HWS-Cage falsch platziert: 25.000 Euro

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Mit außergerichtlichem Vergleich vom 26.06.2015 hat sich die Haftpflichtversicherung eines Belegarztes verpflichtet, an meinen Mandanten 25.000 Euro sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (2,0-Geschäftsgebühr, 1,5-Vergleichsgebühr aus dem Erledigungswert) zu zahlen.

Der am 22.08.1968 geborene Angestellte wurde am 02.02.2011 durch den Chirurgen erstmalig unter der Diagnose „Lumboischialgie beidseits im Bandscheibensegment LWK5/SWK 1 rechts“ operiert. Eine OP-Aufklärung war in der Akte nicht vorhanden. Der Arzt führte eine erweiterte Flavektomie und Nukleotmie L5/S1 rechts durch. Wegen nach einer Woche erneut ausstrahlender Schmerzen ins rechte Bein führte der Chirurg am 01.06.2011 eine Revisionsoperation durch (Spondylodese mit Capstone Cage L5/S1 rechts). Eine OP-Aufklärung fand sich in den Akten nicht.

Im Juni 2011 kam es zu zunehmenden Ischialgien rechts mit Ausstrahlung bis in den Fuß mit Kribbeln. In der MRT vom 05.07.2011 waren narbige Verwachsungen L5/S1 rechts, eine Dislokation des Cages L5/S1 rechts mit Irritation der Nervenwurzel festgestellt worden. Am 13.07.2011 wurde der Cage in einer weiteren Operation nach dorsal verlagert und ein Fixateur eingebracht. Ab September 2011 litt der Mandant unter Taubheit der Finger IV und V der rechten Hand, nächtlichem Wachwerden, Kribbeln im rechten Bein dorsal mit starken Schmerzen. Eine MRT aus Februar 2012 zeigte eine erneute Fehllage des Cages.

Es bestanden starke Schmerzen und eine Arbeitsunfähigkeit, so dass am 06.05.2013 die Indikation zur Revision und Entfernung des Materials, insbesondere des nach rechts herausstehenden Cages, getroffen wurde. Am 14.05.2013 wurde der Capstone-Cage entfernt, welcher die Hinterkante des Wirbels um ca. 2 mm überragte. Er bot eine leichte Instabilität, war knöchern nicht durchbaut. Die Nachbehandler brachten einen Capstone-Cage der Größe 12 x 26 mm in PLIF-Technik ein, replatzierten die Längsträger und führten eine segmentale Kompression mit festem Anziehen der Imbus-Schrauben durch.

Der Mandant hatte dem Belegarzt vorgeworfen, ihn vor der ersten Operation am 02.02.2011, der ersten Revisionsoperation vom 01.06.2011 und der zweiten Revisionsoperation vom 13.07.2011 nicht über die Chancen und Risiken des Einbringens eines Cages, insbesondere aber nicht über die echten Behandlungsalternativen in Form einer weiteren konservativen Behandlung, aufgeklärt zu haben. Bereits vor der Disektomie vom 02.02.2011 habe die echte Behandlungsalternative einer konservativen Behandlung bestanden. Wegen der rechtswidrigen Erstoperation seien die drei Revisionsoperationen erforderlich geworden.

Die Operation vom 01.06.2011 habe der Chirurg nach zwei Sachverständigengutachten fehlerhaft durchgeführt. Es bestand Einigkeit, dass ein einseitig eingebrachter Cage nicht ohne gleichzeitiges Einbringen eines Fixateurs nach dem Facharztstandard eingesetzt werden dürfe. Hiervon sei der Chirurg ohne nachvollziehbare Gründe abgewichen. Es handele sich um einen groben Behandlungsfehler. Die drei Revisionsoperationen seien auf den fehlerhaften Einsatz des Cages zurückzuführen.

Der Arzt hatte entgegnet: Nach einem Jahr frustraner konservativer Therapie habe keine echte Behandlungsalternative zur ersten Operation bestanden. Es sei offen, ob die immer noch bestehenden Schmerzen auf die fehlerhafte Operation oder die Revisionsoperationen zurückzuführen seien. Die dritte Revisionsoperation im Nachfolgekrankenhaus sei nach Auffassung der Ärztekammer lege artis durchgeführt worden. Ein Dauerschaden sei somit nicht verblieben.

Zur Vermeidung eines umfangreichen Prozesses mit Einholung weiterer Sachverständigengutachten zum Abweichen vom Behandlungsstandard, der Kausalität zwischen Fehler und Schaden und dem Zusammenhang zwischen verbleibenden Beschwerden und dem bestätigten Behandlungsfehler haben sich die Parteien auf einen Risikovergleich in Höhe von 25.000 Euro zur Abgeltung des Schmerzensgeldes, des Verdienstschadens und weiterer materieller Schäden geeinigt.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht


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