Haftung deutscher Gesellschafter bei drohender Insolvenz spanischer Tochtergesellschaften

  • 5 Minuten Lesezeit

Nicht alle Investitionen in Spanien erfüllen die Renditeerwartungen deutscher oder ausländischer Investoren. Märkte und Rahmenbedingungen verändern sich oftmals sehr schnell. Die prognostizierte Nachfrage und Umsatzentwicklung bleibt hinter den Businessplan-Zahlen zurück. Forderungen gegen Kunden und Geschäftspartner können nicht realisiert werden, was in der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008/2009 viele Unternehmen betraf. Obiges kann dazu führen, dass bestehende Kapazitäten der spanischen Tochterunternehmen sich als überdimensioniert erweisen und sich die Frage nach der Schließung der Gesellschaft oder – wenn Reserven und Eigenkapital sukzessive aufgezehrt werden – auch die Frage nach der Insolvenz stellt.

In einer solchen Situation ist es geboten zu prüfen, welche Handlungsoptionen bestehen, also wie mit der notleidenden spanischen Tochtergesellschaft verfahren werden kann. Dabei sind sowohl die Kosten wie auch die rechtlichen Implikationen, namentlich Haftungsfragen, der verschiedenen Optionen zu berücksichtigen. Neben dem Verkauf der betroffenen Gesellschaft kommt in vielen Fällen auch deren Liquidation oder die Insolvenz nach dem geltenden spanischen Konkursgesetz in Betracht. 

Solange die Gesellschaft von einer Konkursreife noch weit entfernt ist, also keine Antragspflichten für die Geschäftsführung der GmbH (Sociedad Limitada/S.L.) oder AG (Sociedad Anónima/S.A.) bestehen, gibt es immer die Möglichkeit, die Gesellschaft zu veräußern oder zu liquidieren.

Zunächst sollte geprüft werden, ob ein kriselndes, Verluste generierendes Unternehmen mit Gewinn verkauft werden kann. Dies ist deshalb zu empfehlen, weil die Liquidation schon wegen der Abfindungszahlungen für Mitarbeiter oftmals eine sehr teure Angelegenheit ist. In Spanien sind diese Abfindungszahlungen an gekündigte Mitarbeiter, anders als in Deutschland, gesetzlich im Detail geregelt. Der Betrag der Abfindung („Finiquito“) hängt vom Gehalt und der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten ab. Gerade personalintensive Unternehmen mit einer langjährig beschäftigten Belegschaft haben bei der (Teil-)Liquidierung von spanischen Unternehmen hohe Abfindungszahlungen aufzubringen.

Auch wenn ein Unternehmen Verluste aufweist, bedeutet dies nicht automatisch, dass es für Dritte wertlos ist. So können etablierte Vertriebsnetze, ein bei Kunden hohes Ansehen genießende Firmen- oder Produktnamen einen erheblichen merkantilen Wert darstellen. Gleiches gilt natürlich auch für moderne Produktionsanlagen und Maschinen, deren Erwerb für einen Wettbewerber interessant sein kann. 

Kommt ein Verkauf hingegen nicht in Betracht, kann das spanische Unternehmen geschlossen und abwickelt werden. Dieser Weg folgt einem detailliert beschriebenen gesetzlichen Verfahren, wobei u. a. auch geltendes spanisches Steuer- und Sozialrecht zu beachten ist. Der Weg der Liquidation ist insbesondere im Hinblick auf die Entlassung von Personal und bezüglich der Forderungen der Finanzämter und Sozialkassen eine langwierige und oftmals kostenintensive Lösung. Eine Unternehmensliquidation sollte daher regelmäßig von mit dieser Thematik vertrauten Beratern – namentlich Rechtsanwälten, Steuerberatern – begleitet werden. 

Ist das spanische Unternehmen hingegen dauerhaft nicht in der Lage, seine finanziellen Verpflichtungen nachzugehen, besteht für die Geschäftsführung des Unternehmens grundsätzlich die gesetzliche Verpflichtung, binnen zweier Monate einen Konkursantrag zu stellen. Wird diese Pflicht nicht beachtet, drohen den verantwortlichen Gesellschaftsorganen neben persönlicher Haftung auch strafrechtliche Konsequenzen. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass Konkursdelikte in Spanien streng, mit Geld- und langjährigen Haftstrafen von bis zu sechs Jahren sanktioniert werden können.

Zu beachten ist, dass eine solche Insolvenzhaftung – zivil- und strafrechtlich – auch die Gesellschafter eines körperschaftlich strukturierten Handelsunternehmens (AG, GmbH) treffen kann. Dies ist zum Beispiel für deutsche Unternehmen von Bedeutung, die in Spanien Tochtergesellschaften gegründet oder Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen erworben haben. Entscheidend ist, dass die Gesellschafter auf die lokale Geschäftsführung in Spanien Einfluss ausüben konnten und dies auch getan haben.

Eine Konkurshaftung von GmbH- oder AG-Gesellschaftern erscheint zwar auf den ersten Blick widersprüchlich, da bei Kapitalgesellschaften deren Haftung naturgemäß auf das eigene Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen in Spanien wie in Deutschland. 

Es handelt sich bei dieser Haftung jedoch um eine Durchgriffshaftung, die bestehen kann, wenn Gesellschafter einer spanischen GmbH (Sociedad Limitada) oder AG (Sociedad Anónima) nachhaltig maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung genommen haben. 

Voraussetzung für diese Durchgriffshaftung ist, dass die Führung des Unternehmens durch die an sich zuständigen, lokalen Geschäftsführer oder Vorstände nicht wirklich stattfand. Gemeint sind die Fälle, in denen spanische Geschäftsführer primär lediglich als Weisungsempfänger der Gesellschafter und ohne eigene Kompetenz agierten. In Deutschland nennt man diese Haftung die des „Faktischen Geschäftsführers“, welche durch die Rechtsprechung determiniert und ausgestaltet wurde. 

In Spanien ist die Haftung des „Administrador de hecho“ hingegen eine vom Gesetzgeber anerkannte Rechtsfigur, die in Artikel 236 Ziffer 3 des Gesetzes der Kapitalgesellschaften (LSC) im Kontext der Organhaftung ausdrücklich genannt ist. Auch das spanische Strafrecht kennt die Rechtsfigur des „Administrador de hecho“ und damit dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit für Konkursdelikte (Artikel 31 spanisches Strafgesetzbuch/Código Penal).

Man sollte sich als ausländischer Investor in Spanien in diesem Kontext vergegenwärtigen, dass auch spanische Konkursverwalter immer auf der Suche nach Haftungsmasse sind. Folglich werden sie bei auch nur geringen Anhaltspunkten für eine faktische Geschäftsführung von Gesellschaftern diese in Anspruch nehmen wollen. Das gilt namentlich bei ausländischen Gesellschaftern mit wesentlichen Beteiligungen am insolventen Unternehmen, weil in diesen Fällen Bonität und damit der Zugriff auf weitere Haftungsmasse vermutet wird. 

Zudem ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass auch die nicht rechtzeitige Konkursantragsstellung, wenn diese durch Einwirken der Gesellschafter auf die lokale Geschäftsführung veranlasst wurde, rechtliche Konsequenzen für die Gesellschafter bzw. deren organschaftliche Vertreter haben kann. Dabei können sowohl zivilrechtliche Haftung wie auch – kumulativ – strafrechtliche Verantwortung auf der Gesellschafterebene zum Tragen kommen.

Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung nach spanischen Gesetzen macht nicht an der Landesgrenze halt. Diese Vorschriften wirken mittlerweile effizient auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, weil Gerichte und Behörden aufgrund von EU-Kooperations- und Amtshilfeabkommen grenzüberschreitend agieren. Auch eher technische, aber praktisch wichtige Aspekte wie die schnelle und dokumentierte Zustellung von Urteilen, Verfügungen und sonstigen Dokumenten wurde auf EU-Ebene vereinfacht und beschleunigt. Zudem fördert die fortschreitende Digitalisierung auch in diesem Bereich den Daten- und Informationsaustausch. Im Ergebnis haben die vorgenannten Veränderungen die Geschwindigkeit und Effizienz der grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung deutlich verbessert. Die vorgenannten Maßnahmen erleichtern im Ergebnis auch die Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung über die Landesgrenzen hinweg. 

Rechtstipp

Deutsche bzw. ausländische Unternehmen und ihre Organe (Geschäftsführung, Beiräte, Vorstand), die Gesellschafter einer spanischen AG oder GmbH sind, sollten die vorgenannten Risiken stets im Blickfeld haben. Gerät die eigene Tochtergesellschaft in Spanien in eine existenzbedrohende Krise, sollte frühzeitig und präventiv agiert und dabei fachkundige Beratung eingeholt werden, um die optimale Handlungsoption auch tatsächlich ausüben zu können.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Bernhard Idelmann

Beiträge zum Thema