Ist eine Kündigung wegen privater, verächtlicher Chat-Nachrichten wirksam?

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Mit dieser Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg [21 Sa 1291/20] zu befassen, nachdem eben solche Nachrichten des Arbeitnehmers aufgetaucht waren. Wie das Gericht den Sachverhalt bewertete, dazu mehr.

Was war passiert?

Der Kläger war für den Beklagten - einen gemeinnützigen Verein auf dem Gebiet der Flüchtlingshilfe - als technischer Leiter tätig, ein direkter Kontakt zu den Flüchtlingen oder den anderen Flüchtlingshelfern erfolgte in der Regel nicht. Nachdem ein anderer Mitarbeiter gekündigt worden war kamen Äußerungen des Klägers im Rahmen eines privaten WhatsApp-Chats ans Licht. Diese Äußerungen waren dabei äußerst herabwürdigend und menschenverachtend und bezogen sich sowohl auf Kollegen und Helfer, als auch auf Flüchtlinge. Letztlich erhielt auch die Presse Kenntnis von den Äußerungen des Klägers, wodurch sich die Beklagte zur fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt sah.

Wie entschieden die Gerichte?

Zunächst hatte sich das Arbeitsgericht Brandenburg mit der Angelegenheit zu befassen - und wies die Klage ab. Unter Berücksichtigung der Umstände, insbesondere dass die Äußerungen im privaten Kreis unter Arbeitskollegen getätigt wurden, könnten diese Äußerungen nicht für die Kündigung herangezogen werden. Der Kläger konnte und musste darauf vertrauen, dass seine Äußerungen privat bleiben und nicht nach außen getragen werden. Hieran scheitere die verhaltensbedingte Kündigung wegen der Äußerungen des Klägers. Hiergegen legte der beklagte Verein Berufung ein, über welche nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hatte.

Doch auch das LAG sah die Kündigung aufgrund der getätigten Äußerungen als unwirksam an und bestätigte somit zunächst die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Äußerungen könnten nicht als Pflichtverletzung des Klägers angesehen werden, weil diese - so verächtlich und menschenverachtend sie auch sein mögen - im engsten Kreise im Rahmen eines privaten Chats erfolgten und erkennbar auf Vertraulichkeit ausgelegt waren. Insbesondere die private Kommunikation sei jedoch grundrechtlich geschützt und falle unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Weil deutlich erkennbar gewesen sei, dass die Äußerungen privat und vertraulich bleiben sollten und der Kläger zudem keinerlei unmittelbaren Betreuungsaufgaben mit Geflüchteten wahrnahm, könne die persönliche Eignung des Klägers hinsichtlich seiner Arbeitsaufgaben nicht negativ beurteilt werden. Aus dem Chatverlauf konnte die Kündigung daher nicht begründet werden.

Besteht das Arbeitsverhältnis weiterhin fort?

Nein, das Arbeitsverhältnis wurde - trotz der benannten Punkte - dennoch gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Einen solchen Antrag hatte der beklagte Verein gestellt. Diese Möglichkeit ergibt sich grundsätzlich für beide Parteien aus dem Kündigungsschutzgesetz. Auf Antrag kann das Gericht das Arbeitsverhältnis - trotz unwirksamer Kündigung - gegen Zahlung einer Abfindung auflösen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Betriebszwecke für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist. Nach Ansicht des LAG war dies vorliegend der Fall, denn nachdem die Äußerungen an die Presse gelangt waren stand der Verein unter besonderem Augenschein der Öffentlichkeit. Als Verein, der sich der Aufnahme, Betreuung und Unterstützung von Flüchtlingen widme, sei es nicht tragbar - und auch nicht glaubwürdig vermittelbar - die Zusammenarbeit mit dem Kläger fortzuführen. Auch die Gewinnung neuer ehrenamtlicher Mitarbeiter sei unter diesen Voraussetzungen unzumutbar erschwert.

Der Kläger erhielt somit für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung - deren Höhe richtete sich nach den Umständen und dürfte sowohl die Verursachung durch seine Äußerungen, als auch die Vertraulichkeit dieser Äußerungen berücksichtigt haben.

Fazit

Zwar ist das Verfahren derzeit noch im Rahmen der Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig, es bleibt jedoch festzuhalten, dass der Bereich privater Lebensführung auch weiterhin grundsätzlich nicht als Grundlage einer Kündigung herangezogen werden darf. Ausnahmen gelten jedoch, wenn sich das private Verhalten letztlich auf die arbeitsvertraglichen Pflichten auswirkt. In dem geschilderten Fall sprach es daher auch zugunsten des Klägers, dass dieser aufgrund seiner Position als technischer Leiter keinen direkten Kontakt zu Flüchtlingen oder gar zu den Helfern ausübte und dass die Äußerungen in einem erkennbar privaten Rahmen erfolgten.

Letztlich bleibt abzuwarten, ob das BAG die Entscheidung bekräftigt und wie es sich diesbezüglich äußert - ein Update finden Sie dann an dieser Stelle.


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