"Geld gegen Kinder" nicht erlaubt

  • 6 Minuten Lesezeit

Sind Sie als unterhaltspflichtiger Elternteil umgangsberechtigt oder müssen als betreuender Elternteil den Umgang mit dem Kind gewähren, werden Sie sich vielleicht mit einer aufsehenerregenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs konfrontiert sehen. Die Entscheidung dürfte für beide Elternteile auf den ersten Blick Unbehagen verursachen. Deshalb bedarf die Entscheidung der Interpretation.

Es geht darum, dass eine Vereinbarung „Geld gegen Kinder“ sittenwidrig sein soll, wenn der umgangsberechtigte Elternteil finanzielle Leistungen, wie beispielsweise Zugewinnausgleichszahlungen oder Kindesunterhalt, davon abhängig machen kann, dass der betreuende Elternteil den Umgang mit dem Kind gewährt. Umgekehrt stellt sich natürlich das gleiche Problem, wenn der betreuende Elternteil das Umgangsrecht davon abhängig macht, dass der zahlungspflichtige Elternteil zahlt.

Wir erklären, wie Sie die Gerichtsentscheidung richtig einordnen und wie Sie mit der Entscheidung umgehen, wenn Sie auf der einen oder anderen Seite betroffen sind. Aus der Gerichtsentscheidung lassen sich konstruktiv Erkenntnisse ableiten, die helfen, wenn betroffene Elternteile das Thema „Geld gegen Kinder“ diskutieren.

Was bedeutet „Geld gegen Kinder“?

Betreut ein Elternteil nach der Trennung vom Partner oder der Partnerin das Kind selbst, hat der andere Elternteil ein gesetzlich verbrieftes Umgangsrecht. Zugleich ist dieser Elternteil verpflichtet, Kindesunterhalt in Bargeld zu leisten. Um das Umgangsrecht in Anspruch zu nehmen, ist der umgangsberechtigte Elternteil auf das wohlwollende Verhalten des betreuenden Elternteils angewiesen.

Stellt der betreuende Elternteil das Umgangsrecht infrage oder verweigert den Umgang, erscheint es für den umgangsberechtigten Elternteil naheliegend, die Zahlung des Kindesunterhalts oder sonstiger Leistungen (z.B. Zugewinnausgleichsforderung) davon abhängig zu machen, dass das Umgangsrecht gewährt wird. Daraus ergibt sich die Frage, ob und inwieweit finanzielle Leistungen des umgangsberechtigten Elternteils mit dem Umgangsrecht verbunden werden können. Genau diese Problematik war Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.1.2024 (Az. XII ZB 385/23). Die Entscheidung hat offensichtlich viele Eltern aufgeschreckt. Wer die umfangreichen Entscheidungsgründe im Detail liest, wird aber feststellen, dass sich die Kernaussage relativiert. Insofern bedarf die Entscheidung der richtigen Einordnung.

Was war der Sachverhalt?

Im Streit ging es um eine peruanische Mutter mit ihrem deutschen Exgatten. Nach der Trennung zog die schwangere Frau mit der gemeinsamen Tochter nach Peru, der Mann verblieb in Deutschland. Im Peru wurde das zweite Kind geboren. Um den Umgang mit den Kindern wahrzunehmen, musste der Mann stets nach Peru reisen. Zehn Jahre später protokollierten die Exgatten beim Amtsgericht München einen Vergleich. Danach sollte der Mann 60.000 € in drei jährlichen Raten zu jeweils 20.000 € an die Frau zahlen, um damit alle güterrechtlichen Forderungen der Frau abzugelten (Zugewinnausgleich). Es war zudem vereinbart, dass die Raten erst dann fällig werden sollten, wenn der Mann zuvor drei Wochen mit den Kindern in Deutschland verbracht hatte. In letzter Konsequenz beanstandete der Bundesgerichtshof diesen vom Amtsgericht und später vom Oberlandesgericht München gebilligten Vergleich als sittenwidrig.

Warum und wann ist eine Vereinbarung „Geld gegen Kinder“ sittenwidrig?

Der Bundesgerichtshof beanstandete, dass der vor dem Amtsgericht München protokollierte Vergleich die Fälligkeit der vereinbarten Raten damit verknüpfte, dass dem Mann der vereinbarte Umgang mit den Kindern in Deutschland gewährt wurde. Werde der Umgang mit dem Kind mit finanziellen Interessen der Eltern verknüpft, bestehe das Risiko, dass das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt und die Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von den wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt werde. Dadurch werde das Kind zum Objekt des Handelns der Eltern gemacht und sehe sich möglicherweise besonderen Loyalitätskonflikten ausgesetzt. Das Umgangsrecht wird „kommerzialisiert“, das Kind ist nicht mehr Subjekt des Handels der Eltern, sondern Verhandlungsmasse.

Diese Verknüpfung sei jedenfalls dann sittenwidrig, wenn die Umgangsregelung im Hinblick auf die finanzielle Gegenleistung erzwingbar gemacht werde, ohne dass eine gerichtliche Kontrolle des Kindeswohls stattfindet. Genau dieser Aspekt schränkt die Entscheidung wiederum ein und dürfte betroffenen Eltern auf beiden Seiten ein positives Signal senden.

Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, dass das Umgangsrecht nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern unterliege. Die Eltern könnten eine Umgangsvereinbarung nicht ohne weiteres vollstreckbar gestalten, ohne dass dabei eine sachliche Kontrolle durch das Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls erfolge. § 156 Abs. II FamFG verpflichtet das Familiengericht, eine Umgangsregelung nur dann zu billigen, wenn diese dem Kindeswohl entspricht. Da diese Kindeswohlprüfung in der vereinbarten Regelung nicht berücksichtigt werde, sei die Vereinbarung sittenwidrig. Sie bezwecke die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Mutter, um die zugleich getroffene Umgangsvereinbarung einzuhalten und führe in ihrer Wirkung zu einem vertragsstrafenähnlichen Charakter.

Das Gericht verkannte nicht, dass die Kinder im Ausland lebten und es dem Vater schwer war, sein Umgangsrecht überhaupt wahrnehmen zu können. Eine eventuell grenzüberschreitende zwangsweise Durchsetzung seines Umgangsrecht sei wahrscheinlich ineffektiv und unzumutbar. Aber auch dann müssen Vertragsstrafen oder vertragsstrafenähnliche Klauseln zur Durchsetzung des Umgangsrechts immer berücksichtigen, dass dabei das Kindeswohl im Blickfeld steht.

Der Bundesgerichtshof verwies den Fall an das Oberlandesgericht München zurück. Das OLG München musste prüfen, ob die Elternteile den Vergleich über 60.000 € auch dann geschlossen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die Fälligkeit der Vergleichssumme nicht an den tatsächlich gewährten Umgang mit den Kindern geknüpft werden kann.

Mit anderen Worten: Hätte der Mann die 60.000 € auch ohne Berücksichtigung des Umgangsrechts bezahlt, wäre die Vereinbarung wahrscheinlich wirksam gewesen. Hätte er sie von der Gewährung des Umgangsrechts abhängig gemacht, ist die Vereinbarung wie festgestellt sittenwidrig.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass Eltern finanzielle Leistungen zwar mit der Gewährung des Umgangsrechts verknüpfen können, der Vergleich aber berücksichtigen muss, dass dabei stets eine Kindeswohlprüfung erfolgt. Wie sich dies vertraglich umsetzen lässt, bedarf der Prüfung im Einzelfall.

Kindesunterhalt nur gegen Umgangsrecht?

Diese Problematik zeigt sich ganz praktisch, wenn die Zahlung von Kindesunterhalt davon abhängig gemacht werden soll, dass der betreuende Elternteil das vereinbarte oder noch zu vereinbarende Umgangsrecht gewährt. Gerade beim Kindesunterhalt ist die Antwort besonders einleuchtend.

Kindesunterhalt hat den Zweck, einen Beitrag zur Sicherstellung des Lebensunterhalts des Kindes zu leisten. Um dieses Ziel zu erreichen, darf die Zahlung des Kindesunterhalts nicht vom Umgangsrecht abhängig gemacht werden. Die Verpflichtung, Kindesunterhalt zu zahlen, besteht grundsätzlich unabhängig vom Umgangsrecht.

Umgangsrecht nur gegen Kindesunterhalt?

Die Problematik zeigt sich auch umgekehrt. Wer aufgrund finanzieller Gegebenheiten überhaupt keinen Kindesunterhalt zahlt, hat trotzdem Anspruch, das Kind zu sehen und den Umgang zu pflegen. Der betreuende Elternteil kann den Umgang nicht verweigern, indem er/sie darauf verweist, dass der Kindesunterhalt nicht geleistet werde. Insoweit ist klar, dass zwischen Kindesunterhalt und Umgangsrecht kein direkter Zusammenhang besteht, wonach das eine das andere ausschließt. Schließlich ist es Ihr gemeinsames Kind, das Ihr gemeinsames Kind bleibt, auch wenn kein Kindesunterhalt gezahlt wird.

Alles in allem

Betreiben Sie Ihre Scheidung, sind alle Vereinbarungen, die Belange des Kindes betreffen, immer im Lichte des Kindeswohls zu beurteilen. Dies gilt umso mehr, als die Familiengerichte gesetzlich verpflichtet sind, solche Vereinbarungen im Hinblick auf das Kindeswohl zu prüfen. Verhandeln Sie eine Scheidungsfolgenvereinbarung und möchten Kindesunterhalt, Zugewinnausgleich und sonstige finanziellen Leistungen mit dem Umgangsrecht oder Sorgerecht verbinden, ist penibel darauf zu achten, dass das Kindeswohl angemessen einbezogen wird. Sie sind gut beraten, solche Vereinbarungen nicht ohne anwaltliche Begleitung zu verhandeln und festzuschreiben.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Worms

Beiträge zum Thema