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Internetanbieter muss bei Urheberrechtsverletzungen rechtsverletzende Inhalte sperren

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Nachdem die Unionsmarke zu dem Filmtitel „Fack Ju Göthe“ zu Beginn dieses Jahres in einem aufsehenerregenden Urteil für sittenwidrig erklärt wurde (vgl. EuG, Urteil vom 24.01.2018 – T-69/17), ist Teil drei der Filmreihe erneut Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Das OLG München entschied, dass ein Internetanbieter (sog. Internet-Access-Provider) auf Grundlage von § 8 I 1 TMG als Störer verpflichtet sein kann, den Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten zu sperren (OLG München, Urteil vom 14.06.2018 – 29 U 732/18). 

Das Urteil erging in dem Rechtsstreit zwischen der Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Film „Fack Ju Göthe 3“ und einem Internet-Access-Provider, über die Sperrung des Zugriffs auf den Film über die Streaming-Plattform „KINOX.TO“. Bereits am 07.11.2017, lediglich zwölf Tage nach Kinostart, konnte der Film über die sich auf „KINOX.TO“ befindlichen Links zu Sharehostern gestreamt werden. Das Streaming ist dabei als Verletzung des Vervielfältigungsrechts nach § 16 UrhG zu werten. 

Unterlassungsanspruch und Störerhaftung 

Der Rechtsauffassung des Gerichts zufolge, ergibt sich dieser aus den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung (§ 1004 BGB analog), welche über § 7 III 1 TMG Anwendung finden. Nach § 7 III 1 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen auch im Fall der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters unberührt.  Jedoch kann als Störer bei der Verletzung absoluter Rechte in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (vgl. BGH, Urteil vom 26. 11. 2015 – I ZR 174/14). Voraussetzung für die Störerhaftung ist die Verletzung von Prüfpflichten. Zwar trifft den Diensteanbieter nach § 7 II TMG keine allgemeine Pflicht zur Erforschung rechtswidriger Tätigkeiten auf Grundlage der von ihnen angebotenen Dienste. Eine Prüfpflicht des Diensteanbieters im Hinblick auf die Vermittlung des Zugangs zu einem urheberrechtlich geschützten Werk – im konkreten Fall also zu dem Film –, kann jedoch entstehen, nachdem er von der Rechteinhaberin bzw. dem Rechteinhaber auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 26. 11. 2015 – I ZR 174/14). 

Sperranspruch auf Grundlage von § 7 IV TMG auch gegen Internet-Access-Provider?

Jedoch wirft eine nur kurze Zeit später ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einem Rechtsstreit, dem ein nahezu identischer Sachverhalt zugrunde liegt, ein neues Licht auf die rechtliche Bewertung des Falls (vgl. BGH Urteil vom. 26.07.2018 – I ZR 64/17). Danach wird der Anwendungsbereich des §§ 7 IV, 8 III TMG dahingehend erweitert, dass er in analoger Anwendung gegen alle Access-Provider, nicht nur gegen WLAN-Access-Provider, geltend gemacht werden kann.   

Maßgebend für die Begründung der Analogie ist nach höchstrichterlicher Rechtsauffassung der Begriff des Diensteanbieters im Sinne von § 2 I 1 Nr. 1 TMG, worunter jede natürliche oder juristische Person fällt, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird, die Zugangsvermittlung privat, gewerblich oder im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt, ist unerheblich. Alle diese Formen der Zugangsvermittlung fallen in den Anwendungsbereich des § 8 TMG. Die Differenzierung zwischen drahtloser und drahtgebundenere Zugangsvermittlung kann insoweit dahinstehen.

Daher ist es geboten, den Anwendungsbereich des Sperranspruchs nach § 7 IV TMG im Wege der Analogie auf Access-Provider drahtgebundener Internetzugänge zu erweitern. Dies verändert die Rechtslage auch dahingehend, als dass der Sperranspruch des § 7 IV TMG ein aktives Tun zum Gegenstand hat. Bei der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, der eine Sperrung zum Inhalt hat, ist, wie bereits dargelegt, ein entsprechendes klägerisches Begehren erforderlich. 

In diesem Punkt stehen OLG- und BGH-Urteil in direktem Widerspruch zueinander. Das OLG sieht § 7 III 1 TMG als Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsanspruch in Gestalt eines Sperranspruchs und führt aus, dass sich die Vorschrift nicht auf ein aktives Tun bezieht. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wird, umfasst regelmäßig nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands. Das gilt insbesondere auch für Diensteanbieter, die wegen der Verletzung von Prüfpflichten als Störer in Anspruch genommen werden; deren Unterlassungspflicht bezieht sich darauf, die erforderlichen und ihnen zumutbaren Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung und zur Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen zu ergreifen (vgl. OLG München, Urteil vom 14.06.2018 – 29 U 732/18, Rn. 33).

Ursächlich für diese Diskrepanz ist, dass sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zur analogen Anwendung von § 7 IV TMG von seiner bisherigen Rechtsprechung auf Grundlage der Störerhaftung für Access-Provider lossagt. 

Fazit

Insofern ist festzuhalten, dass die Inanspruchnahme von Internetanbietern (sog. Access-Providern) drahtgebundener Internetzugänge auf Sperrung nun nach § 7 IV TMG analog möglich ist. Damit können nun nicht mehr nur WLAN-Access-Provider, sondern auch die allgemeinen Internetanbieter in die Haftung genommen werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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