Grad der Behinderung – Das Merkzeichen „aG“

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Das Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) berechtigt Personen unter anderem dazu, spezielle Parkplätze zu nutzen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Merkzeichens sind klar definiert und beinhalten strenge Kriterien. Diese wurden durch verschiedene Gerichtsurteile, einschließlich des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. März 2023 (B 9 SB 1/22 R), konkretisiert und umfassen die folgenden Aspekte:

Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG"

  1. Schwere Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen: Personen, die aufgrund schwerer Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen selbst mit orthopädischen Hilfsmitteln (z.B. Prothesen, orthopädischen Schuhen) nicht in der Lage sind, sich ohne erhebliche Schwierigkeiten oder fremde Hilfe außerhalb ihres Kraftfahrzeugs zu bewegen, können das Merkzeichen "aG" erhalten.
  2. Vergleichbare Gesundheitsstörungen: Das Merkzeichen kann auch Personen zuerkannt werden, die an anderen schweren Gesundheitsstörungen leiden, die eine vergleichbare Einschränkung der Gehfähigkeit verursachen. Dazu zählen bestimmte Herz- oder Lungenkrankheiten sowie neurologische oder andere systemische Erkrankungen, die eine erhebliche Gehbehinderung nach sich ziehen.
  3. Einzelfallprüfung und Gesamtbewertung: Eine umfassende Einzelfallprüfung ist erforderlich, bei der alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers detailliert erfasst und bewertet werden. Es muss geprüft werden, inwieweit diese Beeinträchtigungen die Gehfähigkeit einschränken und ob sie den typischen Fällen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung gleichzustellen sind.
  4. Medizinische Nachweise und Gutachten: Die Feststellung des Merkzeichens "aG" muss durch fundierte medizinische Gutachten unterstützt werden. Diese Gutachten sollten eine detaillierte Beschreibung der funktionellen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Gehfähigkeit enthalten.
  5. Berücksichtigung der Gesamtumstände: Bei der Bewertung der Gehfähigkeit werden auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt. Diese Wechselwirkungen können die Gesamtbeeinträchtigung verstärken und müssen daher in der Gesamtbewertung entsprechend gewürdigt werden.
  6. Klarstellung im Urteil des BSG: Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 229 Abs. 3 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn die Betroffenen aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen im öffentlichen Verkehrsraum mit seinen typischen Hindernissen und Widrigkeiten nicht in der Lage sind, sich ohne erhebliche Schwierigkeiten fortzubewegen. Dies schließt Unebenheiten, Steigungen, Bordsteinkanten und ähnliche Hindernisse ein. Die Beurteilung orientiert sich dabei an der tatsächlichen Gehfähigkeit unter diesen realen Bedingungen, nicht an einer idealisierten Umgebung. Das Ziel ist es, die tatsächliche Mobilitätseinschränkung und die daraus resultierende Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben angemessen zu berücksichtigen.

Praktische Anwendung

In der Praxis bedeutet dies, dass Personen, die das Merkzeichen "aG" beantragen, detaillierte medizinische Unterlagen und Gutachten vorlegen müssen, die ihre Gehbehinderung und die Auswirkungen auf ihre Mobilität nachweisen. Die zuständigen Behörden oder Gerichte müssen dann eine umfassende Prüfung vornehmen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" erfüllt sind. Dabei wurde bisher häufig auf die Gehfähigkeit auf ebenem Boden abgestellt. Das BSG hat nun klargestellt, dass die Gehfähigkeit anhand der realen Hindernisse und Gegebenheiten zu überprüfen ist.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht
Niklas Sander

Rechtsanwalt Sander steht als Fachanwalt für Sozialrecht Mandanten in unterschiedlichsten sozialrechtlichen Rechtsthemen mit Rat und Tat zur Seite. Unter anderem beantwortet er Fragen zu Hartz IV, Erwerbsunfähigkeitsrente oder Grad der Behinderung (GdB) und übernimmt die effektive Durchsetzung von Leistungsansprüchen gegenüber den Sozialversicherungsträgern (gesetzliche Krankenkasse, Rentenversicherung und Berufsgenossenschaft).

Foto(s): von der Ahe und Sander GbR

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