Insolvenz in Eigenverwaltung: Geschäftsführer bleibt in der Geschäftsleitung, kontrolliert durch den Sachwalter

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Das bekannte Augsburger Modehaus Rüsamen ist insolvent. Wie die Kanzlei Pluta Rechtsanwalts GmbH mitteilte, hat der Geschäftsführer im Anfang 2024 einen Antrag auf ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren beim Amtsgericht Augsburg gestellt. Diesem ist das Gericht gefolgt. Anwalt Georg Jakob Stemshorn von der Kanzlei Pluta wurde zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Durch dieses Verfahren kann Rübsamen Sanierungsmaßnahmen in Eigenregie durchführen und den Geschäftsbetrieb unter der bisherigen Geschäftsleitung fortführen.

Die Eigenverwaltung ist laut den §§ 270 InsO  die Möglichkeit des Schuldners, die Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sachwalters selbst zu verwalten und über sie zu verfügen. Der eigen-verwaltende Schuldner wird so gleichsam  zum Insolvenzverwalter in eigener Sache. In der Praxis wird - wie hier- die bisherige Geschäftsleitung durch einen Fachmann im Bereich Insolvenz und Sanierung verstärkt- meist einen erfahrenen Fachanwalt für Insolvenzrecht.

1. Zur Historie
a) Eigenverwaltung in der InsO
Im Jahr 1999 wurde die Eigenverwaltung in die Insolvenzordnung eingeführt. Die Eigen-verwaltung sollte eine Ausnahne sein.
b)ESUG
Mit dem dem ESUG - Abkürzung „ESUG“ steht für das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, das 2012 in Kraft getreten ist, wurde die Eigenverwaltung neu gestaltet und die Eingangsvoraussetzungen gesenkt. Die Eigenverwaltung sollte jetzt der Regelfall sein.
c)SanInsFoG
Zu Beginn des Jahres  2021 erfolgte eine Neugestaltung des Sanierungs- und Restrukturierungsrecht, einschließlich der  Eigenverwaltung durch das Gesetz zur Fort-entwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG). Manche kritisieren, dass die Eingangsvoraussetzungen für die Eigenverwaltung wieder erheblich erhöht wurden.
Zu Beginn des Jahres 2021 wurden auch die Insolvenzantragsregelungen der InsO allgemein nachjustiert, zum anderen die Sondertatbestände des COVInsAG verlängert sowie teilweise erweitert.

2. Ziele der Reform und Regierungsentwurfs
Wie ist es aktuell in der Praxis mit der Eigenverwaltung - hat sich die Reform bewährt- welche Chancen hat die Eigenverwaltung?
a) Es sollte die ESUG Evaluation umgesetzt werden. Insolvenzanträge sollte früher gestellt und die Ergebnisse in den Insolvenzverfahren für Gläubiger sollten verbessert werden.
b) Die Interessen der Gläubigerschaft sollte verbessert werden - u.a Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses
c) Die Unabhängigkeit des Sachwalters sollte gesichert werden
d) Die Haftung des Sachwalters sollte geregelt werden
e) Die bis dato uneinheitliche Praxis sollte abgebaut und dadurch mehr Rechtssicherheit geschaffen werden.
f) Der Regierungsentwurf sah nicht vor, dass in der Eigenverwaltung zwingend eine Sanierung stattfinden muss- auch eine Liquidation ist daher möglich oä.
g) Begründung von Masseverbindlichkeiten wurde jetzt gesetzlich geregelt
§ 270 c IV InsO. Es soll aber keine Globalermächtigung mehr erfolgen. Adressat der Anordnung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes der eigenverwaltenden Schuldner.
h) Schutzschirmverfahren gibt es immer noch - auch nach der Reform
i) Vor Einleitung des Verfahrens ist ein Vorgespräch mit dem Gericht möglich.

3. Voraussetzung und Zugang zur Eigenverwaltung nach § 270 a Abs.1 und § 270 b Abs. 1 S.1 InsO
a) Antrag des Schuldners
b) Eigenverwaltungsplanung § 270 b Abs.1 S.1 InsO
aa) Finanzplanung
fundierte, sichere Finanzplan mit der Darstellung der Finanzierungsquellen
bb) Konkretes Sanierungskonzept für das Insolvenzverfahren, welches die Art und Ausmaß und Ursachen der Krise, das Ziel der Eigenverwaltung und die Maßnahmen beschreibt
cc) Verhandlungsstand
Darstellung des Verhandlungsstandes mit den Gläubigern und den an der Schuldnerin beteiligten Personen und anderen Dritten
dd) Pflichten
Darstellung der Sicherung der Erfüllung insolvenzrechtlicher Pflichten
ee) Vergleich
Vergleichsrechnung mit Erläuterungen zu möglichen Mehr- und Minderkosten der Eigenverwaltung zur Regelabwicklung im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse.
 Auch sämtliche zu erwartenden Beraterkosten sind darzustellen.
c) Zusatzerklärungen
Zusatzerklärungen, die kein Bestandteil der Eigenverwaltungsplanung sind, müssen vorgelegt werden gemäß § 270 a Abs.2 InsO
aa) Erklärung zu Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern
bb) Erklärung zu Vollstreckungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren
cc) Erklärung über die Erfüllung der handelsrechtlichen Offenlegungspflichten innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre
d) Prüfung der Vollständigkeit, Schlüssigkeit und offenkundige Fehler durch das Gericht gemäß § 270 b Abs.1 S.1 Nr. 1 InsO (die Prüfung kann auf den vorläufigen Sachwalter abgewälzt werden)
e) Es dürfen keine Umstände bekannt sein, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht,
§ 270 b Abs.1 S.1 Nr. 2 InsO (vgl. auch Erläuterungen im Regierungsentwurf)
f) Schuldner muss in der Lage sein, die Geschäftsführung an den Interesseen der Gläubiger auszurichten.

4. Nutzung der Eigenverwaltung
Für die Kunden und bisherigen Geschäftspartner erfolgen durch die Eigenverwaltung geringere Eingriffe. Die Sanierungschancen werden weiter verbessert. Die Gerichte müssen/sollen  offen für Eigenverwaltungen sein.

5. Eine nützliche Entscheidung:
Zur Schlüssigkeit von Sanierierungskonzepten: Urteil BGH  vom 12.5.2016 IX ZR 65/14 in BGHZ 210, 248



    Hermann Kulzer MBA
    Fachanwalt für Insolvenzrecht
    Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
    Wirtschaftsmediator
    tätig in: Dresden, Leipzig, Berlin, Cottbus, München, Augsburg, Nürnberg

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