Hörgeräte-Urteil: Kriege ich meine Kosten zurück?

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Aufgrund unseres Artikels zu dem Urteil (BSG, Urt. v. 17.12.2009, Az. B 3 KR 20/08 R), wonach bei Hörgeräten Festbeträge rechtswidrig sind, haben sich zahlreiche Betroffene und Angehörige bei uns gemeldet. Dabei hatten alle nahezu dieselbe Frage:

"Ich habe mir bereits vor längerer Zeit Hörgeräte angeschafft, wovon die Kasse jedoch nur den Festbetrag übernommen hat. Hat das Urteil des BSG Auswirkungen auf mich, erhalte ich Geld zurück?"

Insofern gilt folgendes:

Das Urteil vom 17.12.2009 darf nicht so verstanden werden, als ob die Kassen erst jetzt zur Kostentragung über den Festbetrag hinaus verpflichtet wären. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits früher entschieden, dass sich der Leistungsanspruch der Versicherten dann nicht auf einen Festbetrag beschränkt, wenn dieser für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BVerfGE 106, 275) und mit dem Gerät ein deutlicher Gebrauchsvorteil im Alltagsleben einhergeht (BSG vom 06.06.2002, B 3 KR 68/01 R).

Gleichwohl lehnen die Kassen regelmäßig Zahlungen über den Festbetrag ab, da im SGB V geregelt sei, dass sie ihre Leistungspflicht mit der Zahlung des Festbetrages - grundsätzlich - erfüllen. Darüber hinaus wird argumentiert, der Akustiker habe nicht zwei Kassengeräte angepasst, ein Anspruch auf „Optimalversorgung" bestehe nicht etc.

Zumindest für nahezu taube Versicherte hat das BSG dieser Argumentation nun einen Riegel vorgeschoben. Sobald die audiometrischen Messdaten des Hörgeräteakustikers eine an Taubheit grenzende Hörbehinderung belegen, hat der Versicherte einen Anspruch auf das angepasste Gerät; wurde der Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt und der Versicherte hat das Gerät vorfinanziert, besteht ein Anspruch auf Erstattung der verauslagten Kosten, da die Anlehnung rechtwidrig war.

Da die Betroffenen das Gerät bereits vor längerer Zeit vorfinanziert haben, kommt für sie nur der Kostenerstattungsanspruch in Betracht, d.h. sie hätten vor Erwerb der Geräte einen Antrag stellen und die ablehnende Entscheidung der Kassen abwarten müssen. Da sie vermutlich keinen Widerspruch gegen die Ablehnung eingelegt haben - wie die meisten Betroffenen -, ist die Entscheidung bestandskräftig geworden und kann eigentlich nicht mehr angegriffen werden. Jedoch hilft hier Paragraph 44 Sozialgesetzbuch Nr. 10 weiter:

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Eine Rückwirkung der BSG-Entscheidung bedarf es daher gar nicht, da bei Erlass der Entscheidung das Recht bzw. die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG dann unrichtig angewandt wurde, wenn die Hörbehinderung nicht mit einem „Kassengerät" ausgeglichen werden konnte. Folglich müssen sie sich trotz Ablauf der Rechtsmittelfristen nicht mit der Entscheidung der Krankenkasse abfinden.

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an.

Hinweis: Die Kosten einer Beratung und eines Widerspruchsverfahrens übernimmt die Rechtsschutzversicherung in der Regel nicht, es sei denn es ist im Vertrag ausdrücklich anders geregelt. Vor einer Beratung klären wir Sie über die Kosten auf.


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