Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

In-App-Käufe: Wenn kostenlos nicht kostenlos ist

  • 5 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

[image]Das Geschäft mit mobilen Apps boomt ungebrochen weiter. Als eine der wichtigen „Cash Cows“ der Branche gilt Spielesoftware im portablen Format für Smartphones und Tablets. Zu den Paradebeispielen gehört aktuell etwa eine Spiele-App, für die der US-amerikanische Reality-Star Kim Kardashian seinen guten Namen hergibt. Diese soll nämlich im vergangenen Jahr 74 Millionen Dollar Umsatz erwirtschaftet haben und dieses Jahr insgesamt 200 Millionen Dollar umsetzen. Gleichzeitig kursieren Medienberichte von durch Unterhaltungs-Apps ungewollt verursachten App-Store-Rechnungen, die im vierstelligen Bereich angesiedelt sind.

Wie sind Millionengewinne mit Gratis-Apps möglich?

Ein rascher Blick in die momentan populärsten App-Quellen mag in Anbetracht solcher Meldungen freilich zu Stirnrunzeln führen. Denn der entscheidende Großteil der momentan erfolgreichsten Zerstreuungshelfer findet – auf den ersten Blick – kostenlos den Weg auf Smartphone oder Tablet. Hier liegt die Vermutung nahe, dass eventuell Werbung als Finanzierungsmittel genutzt wird. Doch mittlerweile hat sich unter geschäftstüchtigen Spieleentwicklern ein effizienteres Verfahren durchgesetzt. „In-App-Käufe“ lautet das Zauberwort.

Werbe-Apps waren gestern

Die aktuelle Erfolgsstrategie ist schnell zusammengefasst: Der Fantasie des Spieleentwicklers entsprungene Funktionen müssen mithilfe ganz realer, harter Währung freigeschaltet werden. Die letztendlichen Kosten für das Spielerlebnis erreichen so schnell respektable Höhen – gut für den App-Hersteller, schlecht für zahlreiche Nutzer, denen die Tragweite des teuren Spielvergnügens erst im Nachhinein bewusst wird. Die Palette an Psychotricks, die sich in den betroffenen Apps wiederfindet, ist hierbei beachtlich. Eine der am häufigsten genutzten Strategien sieht beispielsweise vor, dass sich gezielt in den Spielablauf eingewobene Wartezeiten kostenpflichtig beseitigen lassen. Derartige Kniffe auf Entwicklerseite können ganz besonders verheerend sein, wenn Kinder den durch In-App-Käufe finanzierten Spielspaß entdecken. Der Fall von zwei minderjährigen Brüdern aus Schweden, deren Vorliebe für „Schlumpfbeeren“ in „Smurfs’ Village“ eine iTunes-Rechnung in Höhe von 7800 US-Dollar zuwege brachte, gilt heute noch als berühmt-berüchtigt.

Geschickt platzierte Bezahl-Features als kontroverses Erfolgsmodell

In-App-Käufe stammen ursprünglich aus der Welt der Spielesoftware auf PCs und stationären Videospielkonsolen und wurden dort in der Regel als „Microtransactions“ bezeichnet. Zwar handelt es sich hierbei um eine Branche, die regelmäßig noch gute Gewinne erwirtschaftet, aber augenblicklich eher als Nischenbereich gilt. Veritable Mainstream-Aufmerksamkeit kam dem Thema schließlich zu, als App-Stores ihren Siegeszug begannen. Der Hard- und Softwareriese Apple führte hierzu 2009 die Bezeichnung „Freemium“ ein. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes „Kofferwort“ – sprich, die Verschmelzung zweier Begriffe, in diesem Fall „free“ und „premium“. Besagte Wortschöpfung war mit Sicherheit durchaus treffend gewählt. Denn schließlich werden derartige Apps umsonst (free) angeboten, enthalten allerdings Funktionen, die sich nur gegen einen bestimmten Aufpreis (premium) nutzen lassen.

Der Fall In-App-Käufe vor Gericht


Es dauerte eine Weile, bis das „Freemium“-Geschäftsmodell auch vor Gericht von sich reden machte. Vor zwei Jahren sprach der Bundesgerichtshof zuerst ein Machtwort aus. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte gegen einen Hersteller eines Onlinespiels mit In-App-Käufen geklagt – und der BGH gab der Organisation in seiner Entscheidung vom 18. September 2013 (Az.: I ZR 34/12) Recht. Als unzulässig galt allerdings in besagtem Fall nicht das Freemium-Modell selbst, sondern die offensichtlich gezielte Ansprache von Kindern, denen das Geldausgeben im Spiel schmackhaft gemacht werden sollte. Der BGH sah hier eine Verletzung der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb gegeben. Zudem willigten im Verlauf des Jahres 2014 zuerst Apple und später Google in einen Vergleich mit der amerikanischen Behörde Federal Trade Commission ein. Infolgedessen zahlte man 32,5 respektive 19 Millionen US-Dollar an Eltern aus, deren Kinder ohne deren Wissen In-App-Käufe getätigt hatten.

Die Reaktion der App-Imperien

Anschließend gelobten beide Unternehmen Besserung bei der Kennzeichnung von Apps mit dem nicht unumstrittenen Geschäftsmodell. Google sorgte durch Angaben zur Preisgestaltung der im Spiel zu erwerbenden Features für ein Quäntchen mehr Transparenz. Sicherlich keine schlechte Idee angesichts der Anzahl an Spiele-Applikationen, deren „In-App-Produkte“ mit bis zu 99 Euro je Stück zu Buche schlagen können. Konkurrent Apple verabschiedete sich von der Praxis, sämtlichen (zunächst) kostenfrei erhältlichen mobilen Apps – egal ob diese In-App-Käufe enthielten oder nicht – einen Download-Button mit der Aufschrift „Gratis“ zur Seite zu stellen. Seit Anfang 2015 schreibt der Hard- und Softwareriese zudem Entwicklern von „Freemium“-Software vor, einen entsprechenden Warnhinweis in die zugehörigen Beschreibungstexte aufzunehmen. Anfang März startete der Konzern aus Cupertino zudem eine aufwendige Kampagne, in der gezielt Spiele-Apps beworben werden, bei denen die Devise „einmal zahlen, endlos spielen“ gilt. Dennoch stellen beide Plattformen immer noch keine Möglichkeit zur Verfügung, die betroffenen Apps auf einen Blick zu erkennen. Bislang existieren nur zwei Kategorien – kostenlos und kostenpflichtig. Ein einfaches Herausfiltern von „Freemium“-Apps ist bis dato noch nicht vorgesehen.

Sicher ist sicher – In-App-Käufe besser deaktivieren

Mittlerweile bieten beide Mediengiganten die Möglichkeit an, In-App-Käufe gänzlich zu deaktivieren oder mit einem Passwortschutz zu versehen. Abhängig vom verwendeten Gerät und der jeweiligen Betriebssystemversion können hier jedoch unterschiedliche Schritte notwendig sein. Das kann Zeit und Nerven kosten, doch besorgte Eltern sollten hier auf jeden Fall die notwendige Recherchearbeit investieren, um sich und ihren Nachwuchs in Zukunft zu schützen. Und letztlich tut auch hier Dialog not. Für Aufklärung über die Gefahren der auf den ersten Blick unscheinbaren Unterhaltungsspender zu sorgen, ist sicher anzuraten. Doch letztlich handelt es sich hierbei nur um die halbe Miete. Noch wichtiger ist vielmehr, dass iPad und Smartphone nicht als elektronischer Babysitter zum Einsatz kommen. Vielmehr sollte sich jeder Elternteil auch mit dem auseinandersetzen, was auf dem Touchscreen geschieht, um nachher böse Überraschungen zu vermeiden. Auch wenn dies bedeuten sollte, zusammen mit dem Nachwuchs gelegentlich die eine oder andere Fuhre „Schlumpfbeeren“ zu erstehen.

Die Gefahr bleibt (vorerst) bestehen

Dennoch ist die Popularität des Geschäfts mit dem Spieltrieb weiterhin ungebrochen – wohl weil sich mit weitaus weniger Aufwand die Profitmargen hochpreisiger Spieleproduktionen problemlos übertreffen lassen. Zudem bleibt die Rückerstattung von In-App-Käufen rechtlich ein schwieriges Unterfangen. Denn eine gesetzliche Grundlage für einen Umtausch fehlerfreier Waren und somit auch Software gibt es bislang nicht. Wer also unbeabsichtigt bei In-App-Käufen „zugeschlagen“ hat, besitzt keine andere Möglichkeit, als auf die Kulanz des jeweiligen Anbieters zu hoffen, wobei am besten mit dem Hersteller der App selbst Kontakt aufgenommen werden sollte. Denn an diesen wird die für den In-App-Kauf getätigte Zahlung letztlich abgeführt und dieser hat die Art und Weise der Integration der Bezahl-Features in den Spielablauf zu verantworten. Bevor hier mehr Sicherheit geschaffen wird, bleibt „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ auch weiterhin die beste Strategie.

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: