem Beschluss vom 29.05.2024 (10 B 368/24) hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass die Beurteilung, ob Einrichtungen zum Halten von Tieren als Nebenanlage i.S.v. § 14 I 1 BauNVO im Einklang mit der Eigenart des Baugebietes stehen, einzelfallabhängig ist. Dabei kommt es vor allem auf die ortsspezifische Situation an.
Sachverhalt und erstinstanzliche Entscheidung des VG
Im zugrundeliegenden Fall wurde gegen die Antragssteller eine Ordnungsverfügung erlassen, die sie dazu verpflichtete, die Haltung ihres Hahns „Bigfoot“ auf ihrem Grundstück zu unterlassen und diesen zu entfernen. Darüber hinaus wurde ihnen die zukünftige Haltung dieses Hahns sowie anderer auf dem Grundstück untersagt.
Gegen diese Ordnungsverfügung gingen die Antragsteller gerichtlich vor.
Das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht wies den Antrag ab.
Nach Ansicht des Gerichtes sei die Verfügung der Antragsgegnerin ohne Ermessensfehler. Sie wurde damit begründet, dass die Nutzung im Widerspruch zu § 30 I BauGB i.V.m. der Festsetzung als allgemeines Wohngebiet im Bebauungsplan und zu § 14 I 1 BauNVO stehe.
Gemäß diesen dürfen Anlagen und Einrichtungen nicht im Widerspruch zu der Eigenart des Baugebietes stehen.
Dies müsse je nach Einzelfall entschieden werden. So soll die Haltung von auch nur einem Hahn der Eigenart des hiesigen Wohngebietes widersprechen, denn das vorherige Kleinsiedlungsgebiet wurde mit der Überarbeitung des Bebauungsplanes als allgemeines Wohnungsgebiet ausgewiesen. Hierdurch wurde das Baugebiet fundamental verändert. Betroffen seien die konkrete „Gebietseigenart nach Lage, Zuschnitt und Größe der Grundstücke in Relation zur Bebauungsdichte auch mittels zusätzlicher Innenerschließung.“
Da der Hahn im vorliegenden Fall im Gartenbereich eines 220 m² großen Grundstücks mit Stall gehalten wurde, welches direkt an ein weiteres Grundstück grenzt, habe das Gericht zutreffend entschieden, dass durch die Innenverdichtung aufgrund der kleinen Grundstücke ein Störpotenzial nicht ausgeschlossen werden könne. Ein solches sei unvereinbar mit der Eigenart des Baugebietes.
Selbst durch die getroffenen Maßnahmen zur Lärmeinschränkung wie die Einstallung zur Nachtzeit könne nicht garantiert werden, dass es zu keiner Lärmbelastung komme, sodass gegen die Ordnungsverfügung nichts einzuwenden sei.
Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen
Auch das OVG, welches nur die vorgebrachten Grunde überprüfen darf, § 146 IV 6 VwGO, kommt zu keiner anderen Entscheidung.
Zwar trugen die Antragsteller hervor, das VG habe übersehen, dass die Haltung eines Hahns laut einem Beschluss vom 10.07.2002 (10 A 2220/02) im reinen Wohngebiet gestattet sei und somit auch in einem allgemeinen Wohngebiet gelten müsse; doch hatte der angeführte Beschluss nicht die Haltung eines Hahns als Gegenstand und könne somit nicht zu einer dergleichen Schlussfolgerung führen.
Die Entscheidung hierüber sei viel mehr davon abhängig, ob Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Nebenanlagen gem. § 14 I 1 BauNVO der Eigenart des jeweiligen Baugebietes entsprechen. Dies müsse je nach Einzellfall und örtlicher Gegebenheit beurteilt werden.
Diesbezüglich sei es den Antragsstellern nicht gelungen, geltend zu machen, dass das VG relevante Umstände des Einzellfalls nicht oder falsch berücksichtigt hätte.
Zuerst brachten sie vor, dass das VG die nächtliche Unterbringung des Hahns im Stall nicht beachtet hätte. Dem steht jedoch entgegen, dass das VG in seiner Begründung klar darauf einging, die getroffenen Maßnahmen jedoch nicht ausreichen, um den Lärmpegel genügend einzuschränken.
Weiterhin soll das VG nicht berücksichtigt haben, dass es in der näheren Umgebung weitere „Kleintierhaltungen mit Geflügel“ gebe.
Hierfür legten die Antragsteller aber wiederum keine Unterscheidung zwischen der Haltung von Hühnern ohne oder mit Hahn vor. Entgegen der Behauptung befinde sich in der Nähe nach Angaben der Antragsgegnerin auch nur ein 715 m² großes Grundstück, welches eine Hühnerhaltung ohne Hahn beherberge. Diese bestehe allerdings bereits seit mehreren Jahrzehnten vor der Aufstellung des Bebauungsplans und grenze an eine Grundschule.
Auch dieser Aspekt wurde von dem VG hinreichend berücksichtigt.
Ebenso habe das VG die gegebene Situation im Baugebiet durch Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände sowie durch Luftbildaufnahmen überprüft und dargelegt, dass die Planungsabsichten des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Sinn ergeben und nicht – wie die Antragsgegner behaupten – darauf gezielt seien, das Kleinsiedlungsgebiet zu verkleinern.
Des Weiteren wurde auch § 14 I 4 BauNVO berücksichtigt. Nach Ansicht der Antragsgegner, habe allein die Stadt im Bebauungsplan zu entscheiden, ob eine Kleintierhaltung zulässig sei oder nicht. § 14 I 4 BauNVO stellt allerdings eine „Kann-Vorschrift“ dar, d.h. bei Aufstellung des Bebauungsplanes könne hierüber entschieden werden, müsse aber nicht. Sollte die Stadt hiervon jedoch keinen Gebrauch machen, bedeute dies nicht, dass § 14 I 1 und 2 BauNVO nicht anwendbar seien.
Ebenso reiche nicht aus, dass sich der Hahn nach Meinung der Antragsteller nicht durch übermäßiges Krähen auszeichne. Das VG habe bei der Zulässigkeitsprüfung nach § 14 I 1 und 2 BauNVO nicht auf den spezifischen Hahn abgestellt.
Auch die dargelegten Umstände der Antragssteller, dass der Hahn artgerecht gehalten würde und unter anderem gegen Angriffe von Greifvögeln schütze, sei nicht relevant für die Prüfung nach § 14 I 1 BauNVO.
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