Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente

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§ 2 Abs. 1 der Musterbedingungen des GDV definiert Berufsunfähigkeit im Wesentlichen wie folgt:

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr ausüben kann und auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

Hieraus ergeben sich die folgenden Voraussetzungen für den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente

1. Krankheit oder Kräfteverfall

Unter Krankheit versteht man einen vom normalen Gesundheitszustand abweichenden körperlichen und geistigen Zustand. Die Abweichung muss so groß sein, dass die berufliche Leistungsfähigkeit oder die beruflichen Einsatzmöglichkeiten ausgeschlossen oder beeinträchtigt ist.

Neben körperlichen Erkrankungen haben in den letzten Jahren psychische Erkrankungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung stark an Bedeutung gewonnen. Das unabhängige Analysehaus Morgan & Morgan stellte in seinem Bericht 2023 fest, dass Nervenkrankheiten mit 34,50 % wiederum an der Spitze der Ursachen für Berufsunfähigkeit lagen.

Kräfteverfall liegt vor, wenn die geistigen oder körperlichen Kräfte derart nachgelassen haben, dass die Belastbarkeit des Versicherten nicht mehr altersgerecht ist.

Krankheit und Kräfteverfall sind außerdem ärztlich nachzuweisen. Die Rechtsprechung stellt hieran keine hohen Anforderungen. Grundsätzlich empfiehlt sich jedoch, dass ein Facharzt die zur Berufsunfähigkeit führende Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen beschreibt. Nicht ausreichend ist allerdings der Bericht eines psychologischen Psychotherapeuten.

Tipp!  Einige Versicherer versuchen den Versicherten zu vermitteln, dass umfangreiche ärztliche Begutachtungen notwendig sind, um den BU-Versicherer überhaupt erst zu einer Leistungsentscheidung zu bewegen. Das ist falsch und zielt in der Regel darauf ab, die Versicherten zum Aufgeben zu bringen. Sie sollten in diesem Fall immer einen spezialisierten Anwalt zu Rate ziehen. 

2. Die 50%-Regel

Nach den meisten Versicherungsbedingungen ist berufsunfähig, wer seinen Beruf zu mehr als 50% nicht mehr ausüben kann.

Der Beruf und die aufgrund der Erkrankung vorliegenden Einschränkungen müssen vom Versicherungsnehmer regelmäßig in einer Tätigkeitsbeschreibung dargelegt werden. Hier ist mit großer Sorgfalt vorzugehen. Unrichtige Angaben können eine Obliegenheitsverletzung darstellen und der Versicherer kann leistungsfrei werden. Übertreibungen und Falschdarstellungen von Symptomen können von ärztlichen Gutachtern als Simulation oder Aggravation interpretiert werden und dazu führen, dass der Versicherungsnehmer in einem späteren Prozess beweisfällig bleibt.

Auch der zuletzt ausgeübte Beruf ist ein häufiges Streitthema. Versicherte mit progredienten Erkrankungen reduzieren oftmals schrittweise die Arbeitszeit. Versicherer behaupten gern, es gelte die zuletzt ausgeübte reduzierte Tätigkeit. Meist ist dies nicht korrekt.

Tipp! Wer Schwierigkeiten bei der Erstellung einer Tätigkeitsbeschreibung hat, sollte schon bei der Beantragung einen unabhängigen Versicherungsberater oder einen auf die Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Spezialisten auf dem Gebiet der Berufsunfähigkeitsversicherung bieten fast immer ein kostenloses Erstgespräch an.

Aber auch bei Einschränkungen von unter 50% kann Berufsunfähigkeit gegeben sein. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass nicht nur auf Zeitanteile einzelner Tätigkeiten abgestellt werden darf. Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn der untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs nicht mehr ausgeübt werden kann (BGH, Urteil vom 19.07.2017 - IV ZR 535/15).

3. Dauerhaftigkeit

Die Berufsunfähigkeit muss voraussichtlich dauerhaft bestehen. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die Prognose der Dauerhaftigkeit vorliegt. Wann dieser Zeitpunkt gegeben ist, sorgt ebenfalls immer wieder für Streit. Allgemein lässt sich sagen, dass sich in Bedingungswerken und in der Rechtsprechung ein Prognosezeitraum von 6 Monaten entwickelt hat.

Berufsunfähigkeitsversicherer behaupten gern, dass Versicherungsnehmer erst einmal 6 Monate krank sein müssen, bevor sie Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente haben. Dies ist so nicht korrekt. Wird beispielweise eine Krebserkrankung diagnostiziert oder liegt ein schwerer Unfall mit gesicherter langer Behandlungs- und Genesungsdauer vor, besteht die Prognose der Dauerhaftigkeit vom ersten Tag an. Hier gilt es genau hinzuschauen und im Zweifel ebenfalls einen spezialisierten Rechtsanwalt zu fragen.

4. Die konkrete Verweisung

Zu Fragen führt teilweise die in den meisten Bedingungen enthaltene konkrete Verweisung. Abstrakte Verweisungen werden kaum noch vereinbart, da sie rechtlich für den Versicherer kaum zu handhaben sind (Dementsprechende Werbeaussagen können daher mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen werden.)

Wenn der Versicherungsnehmer eine (neue) Tätigkeit ausübt, die der bisherigen Lebensstellung entspricht, kann der Versicherer von der konkreten Verweisung Gebrauch machen und die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit sind ebenfalls nicht erfüllt.

Im Zweifel spezialisierten Rechtsanwalt befragen

In der Berufsunfähigkeitsversicherung geht es um viel Geld. Es kann daher nicht verwundern, dass Versicherer Anträge besonders aufmerksam prüfen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um nicht zahlen zu müssen. Insbesondere bei der Erstellung einer Tätigkeitsbeschreibung bestehen recht hohe Hürden. Wer Zweifel hat, sollte bereits bei der Beantragung der BU-Rente einen spezialisierten Rechtsanwalt befragen.

Foto(s): ©Adobe Stock/taka

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