Gesetzentwurf zur weiteren Verschärfung des Sexualstrafrechts – Inhalt und Kritik zur Reform

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Das Bundesjustizministerium strebt eine erneute Verschärfung des Sexualstrafrechts an. Die Justizministerin Christine Lambrecht hat einen entsprechenden Gesetzentwurf unter dem Titel: „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ der Bundesregierung vorgelegt. Die Ministerin gibt an das der Verfolgungsdruck erhöht werden müsste und eine Erhöhung der Strafrahmen nötig sei. Im Folgenden sollen die einzelnen Gesetzesänderungen auf Effektivität und Notwendigkeit geprüft werden.

 

Umbenennung der Straftatbestände in „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder“

 

Die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sollen umbenannten werden und zukünftig als „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ bezeichnet sein.

 

Die Maßnahme ist eine reine politische Nebelkerze, die ggf. noch rechtliche Probleme schafft. Der Gewaltbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich in einigen Straftatbeständen findet. Der sexuelle Missbrauch von Kindern setzt gerade keine Gewalt im jetzigen Rechtssinne voraus. Auch eine völlig freiwillige Mitwirkung eines dreizehnjährigen Kindes an sexuellen Tätigkeiten kann einen sexuellen Missbrauch von Kindern darstellen. Ein Gewaltkomponente ist strafschärfend zu berücksichtigen oder führt ggf. zu einer Tatmehrheit mit sexueller Nötigung. Durch die Umbenennung wird weder Rechtsklarheit geschaffen noch sonst ein Effekt zum Schutz von Kindern erreicht.

 

Grundtatbestand sexueller Missbrauch von Kindern mit erhöhten Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren

 

Der jetzige Strafrahmen des § 176 I StGB sieht für sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor. Dieser Strafrahmen soll nun erhöht werden auf ein Jahr Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren.

 

Die Aufwertung des Grundtatbestands zum Verbrechen gem. § 12 I StGB hat verschiedene Folgen. Eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153 I StPO oder § 153a StPO sind nicht mehr möglich. Die Flexibilität auf Taten mit geringer Intensität zu reagieren wird eingeschränkt. Ein Prozess stellt für alle Beteiligten, aber insbesondere für die Geschädigten einer Straftat eine hohe Belastung dar. Bei Verfahren mit schwieriger Beweislage und geringer Straferwartung konnten für alle Seiten Lösungen über Einstellungen gegen Auflagen gefunden werden. Diese Möglichkeit wird nun genommen, was für viele Fälle eine stärkere Belastung für die Geschädigten darstellen kann.

 

Zusammengefasst wird der Strafrahmen in einem geringen Maß angehoben, aber die Flexibilität für Straftaten mit geringer Intensität eine Lösung ohne jahrelangen Prozess zu finden wird abgeschnitten. Aus Praxissicht keine sinnvolle Maßnahme.

 

Strafrahmen Besitz, Verbreitung und Besitzverschaffung von Kinderpornografie soll drastisch erhöht werden und die Verjährung bei der Herstellung beginnt später

 

Der Strafrahmen des § 184b StGB soll in den verschiedenen Tatbestandsvarianten deutlich erhöht werden. Der Strafrahmen des § 184b I StGB soll von aktuell drei Monaten bis zu 5 Jahren auf ein Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe heraufgestuft werden. Der Besitz von Kinderpornografie gem. § 184b III StGB wird bisher mit Geldstrafe bis drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert. Auch dieser Strafrahmen soll erhöht werden auf ein Jahr bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe.

 

Die Verjährungsfrist bei der Herstellung kinderpornografischer Inhalte soll erst mit den 30. Lebensjahr des Tatopfers beginnen.

 

Dieser Teil des Gesetzesentwurfs stellt einen Paradigmenwechsel dar. Die massive Anhebung der Strafbarkeit von kinderpornografischen Abbildungen qualifiziert diese Tat nun zu einem Verbrechen. Es ist jetzt keine Einstellung mehr gem. § 153 und § 153a StPO mehr möglich. Weiter muss das Gericht jedem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beiordnen.

 

Die Frage ist, ob auch an die Anforderungen an die Nachweisbarkeit im gleichen Maß erhöht werden wie die Strafandrohung. Mit den heutigen Auswertungstools können Bilddateien in gelöschten Bereichen wiederhergestellt werden. Es werden zum Teil Bilder zum Teil von Anklagen gemacht von denen weder klar ist auf welchem Weg diese auf die Festplatte gelangt sind, noch ob der Angeklagte dieses Bild jemals gesehen hat. Dieser Straftatbestand bietet die Möglichkeit durch Trojaner oder Versendungen versteckter Dateien Bilder auf Festplatten zu bringen ohne Kenntnis des Computernutzers. Bei Smartphones kann schon die Einstellung der automatischen Bildspeicherung von WhatsApp zu einer Strafbarkeit führen, wenn man unaufgefordert ein inkriminiertes Bild geschickt wurde. Bei dem deutlich erhöhten Strafrahmen müssen die Anforderungen an die Nachweisbarkeit im gleichen Maße steigen.

 

Strafbarkeit der Herstellung und Verbreitung von kindlichen Sexpuppen

 

Der Vertrieb und die Herstellung kindlicher Sexpuppen soll unter Strafe gestellt werden. Vorgesehen ist ein Strafrahmen von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe liegen. Auch der Erwerb und der Besitz soll strafbar sein und mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert wurden.

 

Der Besitz als Dauerstraftat führt zu einer Verpflichtung der Entsorgung solcher Sexpuppen, um sich nicht zukünftig strafbar zu machen. Über Sinn und Unsinn kann hier trefflich streiten. Am Ende ist dies eine politische Entscheidung.

 

Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse der Behörden im Bereich der Kinderpornografie und dem Kindesmissbrauch

 

Die Staatsanwaltschaft soll bei den Ermittlungen weitere Befugnisse an die Hand bekommen. So sollen zukünftig Telekommunikationsüberwachungen und Onlinedurchsuchungen möglich gemacht werden. Auch die Anordnung von Untersuchungshaft soll erleichtert werden und ein Beschleunigungsgebot für Sexualstrafverfahren mit minderjährigen Opfern in die Strafprozessordnung aufgenommen werden.

 

Diese Maßnahmen gehen im Großteil völlig an der Wirklichkeit vorbei. Die Problematik sind nicht die aktuellen Ermittlungsmöglichkeiten, sondern die chronische Unterfinanzierung der Ermittlungsbehörden und Gerichte. Eine weitere Problematik sind die fehlenden Fachkräfte im Cyberbereich. Die Behörden brauchen bis zu 1,5 Jahre für die Auswertung eines Computers wegen der Überlastung. Ein „Beschleunigungsgebot“ im Gesetz kann da nur als Hohn verstanden werden.

 

Zusammenfassung zur Verschärfung des Sexualstrafrechts

 

Das Gesetzespaket des Justizministeriums setzt an den falschen Punkten an. Es wird nicht deutlich, wie man Kinder vor gewaltsamen Übergriffen schützen möchte durch eine Erhöhung des Strafrahmens. Prävention und Ausstattung der Ermittlungsbehörden und Gerichten sind die Schlüssel für einen Rückgang der Straftaten. Diese Maßnahmen würden jedoch viel Steuergeld kosten und sich nicht in dem Maße als Überschrift taugen wie die Umbenennung eines Straftatbestands. Hier wird „Law and Order“ verkauft, um von den echten Problemen in der Strafverfolgung abzulenken.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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