Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung: Lampenfieber muss nicht angegeben werden

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In der Berufsunfähigkeitsversicherung verweigern Versicherer immer wieder Leistungen aufgrund einer angeblichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Dem Versicherten wird vorgeworfen, Vorerkrankungen und medizinische Behandlungen nicht angegeben und damit die Gesundheitsfragen falsch beantwortet zu haben.

In einem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Urteil vom 06.12.2022, Az. 4 U 1215/22) hatte eine Versicherungsnehmerin ein Lampenfieber nicht angegeben. Der Senat erteilte der Vertragsanpassung durch den Versicherer eine Absage. Die BU-Versicherung musste zahlen.

Kurz zum Sachverhalt

Die Versicherte hatte den Versicherungsvertrag im Jahr 2013 abgeschlossen. Im Jahr 2016 stellte sie einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung. Der Versicherer trat in die Prüfung ein und fand heraus, dass die Klägerin im Jahr 2008 aufgrund eines Lampenfiebers von Ihrer Hausärztin an einen Psychotherapeuten überwiesen wurde. Nach fünf probatorischen Sitzungen stellte der Psychotherapeut fest, dass keine Behandlung notwendig war.

Der Versicherer erklärte daraufhin eine Vertragsanpassung und versuchte einen Ausschluss für psychische Erkrankungen durchzusetzen.

Das Urteil des OLG

Der Senat entschied, dass ein Anpassungsgrund nach § 19 Abs. 2 VVG nicht vorliegt.

Lampenfieber ist keine „Krankheit“

Die Rechtsprechung definiert Krankheit in der Berufsunfähigkeitsversicherung als Zustand „der vom normalen Gesundheitszustand so stark und so nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen“.

Bei einem bloßen Lampenfieber sei dieser Zustand noch nicht erreicht. Versicherer könnten zwar auch Beeinträchtigungen abfragen, die unter dem beschriebenen Zustand liegen. Eine Grenze sei allerdings erreicht, wenn Zustände belanglos sind und alsbald wieder vergehen.

Kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit

Zweitens stellte der Senat fest, dass der Versicherten kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit bei der Beantwortung der Fragen vorzuwerfen sei. Die Klägerin konnte glaubhaft bei der Anhörung vor Gericht vermitteln, dass sie bei Antragstellung keine Kenntnis mehr von den Sitzungen beim Psychotherapeuten hatte. Diese lagen nahezu fünf Jahre zurück, fanden auf Drängen der Mutter statt und der Psychotherapeut stellte schließlich keine behandlungsbedürftige Krankheit fest.

Der Senat wies aber auch darauf hin, dass ein Hinwegsetzen über die Fragen des Versicherers durchaus als grobe Fahrlässigkeit angesehen werden kann.

Anmerkung

Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist ein Dauerbrenner in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Versicherer nutzen die Instrumente der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, des Rücktrittes oder einer Vertragsanpassung regelmäßig, um sich ihrer Leistungspflicht zu entziehen. Eine eher versichererfreundliche Rechtsprechung kommt ihnen hier zugute. Begrüßenswert ist daher, dass ein Gericht festgestellt hat, dass vorübergehende Beeinträchtigungen, die (noch) keinen Krankheitswert besitzen, nicht angegeben werden müssen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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