Ist das Aufstellen von Ampel-Galgen strafbar? (Bauernproteste)

  • 6 Minuten Lesezeit

Deutschlandweit wurden in den letzten Wochen zahlreiche Ampelgalgen aufgestellt, insbesondere im Rahmen der Bauernproteste. Dies wirft vermehrt die Frage auf, ob das Aufstellen von Ampelgalgen strafbar ist bzw. ob die Aufsteller der Ampel-Galgen strafrechtliche Konsequenzen befürchten müssen.
 
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 15.01.2024, dass der Kreisverband der Grünen in Passau Strafanzeige erstattet hat und die Staatsanwaltschaft daher Vorermittlungen wegen eines im Landkreis Passau aufgestellten Galgens mit einem Ampelsymbol aufgenommen hat. Diese prüft nun, ob Straftatbestände in Betracht kommen. Der vollständige Artikel ist nachzulesen auf: https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-passau-gruene-galgen-1.6333140
"Tötungsabsicht" - Polizei ermittelt wegen "Ampel-Galgen" - das droht Landwirten“ – so tituliert die Seite www.infranken.de am 15.01.2024. Der vollständige Artikel ist abrufbar unter https://www.infranken.de/bayern/ampel-galgen-bayerische-polizei-ermittelt-nach-protesten-das-droht-landwirten-art-5818582

Dies zeigt die strafrechtliche Brisanz des Themas.
 
Welche Straftatbestände durch das Aufstellen der Ampel-Galgens in Betracht kommen und weshalb die Verfasserin der Meinung ist, dass das Aufstellen eines Ampel Galgens nicht strafbar ist, zeigt der nachfolgende Artikel auf.

Bei den Bauernprotesten bewegen sich die Landwirte im Schutzbereich der Meinungsfreiheit, Art 5 GG. Auch wenn deren Äußerungen zum Teil geschmacklos sind, sind diese nicht zugleich strafbar.


1. Welche Straftatbestände kommen in Betracht? 

  • Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen, § 90b StGB,
  • Öffentliches Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB,
  • Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 StGB,
  • Billigung von Straftaten, § 140 StGB,
  • Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, § 188 StGB,
  • Bedrohung, § 241 StGB,
  • Volksverhetzung, § 130 StGB.


2. Beurteilung der Strafbarkeit 

a) § 90b StGB. Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen.

Harte politische Kritik ist von den Verfassungsorgangen aufgrund deren Exponiertheit im politischen System grundsätzlich hinzunehmen. Neben einer bloßen Verunglimpfung der Regierung steht durch das Aufstellen der Galgen eine mögliche Meinungsäußerung im Raum, insb. im Gesamtkontext mit den Bauernprotesten und den damit verbundenen inhaltlichen Forderungen bzw. politischer Kritik. Bloße „geschmacklose“ Äußerungen und politische Kritik als solche sind grundsätzlich nicht tatbestandsmäßig, d.h. nicht strafbar. Anders wäre es nur, wenn die Meinungsäußerung einen Aufruf zur Gewalt darstellt.
 
Für einen Aufruf zur Gewalt durch das Aufstellen des Ampel-Galgens fehlt es an einer hinreichend konkreten Äußerung diesbezüglich, zumal die Meinung im Rahmen der politischen Auseinandersetzung kundgetan wurde. Diese politische Auseinandersetzung steht klar im Vordergrund.


b) § 111 StGB. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (Mord/Totschlag).

Der Täter muss zu einer bestimmten Tat auffordern, hier z.B. zu einem Mord oder Totschlag. Dabei müssen Hinweise auf Zeit, Ort und Opfer erteilt werden. Die Äußerung des Täters muss erkennbar darauf abzielen, seine Adressaten unmittelbar zur Begehung der Straftaten zu motivieren. Durch das Aufstellen eines Ampelgalgens ist weder mitgeteilt worden, wann, wo und wer umgebracht werden soll.
 
Vor allem ist vorliegend maßgeblich, ob ein vernünftig denkender Mensch, der den Ampelgalgen sieht, diesen als eindeutigen und ernsthaften Aufruf zur Begehung eines Mordes oder Totschlags verstehen würde. Hier müssen alle Gesamtumstände der konkreten Situation berücksichtigt werden.


Durch das Aufstellen des Ampel-Galgens werden keine konkret bestimmten Personen in Verbindung mit dem Galgen gebracht, sondern lediglich eine allgemeine Darstellung der Zusammensetzung der Regierung; eine Ampel selbst oder die Regierung als damit bezeichnetes Verfassungsorgan kann nicht Opfer eines Tötungsdelikts sein.
 
Das Aufstellen des Galgens kann als überspitzte, aber noch sachliche Auseinandersetzung lediglich mit der Politik der Regierung, der ein Ende bereitet werden soll, interpretiert werden. Es handelt sich offenkundig nicht um einen unzweifelhaften Aufruf zur Begehung eines Mordes oder Totschlages. Im Vordergrund steht die Meinungsäußerung.


Selbst wenn man tatsächlich - vollkommen abwegig - davon ausgehen sollte, dass es sich um eine öffentliche Aufforderung zur Begehung einer Tötung handelt, wird z.T. auch direkt aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) ein Rechtfertigungsgrund abgeleitetvgl. Fischer-StGB Rn. 14 zu § 111. Damit scheidet eine Strafbarkeit aus.



c) § 126 StGB. Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 

Das bloße Symbolbild des Galgens mit der daran hängenden Ampel im Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung stellt für einen vernünftigen Beobachter kein In-Aussicht-Stellen eines bevorstehenden Mordes / Totschlags dar. Eine Strafbarkeit nach § 126 StGB scheidet daher aus.



d) § 140 StGB. Billigung von Straftaten

Tatbestandsmäßig sind nur solche Äußerungen, die „aus sich heraus verständlich“ sind und „als solche unmittelbar und ohne Deuteln erkannt“ werden.


Grundsätzlich ist zwar auch das Billigen von noch nicht begangenen Straftaten strafbar. (Wortlautvergleich Nr. 1 zu Nr. 2); Diesbezüglich ist jedoch eine restriktive Auslegung angezeigt, da anderenfalls eine mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) problematische Ausdehnung der Vorfeld-Strafbarkeit zu befürchten ist, vgl. etwa Fischer-StGB Rn. 8 zu § 140: Das ausdrückliche Wünschen, jemandem möge Schlimmes angetan werden, ist in den meisten Fällen nicht wörtlich zu nehmen, sondern Ausdruck von Herabsetzung.
 
Im Aufstellen eines Ampel-Galgens liegt keine Billigung eines Totschlags oder Mordes. Eine konkrete Tat ist mangels Konkretisierung eines Opfers nicht hinreichend erkennbar; Die Aufstellung des Ampel-Galgens stellt eine mehrdeutige Äußerung dar, die auch als politische Auseinandersetzung verstanden werden kann.



e) § 188 StGB. Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung 

Mögliche Adressaten der Beleidigung durch das Aufstellen des Ampel-Galgens sind:


  • Die Bundesregierung als solche und
  • einzelne Regierungsmitglieder

Auch Behörden können beleidigt werden. Regierungsmitglieder als natürliche Personen sind grundsätzlich als geschützte Personen erfasst. Sie können als Angehörige einer Personenmehrheit unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt werden.
 
Im Rahmen von Demonstrationen oder wie vorliegend den Bauernprotesten muss eine etwaige Strafbarkeit von Äußerungen unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit betrachtet werden.


Die Strafbarkeit von Beleidigungen stellt eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG dar. Ihr elementarer Stellenwert als ein die freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierendes Grundrecht ist bereits bei der Auslegung von Äußerungen zu berücksichtigen. Erweist sich demnach die fragliche Äußerung als mehrdeutig und lässt sie verschiedene Interpretationen zu, von denen nicht jede strafrechtliche Relevanz erfährt, darf der Tatrichter nur dann von einer zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, wenn er alle anderen, nicht strafbaren Auslegungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen hat, vgl. BeckOK-StGB/Valerius Rn. 31 zu § 185. Bei mehreren Deutungsmöglichkeiten ist der Meinungsfreiheit der Vorzug zu geben. Das Aufstellen des Ampel-Galgens hat einen konkreten Bezug zur aktuellen Politik. Es sind keine tragfähigen Gründe ersichtlich, die Auslegung des Symbolbildes „Ampelgalgen“ nicht als (noch) sachliche Auseinandersetzung mit der Politik zu werten.


Selbst wenn der Tatbestand der Beleidigung bejaht werden sollte, erfolgt eine Rechtfertigung über die Meinungsfreiheit nach § 193 StGB iVm Art. 5 Abs. 1 GG;
 
Vgl. BVerfG NJW 1995, 3303: Die Meinungsfreiheit ist schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Ordnung. Dies macht deutlich, welchen Stellenwert die Meinungsfreiheit hat.


Das Symbol des Galgens wendet sich an die Bundesregierung bzw. an Einzelpersonen jedenfalls in ihrer Funktion als Regierungsmitglieder, sodass der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG in der Abwägung besonderes Gewicht zukommt; aufgrund des (noch) klaren Bezugs zu einer sachlichen Kritik der Bundesregierung wäre in dieser Abwägung der Meinungsfreiheit der Vorzug zu geben, so dass eine Strafbarkeit nach § 188 StGB ausscheidet.



f) § 241 StGB. Bedrohung

Adressat der (Be-)Drohung kann nur ein Mensch, d.h. eine natürliche Person sein. Die Drohung muss sich gegen eine (oder mehrere) konkret bestimmte Person(en) richten und diese – ggf. über Dritte – erreichen. Juristische Personen oder sonstige Personengemeinschaften sind nicht erfasst, vgl. BeckOK-StGB/Valerius Rn. 2 zu § 241.
 
Der Ampel-Galgen richtet sich an die Bundesregierung. Diese kann nicht bedroht werden. Eine Strafbarkeit wegen Bedrohung nach § 241 StGB scheidet aus.

g) Volksverhetzung, § 130 StGB.

Dieser Straftatbestand ist nicht einschlägig. Das Thema Volksverhetzung wird im Rahmen der Bauernproteste vermutlich diskutiert wird, weil den Landwirten unterstellt wird, zu hetzen. Dies hat aber mit dem Straftatbestand der Volksverhetzung nichts zu tun.

Zusammenfassung:
Anhand der detaillierten Prüfung der einzelnen in Betracht kommenden Straftatbestände wird deutlich, dass der Meinungsfreiheit im Rahmen der Bauernproteste erhebliche Bedeutung zukommt. Das Aufstellen des Ampel Galgens erfüllt keinen der oben genannten Straftatbestände bzw. wäre über die Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Es ist damit nicht strafbar.


Rechtliche Hinweise


Sämtliche Informationen in unseren Rechtstipps dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine Beratung durch einen Anwalt nicht ersetzen. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Bereits durch kleine Änderungen beim Sachverhalt kann sich die rechtliche Einschätzung vollständig ändern. Außerdem ändert sich u.U. die Rechtslage, so dass die Inhalte u.U. veraltet sein können.

Wenn Sie konkreten Beratungsbedarf haben, kontaktieren Sie uns gerne. 
Rechtsanwaltskanzlei Dipl. Jur. Stefanie Lindner, Passau

0851/96693915
kanzlei@ralindner.de



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dipl.Jur Stefanie Lindner

Beiträge zum Thema