Haben Sie Anspruch auf die Hälfte der Altersvorsorge Ihres Ehegatten?
- 4 Minuten Lesezeit
Ihr Ehepartner hat in der Schweiz gearbeitet und Sie haben im deutschen Scheidungsurteil keinen Anteil an seinen Rentenersparnissen aus der Schweiz erhalten? Hier erfahren Sie, was Sie tun können.
Entgegen dem ersten Anschein ist es ein gutes Zeichen, wenn Sie bereits geschieden sind und das Urteil in Deutschland nichts über die Aufteilung des Altersguthabens in der Schweiz aussagt.
In der Schweiz muss praktisch jeder eine Pensionskasse/Betriebsrente (sogenannte 2. Säule) haben (sowas wie eine Riester-Rente, nur halt eine funktionierende…), die neben der staatlichen Rente (AHV, sogenannte 1. Säule) bei einer Scheidung zwischen den Ehegatten aufgeteilt wird. Sie haben Anspruch auf die Hälfte dessen, was Ihr Ehepartner während der Ehe in der 2. Säule angespart hat. Damit soll verhindert werden, dass ein Ehepartner im Alter in eine prekäre Lage gerät, insbesondere weil er/sie die Kinder betreut hat und deshalb kein ausreichendes Vorsorgevermögen aufbauen konnte.
Wie erhalten Sie Ihren Anteil am Vorsorgeguthaben Ihres Ehepartners?
Ab 2017 sind nur noch Schweizer Gerichte für die Teilung der 2. Säule zuständig. Die Pensionskassen werden auf eine Teilungsanordnung aus Deutschland daher nicht reagieren. Wir werden daher einen Antrag auf Ergänzung des ausländischen Urteils stellen, damit sich ein Schweizer Gericht mit Ihrem Fall befassen und die Teilung vornehmen kann.
Wenn Ihr Scheidungsurteil vor 2017 ergangen ist, prüft das Schweizer Gericht das ausländische Urteil auf Lücken und ob es die Teilung vornehmen kann. Für Scheidungsurteile ab 2017 wird automatisch angenommen, dass das Scheidungsurteil unvollständig ist.
Es ist natürlich möglich, dass der Scheidungsrichter die Vorsorgeguthaben in der Schweiz berücksichtigt hat, ohne sie direkt zu teilen, und sein Urteil entsprechend angepasst hat. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass Ihnen ein höherer Anteil am ehelichen Vermögen zugesprochen wird oder dass Sie eine zusätzliche Leistung aus bestimmten Ansprüchen erhalten. Damit Ihnen dieser Ausgleich zugesprochen werden kann, muss bei der Scheidung eine Bescheinigung der schweizerischen Vorsorgeeinrichtung vorgelegt worden sein. In diesem Fall ist Ihr Scheidungsurteil nicht lückenhaft, so dass keine Teilung des schweizerischen Vorsorgevermögens vorgenommen werden muss. Die Teilung wird Ihnen auch dann verweigert, wenn Sie in der Schweiz das Dreifache des Betrags erhalten hätten, den Sie im Scheidungsland erhalten haben.
Ein zweiter Fall liegt vor, wenn das Gericht die Frage nicht geregelt hat, sei es aus Versehen oder aus Unwissenheit. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Vorsorgeguthaben in der Schweiz nur erwähnt oder durch Hochrechnung anhand einer Lohnabrechnung geschätzt wurden. In diesem Fall können Sie die Teilung des Vorsorgeguthabens in der Schweiz verlangen.
Beachten Sie, dass Sie die Teilung in der Schweiz maximal zehn Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsurteils verlangen können.
Wie viel bekomme ich?
Der Grundsatz ist die hälftige Aufteilung, aber es ist in Ausnahmefällen, die eher selten sind, möglich, dass Sie mehr oder weniger als die Hälfte oder gar nichts erhalten.
Wenn Sie z.B. gemeinsame Kinder haben, für die Sie unterhaltspflichtig sind, und die Vorsorge Ihres Ehepartners angemessen ist, können Sie mehr erhalten. Diese Fälle sind jedoch selten.
Wenn Ihre finanzielle Situation nach der Scheidung wesentlich besser ist als die Ihres Ex-Ehepartners, kann es sein, dass Sie weniger als die Hälfte oder sogar gar nichts erhalten. Dies ist auch der Fall, wenn Ihr Ehepartner älter ist als Sie und sich dem Rentenalter nähert, da er nicht in der Lage wäre, in nur wenigen Arbeitsjahren eine angemessene Altersvorsorge aufzubauen.
Können Sie den Ihnen zustehenden Betrag auf Ihr Bankkonto überweisen lassen?
Ja, wenn Sie Ihren Wohnsitz ausserhalb der EU/EFTA haben.
Befindet sich Ihr Wohnsitz innerhalb der EU/EFTA, gilt dies nur teilweise: sie können Sie den sogenannten überobligatorischen Teil des Vorsorgeguthabens frei beziehen. Das Überobligatorium ist eine Form der Altersvorsorge für Besserverdienende (über 88'200 CHF/Jahr). Es handelt sich um Beiträge, die über das Obligatorium hinausgehen und freiwillig geleistet werden, um in den Genuss einer besseren Altersvorsorge zu kommen.
Der obligatorische Teil kann vor Erreichen des Rentenalters nicht auf ein persönliches Konto überwiesen werden, sondern muss auf ein Freizügigkeitskonto überwiesen werden.
Wenn Sie das Guthaben nicht auf Ihr persönliches Konto überweisen lassen können, müssen Sie bei einer Schweizer Bank oder Versicherung ein «Freizügigkeitskonto» eröffnen. Dies ist ein Konto, das verwendet wird, wenn die Person, die das Vorsorgeguthaben besitzt, keinen Arbeitgeber in der Schweiz hat.
Bei der Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens zahlen Sie eine Quellensteuer. Wenn die Schweiz mit Ihrem Wohnsitzland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat und dieses die Besteuerung des Kapitalbezugs durch das Wohnsitzland vorsieht, können Sie sich die Quellensteuer zurückerstatten lassen. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt es sich, das Freizügigkeitsguthaben in eine Freizügigkeitsstiftung mit Sitz in einem Kanton mit tiefer Quellensteuer zu überweisen und erst danach auszahlen zu lassen.
Da Scheidungsverfahren komplex sein können, empfehlen wir Ihnen, sich bei diesen Schritten unterstützen zu lassen.
Kontaktieren Sie uns über unsere Seite www.divorce-lawyer.ch oder rufen Sie uns an. Wir helfen Ihnen gerne bei Ihrer Scheidung in der Schweiz oder bei der Ergänzung einer Schweizer Scheidung in Deutschland.
Artikel teilen: