Geschwindigkeitsüberschreitung – Was ist zu tun?

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1. Ab welcher Toleranz sind die Blitzer „scharf"?

Die Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung sehen überwiegend eine Toleranz von 5 km/h vor. Dies liegt aber im Ermessen der Behörde. Hiervon kann an Unfallschwerpunkten oder schutzwürdigen Stellen (Schule, Seniorenheim) abgewichen werden.

2. Ich bin geblitzt worden. Was passiert nun?

Entweder wird man vor Ort angehalten und mit dem Vorwurf konfrontiert oder die Bußgeldstelle verschickt an den Fahrzeughalter eine „Anhörung" (wenn die Person auf dem Beweisfoto nach Geschlecht und Alter der Fahrzeughalter sein könnte) oder einen „Zeugenfragebogen" (an juristische Person als Halter, z.B. eine Firma, oder wenn der Fahrzeughalter auf Grund des Beweisfotos als Fahrer zur Tatzeit ausscheidet). Bleiben Anhörung oder Zeugenfragebogen unbeantwortet wird die für den Fahrzeughalter örtlich zuständige Polizei von der Bußgeldstelle mit Ermittlungen zum Fahrer zur Tatzeit beauftragt. Die Polizei sucht den Fahrzeughalter auf und versucht, diesen zum Fahrer zur Tatzeit zu befragen bzw. versucht, Nachbarn nach der Person auf dem Beweisfoto zu befragen oder beschafft sich vom Einwohnermeldeamt ein Passfoto des Fahrzeughalters oder von dessen Familienangehörigen zum Abgleich mit dem Beweisfoto. Ist die Behörde davon überzeugt, den Fahrer zur Tatzeit ermittelt zu haben, erlässt diese einen Bußgeldbescheid, gegen den innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden kann.

3. Ab welcher Tempoüberschreitung ist der Führerschein in Gefahr?

- innerhalb geschlossener Ortschaften ab 31 km/h;

- außerhalb geschlossener Ortschaften ab 41 km/h;

- ab 26 km/h, wenn der gegenständliche Verstoß innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft einer davor begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen wird;

- teilweise schon ab 21 km/h, wenn bereits mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen wurden.

4. Wie kann ich verhindern, dass der Führerschein eingezogen wird?

Wenn Autofahrer Folgen eines Fahrverbots besonders hart treffen würden, kann es unzumutbar sein. Z.B. wenn es durch die Zeit ohne Führerschein zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen würde. Unangemessen für Selbständige und Freiberufler wäre es, wenn diese z.B. als Außendienstler Alleinverdiener sind, Termine mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht wahrnehmen und sich die Anstellung eines Fahrers nicht leisten können. Auch immaterielle und persönliche Folgen können berücksichtigt werden. So die krankheitsbedingte Notwendigkeit regelmäßiger Arztbesuche oder dass ein schwerkranker Angehöriger, der entfernt lebt, ohne Besitz des Führerscheins nicht besucht werden könnte. Nur wenn die behaupteten Gründe vorgetragen und belegt werden, ist ein Entfallen des Fahrverbots gegen regelmäßige Erhöhung der normalen Geldbuße möglich.

5. Kann ich den Zeitpunkt, an dem ich den Führerschein abgebe, selbst bestimmen?

Ist innerhalb von zwei Jahren vor der gegenständlichen Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot nicht verhängt worden, kann das gegenständliche Fahrverbot innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung angetreten werden. Um die Rechtskraft und damit den Beginn der Vier-Monats-Frist möglichst weit herauszuziehen, kann ein in der Sache unbegründeter Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und spätestens am Tage der Hauptverhandlung vor Gericht zurückgenommen werden. So können vom Tage der Zustellung des Bußgeldbescheids bis zur Hauptverhandlung vor Gericht bis zu sechs Monate Aufschub gewonnen werden.

6. Auf dem Blitzer-Foto bin ich schlecht zu erkennen. Was bedeutet das?

Ganz wichtig: Niemals die Fahrer-Eigenschaft einräumen oder den Verstoß zugeben. Der Tatrichter muss darlegen, warum er trotz der schlechten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer hat identifizieren können. Auf dem Bild müssen überhaupt bestimmbare Merkmale der abgebildeten Person zu erkennen sein. Diese können z.B. Gesichtsform und -züge, Frisur, Kinnpartie, Augen-, Nasen- und Ohrform oder individuelle Charakteristika wie Augenbrauenwuchs oder Narben sein. Wie viele übereinstimmende Kennzeichen vorliegen müssen, ist zwar nicht vorgeschrieben, für eine Verurteilung als Fahrer zur Tatzeit wird aber die persönliche Gewissheit des Richters gefordert. Selbst wenn der Tatrichter ein anthropologisches Vergleichsgutachten eingeholt hat, müssen die Urteilsgründe eine verständliche Darstellung der erkennbaren und übereinstimmenden Merkmale enthalten. Ist das Lichtbild unscharf und kontrastarm und sind Gesichtsteile wegen einer Sonnenbrille oder -blende verdeckt, ist das Begründungserfordernis umso größer.

7. Ich bin bei Rot über die Ampel gefahren. Kann ich im Anhörungsbogen erkennen, ob der Führerschein gefährdet ist? (letzte Ziffer 1 oder 2?)

Regelmäßig wird die laufende Nr. des Bußgeldkatalogs angegeben. Aus dieser kann man bereits erkennen, ob der Verstoß mit einem Fahrverbot belegt ist:

- 132: „einfacher Rotlichtverstoß", kein Fahrverbot;

- 132.1: mit Gefährdung, Fahrverbot;

- 132.2: mit Sachbeschädigung, Fahrverbot;

- 132.3: schon länger als 1 Sekunde Rot, „qualifizierter Rotlichtverstoß", Fahrverbot;

- 132.3.1: „qualifizierter Rotlichtverstoß" mit Gefährdung, Fahrverbot;

- 132.3.2: „qualifizierter Rotlichtverstoß" mit Sachbeschädigung, Fahrverbot.

8. Was kann ein Verkehrsanwalt nach einem Rotlichtverstoß für mich tun?

Soll der Verstoß durch einen Polizeibeamten beobachtet worden sein, gilt folgendes:

Der Zeuge Polizeibeamter muss genau angeben können, wie das Auto in den durch die Ampel geschützten Bereich, der nach der breiten Haltelinie beginnt, gefahren ist. Zusätzlich muss er die rote Ampel im Blick gehabt haben. Um die Zeitdauer festzustellen, reichen bloße Schätzungen, ebenso wie Mitzählen (21, 22) für die Zeitfeststellung im Bereich von bis zu zwei Sekunden, nicht aus. Es kann sich lohnen, den oder die Zeugen in einer Hauptverhandlung vor Gericht zu befragen.

Wenn mit geeichter Stoppuhr gemessen wurde:

Vom festgestellten Wert sind 0,3 Sekunden Toleranz abzuziehen.

Erfolgte die Zeitfeststellung mittels Überwachungskamera:

Der vorgeworfene Wert kann allenfalls durch ein Sachverständigengutachten widerlegt werden.

9. Wie lange darf die Bußgeldstelle mit dem Verschicken des Anhörungsbogens warten?

Es kommt nicht auf das Verschicken des Anhörungsbogens an, sondern auf die „Verfügung" der Anhörung des Fahrers zur Tatzeit. Dies bedeutet die Erfassung des Fahrers zur Tatzeit durch den Sachbearbeiter bei der Bußgeldstelle in dessen Datei oder den Vermerk der Polizei nach deren Ermittlungen. Nach der Verfügung der Anhörung (dies ist regelmäßig das Datum der Anhörung oder kann durch Einsicht in die Bußgeldakte ersehen werden) muss innerhalb von drei Monaten der Bußgeldbescheid erlassen werden, der dann innerhalb von zwei Wochen zugestellt werden muss; sofern der Bußgeldbescheid erst nach zwei Wochen zugestellt wurde, gilt für die Drei-Monats-Frist das Datum der Zustellung.

10. Was passiert, wenn ich die Einspruchsfrist gegen den Bußgeldbescheid verstreichen lasse?

Wenn nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgelbescheis (das Zustelldatum wird vom Postzusteller handschriftlich auf gelbem Briefkuvert oben rechts notiert) Einspruch (Eingang bei der Bußgeldstelle ist entscheidend) eingelegt wird, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Die Geldbuße muss bezahlt werden, das Fahrverbot wird entweder sofort (ohne Zubilligung der Vier-Monats-Frist, siehe oben unter Ziffer 5) oder spätestens nach vier Monaten wirksam.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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