Inkasso durch alle?

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Das BGH-Urteil ­ - Az. VIII ZR 285/18 v. 27.11.2019 - hat die Aktivitäten der Legal Tech-Branche nicht auf eine rechtssichere Grundlage gestellt. 

Kaum ein anderes Urteil sorgte jüngst für so viel Aufmerksamkeit zwischen Anwaltschaft und Legal Tech-Unternehmen, wie die "Lexfox"-Entscheidung 

Internetplattformen wie ,,weniger-miete.de“ (mittlerweile CONNY), ,,myright.de“ oder ,,geblitzt.de“ versprechen den Rechtssuchenden in automatisierten Online-Verfahren zum Erfolg. Einen Startschuss hierfür gab die "Lexfox"-Entscheidung. Dem Grunde nach wurde der BGH mit der Frage konfrontiert, ob die Aktivitäten des Betreibers der Internetseite, ,, weniger-miete.de“ von dem RDG gedeckt sind.

Worum ging es in der Entscheidung?

Klägerin war ein Unternehmen, welches über eine Registrierung gemäß § 10 Abs. I Nr. 1 RDG für den Sektor der Inkasso-Dienstleistung verfügte. Das Unternehmen macht aus abgetretenem Recht eines Wohnraummieters Auskunftsansprüche sowie Ansprüche auf Rückzahlung von zu viel gezahlter Miete und Rechtsverfolgungskosten geltend. Unter Hinweis auf die Abtretung rügte die Klägerin bei dem Vermieter einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe nach dem Berliner Mietspiegel gemäß den §§ 566 ff. BGB.

Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung 

Nach langem Ringen wurde das Legal-Tech-Gesetz zum 01.10.2021 verabschiedet (Entwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 10. August 2021, Bundesgesetzblatt Jahr-gang 2021 Teil I Nr. 53, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2021, 3415).

Anlass hierfür war es die Anwaltschaft und Inkassodienstleister –zumindest vorübergehend zufrieden zu stellen Buchholtz, Jus 2017, 955 ). Insofern sollte das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt beitragen ( Günther, MMR 2021, 764 ) Daher wurde das "Lexfox"-Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH von der Pressemitteilung des Gerichts als Grundsatzentscheidung medienwirksam. Zu beachten ist jedoch, dass, obwohl die Entscheidung des BGH als Grundsatzentscheidung tituliert wird, diese keine hundertprozentigen Maßstäbe bietet, anhand derer der Inkassodienstleistungsmarkt beurteilt werden kann. Sicherlich enthält das Urteil eine Reihe dankenswerter Klarstellung. Nichtsdestotrotz lässt die Entscheidung einzelne Fragen offen Tolksdorf, ZIP 2021, 2049 ) 

Nicht nur wir, Dr. Krieg & Kollegen Rechtsanwälte aus Köln, stehen derartigen Geschäftsmodellen mit großer Besorgnis entgegen.

Legal Tech-Inkasso: –Status Quo

Insbesondere ist in gerichtlicher Hinsicht abzuwarten, welche konkreten Leistungen von nicht-anwaltlichen Dienstleistern mit dem RDG vereinbar sind. Angesichts der fortstreitenden Tendenz zur Ausbreitung neuer Rechtsleistungsangebote werden sich die Gerichte auch in näherer Zukunft weiterhin mit neuen Rechtsfragen rund um Legal Tech auseinandersetzen müssen Skupin, RDi 2022, S.63, Rn. 20 ) 

Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass der mit der Implementierung von Legal Tech einhergehende Wandel auch Gefahren mit sich bringt – dies nicht zuletzt für die Rechtspflege und für den Verbraucher. Die Freigabe aller Inkassotätigkeiten wirkt sich unabwendbar zum Nachteil der Verbraucher aus Römermann, RDi 2021, 217 Rn. 39-40 ).

Daher lehnt die Bundesrechtsanwaltskammer zurecht einen sich unterhalb der Anwaltschaft etablierenden Rechtsdienstleistungsmarkt mit Vehemenz ab. Die BRAK geht viel mehr von einer Gefährdung als einer Förderung des Verbraucherschutzes aus. Es droht eine Aushöhlung von Kernwerten und damit der Wegfall fundamentaler rechtsstaatlicher Prinzipien, infolgedessen auch die Unabhängigkeit der Anwaltschaft gefährdet wird ( BRAK: Scharfe Kritik am ,,Legal Tech-Gesetz“, Presseerklärung Nr. 22/2020 vom 07.12.2020; online unter https://www.brak.de/presse/presseerklaerungen/2020/presseerklaerung-22-2020 ).

Der Gesetzgeber hat mit der Reform des RDG den richtigen Weg eingeschlagen, um Klarheit hinsichtlich elementarer Grundsatzfragen der Zulässigkeit von Legal Tech zu regeln. Maßgeblich hat hierzu das "Lexfox"-Urteil beigetragen.  Im Rahmen des Urteils wird nicht hinreichend berücksichtigt und erörtert, welchen Umfang die Rechtsgestaltung haben darf und wie viel Rechtsberatung bei gewerbsmäßiger Einziehung fremder Forderungen durch andere Legal Tech-Unternehmen nunmehr zulässig ist Flegler/Wolf, Das neue Legal-Tech-Gesetz Viele Fragen bleiben offen; https://www.lto.de/recht/juristen/b/neues-legal-tech-gesetz-anwaltliches-berufsrecht-erfolgshonorare-viele-fragen-bleiben-offen )

Das Urteil hat mit Sicherheit grundlegende Rechtsfragen in dem höchst kontroverseren Umfeld von digitalen Rechtsdienstleistungen durch Legal Tech-Anbietern überzeugend gelöst. Dennoch stellt das Urteil lediglich klar, dass die Zulässigkeit einzelner Legal Tech-Unternehmen von einer Einzelfallprüfung abhängt Prütting, ZIP 2020, 49 (52) ).

Die Entscheidung des BGH suggeriert, dass nunmehr alle Legal Tech-Geschäftsmodelle höchstrichterlich legitimiert seien. Dieser Eindruck täuscht allerdings erheblich. Und dies gerade deshalb, weil sich das Wort ,,noch“ auf-fällig häufig im Tenor lesen lässt (Prütting, ZIP 2020, 49 (52)). Das Wort ,,noch“ inkludiert klarstellend, dass die Erwägungen und die rechtliche Prüfung nur in diesem einen besonderen Fall gelten Prütting, ZIP 2020, 49 (50) )

Die Neugestaltung gibt zumindest aus Sicht der Anwaltschaft (alternativ: aus unserer Sicht) dahingehend Anlass zu Kritik, als dass die letzte Anpassung der Anwaltsvergütung einige Zeit zurück liegt und eine spürbare Verringerung der Anwaltsvergütung aus Anwaltssicht nicht gerade zu begrüßen ist ( Mayer, ZIP 2020, 9 (11) ). Eine Inkohärenz ist dem Gesetzgeber daher nur unter dem Vorbehalt eines Verbesserungsbedarfes gelungen Rücker/Bell, NJOZ 2022, 545 (548) ).

Fazit

Abschließend ist festzuhalten, dass sich Legal Tech-Unternehmen darüber im Klaren sein müssen, dass sie originär anwaltlich geprägte Tätigkeiten nicht dauerhaft ohne die Anwaltschaft übernehmen können. Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Gesetzgeber eine liberale Haltung zu Gunsten der Legal Tech-Branche eingenommen hat Leeb/Hotz, ZUM 2021, 379 (283) ).

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