Ich habe eine Anzeige bekommen! Brauche ich einen Rechtsanwalt?

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Plötzlich meldet sich die Polizei bei dem Betroffenen und teilt ihm mit, dass gegen ihn Anzeige erstattet wurde und er doch bitte zur Polizeidienststelle kommen soll, um eine Aussage zu machen.

Die Polizei meldet sich auf unterschiedlichen Wegen. Es kann sein, dass sie den Beschuldigten anruft oder anschreibt und einen Termin zur Vernehmung als Beschuldigter mitteilt. Teilweise erhalten die Beschuldigten auch einen Äußerungsbogen, um sich schriftlich zum Tatvorwurf zu äußern.

Die Betroffenen wissen in einer solchen Situation meist nicht, wie sie sich verhalten sollen. Vor allem fragen sie sich, ob sie einfach zur Polizei gehen sollen, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Wenn sie dorthin gehen, wissen sie nicht genau, was sie sagen sollen und wie viel sie sagen sollen. Zum Teil fragen sich die Beschuldigten, ob sie den Termin absagen oder einfach nicht dort erscheinen sollen. Sie haben Bedenken, dass es negativ ausgelegt wird, wenn sie einfach nicht erscheinen oder einen Anwalt mit der Akteneinsicht beauftragen.
 
Mandanten sagen mir immer wieder, dass sie doch nichts getan und nichts zu verbergen haben, dann können sie doch ganz einfach zur Polizei fahren und erklären, wie es war. Sie wollen kein Strafverfahren haben. Das nervt sie. Das ist zeitaufwendig. Sie möchten eigentlich mit Polizei und Gerichten nichts zu tun haben. Sie meinen auch, dass es als Schuldeingeständnis wirkt, wenn sie zuerst nicht sagen und den Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht beauftragen.
 
 Außerdem werde ich auch immer wieder von Beschuldigten gefragt, ob sie einen Rechtsanwalt brauchen. Ich sage ihnen, dass dies von mehreren Dingen abhängt und es, wie der Jurist so schön sagt, darauf ankommt.
 
Grundsätzlich ist der sicherste Weg im Strafverfahren zur Vorladung als Beschuldigter nicht zu erscheinen, einen Rechtsanwalt mit der Verteidigung zu beauftragen und zum Tatvorwurf zunächst zu schweigen. Wir teilen z.B. der Polizeibehörde mit, dass wir unserem Mandanten zunächst raten, vom seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und dass wir gegebenenfalls nach Erhalt der Ermittlungsakte eine Stellungnahme abgeben. Hier machen wir ganz deutlich, dass der Mandant nicht schweigt, weil er was zu verbergen hat, sondern weil wir ihm hierzu raten.
 
Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Mandant sich nicht schon zu einem Tatvorwurf äußert, über den er eigentlich nichts weiß. Auf der polizeilichen Vorladung steht zum Beispiel wegen Betrug, Vergewaltigung, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, oder Beleidigung….
 
Mit dem Tatvorwurf alleine können die Beschuldigten wenig anfangen. Die Aussage des Anzeigenerstatters ist nicht bekannt. Es besteht die große Gefahr, dass der Beschuldigte umfangreichere Angaben macht als nötig und vor allem Angaben macht, die ihm zum Nachteil ausgelegt werden können. Kennt er zum Beispiel die Aussage des Anzeigenerstatters, kann er sich entsprechend dazu äußern und wird die einzelnen Vorwürfe versuchen zu widerlegen. Er kann sich konkret zu den einzelnen Vorwürfen äußern und muss nicht ins Blaue hinein Angaben machen.
 
Es gibt aber auch Betroffene, die nicht hinreichend Geld für einen Verteidiger haben oder auch nicht bereit sind, die Gebühren für einen Verteidiger aufzuwenden. Es stellt sich dann die Frage, wie sich diese am besten verhalten.
 
Diese haben die Möglichkeit, eine Aussage bei der Polizei zu machen oder der Vorladung keine Folge zu leisten.
 
Ich habe Fälle erlebt, bei denen die Mandanten zum Beispiel in Körperverletzungsdelikten oder im Bereich der sexuellen Belästigung eine Aussage bei der Polizei gemacht haben. Diese Aussage wurde von der Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft hielt die Aussage des Beschuldigten für unglaubwürdig und wertete diese als Schutzbehauptung. Wenige Wochen später erhielt der Betroffene einen Strafbefehl. Mit diesem Strafbefehl erschien er bei uns in der Kanzlei. Zunächst war er der Ansicht gewesen, dass er sich nichts zu Schulden kommen lassen hat und daher keinen Anwalt braucht. Nachdem er den Strafbefehl erhalten hatte, war er anderer Meinung.
 
Andererseits wurden auch schon Ermittlungsverfahren aufgrund der eigenen Angaben der Beschuldigten eingestellt. Die Beschuldigten hatten die Angaben gemacht, ohne den Akteninhalt zu kennen. Teilweise werden Ermittlungsverfahren auch eingestellt, weil die Beschuldigten sich nicht zum Tatvorwurf äußern. Dies auch unabhängig davon, ob ein Anwalt die Verteidigung angezeigt und Akteneinsicht beantragt hat.
 
Es gibt Bereiche im Strafrecht, bei denen die Chancen auf eine Verfahrenseinstellung ohne Reaktion des Beschuldigten relativ hoch sind und auch Bereiche, bei denen die Chancen auf eine Verfahrenseinstellung gegen Null gehen. Welche Bereiche dies sind, hängt immer vom Einzelanfall ab. Dies kann nicht pauschal beurteilt werden.
 
Es gibt allerdings Berufsgruppen, die sich keinen Eintrag im Führungszeugnis leisten können und auch Berufsgruppen, bei denen ein bestimmter Strafrahmen nicht überschritten werden darf. 

Auch Waffenscheinbesitzer sollten maximal alarmiert sein. Bei einer Verurteilung wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen fehlt die nach dem Waffengesetz erforderliche Zuverlässigkeit. D.h. die Waffenerlaubnis wird entzogen.
 
Ein Beamter kann seine Beamtenrechte verlieren, wenn er wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber verurteilt wird.

§ 24 Beamtenstatusgesetz besagt das Folgende:
(1) 1Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts


1. 

wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder


2. 

wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und 

Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten

verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. 2Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.


Auch pensionierte Beamte sind betroffen. Hier gibt es besondere Vorschriften. Bei Berufssoldaten und Polizeibeamten gibt es ebenfalls Konsequenzen.

Verkammerte Berufe: Bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzte, Apotheker, Architekten, Bankmitarbeiter, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes besteht die Gefahr berufs- und disziplinarrechtlicher Folgen. Es droht z.B. ein Berufsausübungsverbot.

Weitere Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung können die Gewerbeuntersagung, ausländerrechtliche Konsequenzen, Berufsverbote, etc. sein.
 
Gerade für Beschäftigte im Bewachungsgewerbe oder auf einem Flughafen gelten strenge Regeln und Vorgaben bei strafrechtlichen Verurteilungen. Gleiches gilt für Beschäftigte in Berufen, die ein Führungszeugnis oder sogar erweitertes Führungszeugnis benötigen. Vermögensberater oder Versicherungsvermittler verlieren ihre Gewerbeerlaubnis aufgrund von Unzuverlässigkeit, wenn bestimmte Straftaten begangen werden und eine Verurteilung erfolgt.

Studenten sind ebenfalls betroffen, da sie nach dem Studium je nach Zukunftsplanung meist ein erweitertes Führungszeugnis brauchen.

Sollte der Betroffene einen Waffenschein besitzen, den er nicht verlieren will, oder einen Beruf ausüben, bei dem bei einer Verurteilung erhebliche Konsequenzen drohen, drängt sich die Beauftragung eines Strafverteidigers geradezu auf. Es muss dann mit allen Mitteln versucht werden, eine Verfahrenseinstellung zu erreichen oder eine Strafe, die so niedrig ist, dass keine berufsrechtlichen Konsequenzen drohen.
 
Die strafrechtlichen Nebenfolgen werden häufig nicht hinreichend bedacht und berücksichtigt. Diese sollten Betroffene stets im Hinterkopf haben, wenn sie für sich entscheiden, ob sie bei der Polizei aussagen oder die Aussage verweigern und ob sie einen Rechtsanwalt beauftragen sollen oder nicht.


Rechtliche Hinweise

Sämtliche Informationen in unseren Rechtstipps dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine Beratung durch einen Anwalt nicht ersetzen. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Bereits durch kleine Änderungen beim Sachverhalt kann sich die rechtliche Einschätzung vollständig ändern. Außerdem ändert sich ggf. die Rechtslage, so dass die Inhalte u.U. veraltet sein können.

Wenn Sie konkreten Beratungsbedarf haben, kontaktieren Sie uns gerne. 


Rechtsanwaltskanzlei Dipl. Jur. Stefanie Lindner, Passau

0851/96693915

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