Kann man eigentlich bei Aussage gegen Aussage verurteilt werden?

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Die Antwort ist wie immer bei Juristen: es kommt darauf an.

Eine sogennate Aussage-gegen-Aussage-Konstellation liegt dann vor, wenn sich der Tatverdacht gegen den Beschuldigten oder Angeklagten nur auf die Aussage eines einzigen Zeugen oder einer einzigen Zeugin- in der Regel  das vermeintliche Opfer der Tat – stützt.

Ähnliches gilt wenn es zwar mehrere Zeugenaussagen gibt, diese jedoch allesamt eindeutig demselben Lager zu zuordnen sind.

Während das vermeintliche oder tatsächliche Opfer bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation den Tatvorwurf erhebt und einen strafbaren Sachverhalt vorträgt,  schildert der Beschuldigte einen Ablauf, welcher kein strafbares Handeln enthält, oder bestreitet die Vorwürfe in Gänze.

Ob der Beschuldigte oder Angeklagte in so einer Konstellation schweigen oder aussagen soll, muss mit einem erfahrenen Verteidiger ausführlich erörtert werden. Ohne eine detaillierte Aussage des Beschuldigten oder Angeklagten ist aber in der Regel die Verteidigung wesentlich schwieriger, da es dann nur eine Sachverhaltsschilderung – nämlich vom verneintlichen Opfer – gibt.

Das Besondere ist, dass es eben keine anderen unmittelbar tatbezogenen Beweise gibt. Solche Konstellationen kommen vor allem im Bereich von Sexualdelikten vor. Hier gibt es oftmals außer dem Beschuldigten und dem mutmaßlichen Opfer keine weiteren Zeugen , die über den unmittelbaren Tathergang aus eigenem Erleben berichten können. Wenn dann noch Sachbeweise wie etwa Verletzungen oder DNA-Spuren fehlen oder im wenig aussagekräftig sind, steht es Aussage gegen Aussage.

Spontan könnte man dann an den Grundsatz „in dubio pro reo“denken;  dieser lateinische Grundsatz besagt, dass bei nicht behebbaren tatsächlichen Zweifeln zu Gunsten des Angeklagten zu entscheiden ist. Allerdings führt eine solche Aussage-gegen-Aussage Konstellation nicht automatischzu einer Einstellung des Verfahrens oder zu einem Freispruch. 

Denn es ist  Aufgabe des Gerichts, die Glaubwürdigkeit der Beteiligten und die Glaubhaftigkeit der jeweiligen Aussagen zu bewerten. Ein guter Strafverteidiger wird deshalb im Prozess in den Angriffsmodus schalten und versuchen mit unzähligen Fragen das mutmaßliche Opfer unglaubwürdig zu machen. Dies kann der Verteidiger dadurch errreichen, dass der Zeuge oder die Zeugin durch die vielen Fragen Schwierigkeiten bekommt, den Sachverhalt konstant und stimmig in Details wie auch in Nebensächlichem zu schildern.

Am Ende des Prozesses bzw. der Hauptverhandlung muss das Gericht die verschiedenen Aussagen bezüglich der Glaubhaftigkeit bewerten. Es sind jedoch hierzu vom Bundesgerichtshof sehr hohe Anforderungen an die Begründung diesbezüglich an das jeweilige Gericht gestellt. Das Gericht muss die widersprüchlichen Aussagen anhand zahlreicher Kriterien bewerten. Am Ende dieser Analyse wird dann das Gericht im Urteil eine Entscheidung darüber treffen, welchen Geschehensablauf das Gericht für zutreffend hält. Für eine Verurteilung reicht es aber nicht aus, dass das Gericht überwiegend -also zu über 50 % - die Aussage des vermeinlichen Opfers für glaubbhaft hält. Für die richterliche Überzeugung und eine Verurteilung ist es notwendig, dass das Gericht keine vernünftigen Zweifel an dem Geschehen, was die Strafbarkeit begründet, hat.

Die Eingangsfrage kann also so beantwortet werden, dass auch bei einer Aussage-Aussage-Konstellation eine Verurteilung möglich ist, wenn das Gericht die Aussage des vermeinlichen Opfers/Zeugen für glaubbhaft hält.


Ulli H.Boldt

Fachanwalt für Strafrecht

Berlin-Dresden-Leipzig-Erfurt

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