Kein Geld wegen Unterhaltspflichten? Selbstbehalt prüfen lassen! (aktuelle Zahlen ab 01/2024)

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Nach § 1603 I BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer nach Berücksichtigung seiner Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts (sog. Selbstbehalt) den Unterhalt zu gewähren.

Niemand soll durch Zahlung von Unterhalt selbst zum Sozialfall werden!

Im Selbstbehalt enthalten sind grds. alle Kosten der allgemeinen Lebenshaltung (wie Haushaltsgeld, Miete, Mietnebenkosten, Telefon, Internet, Radio, Fernsehen etc., aber auch Kosten einer Hausrats- und Privathaftpflichtversicherung), sodass diese Ausgaben keine abzugswürdigen Verpflichtungen des Unterhaltspflichtigen darstellen.

Im Gegenzug muss der Unterhaltsberechtigte diese Kosten aus seinem Eigeneinkommen und dem ihm zustehenden Unterhalt bezahlen.

Zur Bewahrung des Selbstbehaltes mitgerechnet werden dabei auch Sozialleistungen nach dem SGB II, die neben Arbeitseinkommen an den Unterhaltsverpflichteten bezahlt werden. Dabei ist es nach dem BGH unschädlich, dass Leistungen nach dem SGB II unterhaltsrechtlich nicht als Einkommen gezählt werden.

Bei der Höhe des Selbstbehalts wird grds. danach unterschieden, wem Unterhalt geschuldet wird:

  • Ggü. minderjährigen Kindern (und im Haushalt eines Elternteils lebenden Schülern bis 21. Jahren) sind Eltern erhöht leistungsverpflichtet. Es wird nur der sog. Notwendige Selbstbehalt angesetzt.
    • Dieser beträgt ab 01.01.2024 1.200 € beim Nichterwerbstätigen und 1.450 € beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. Hierin sind Kosten für Wohnung und Heizung in Höhe von 520 € enthalten.
  • Beim sonstigen Verwandtenunterhalt ist der sog. angemessene Selbstbehalt anzusetzen.
    • Dieser beträgt ab 01.01.2024 1.750 € und enthält Kosten für Wohnung und Heizung in Höhe von 650 €.
    • Ggü. Eltern (und ggf. auch ggü. volljährigen Kindern, die ihre bereits erlangte Selbstständigkeit wieder verloren haben) beträgt dieser nun nicht mehr wie bisher 2.000 € inkl. Kosten für Wohnung und Heizung in Höhe von 700 €. Im Zusammenhang mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz besteht derzeit eine große rechtliche Unsicherheit des Selbstbehaltes im Elternunterhalt. Die aktuelle Düsseldorfer Tabelle verweist insofern lediglich darauf, dass "der angemessene Eigenbedarf zu belassen" ist, wobei der "Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger" zu beachten sei. Es gibt daher Stimmen, die besagen, dass derselbe Freibetrag von 100.000,00 € brutto jährlich anzuwenden sei. Andere vertreten inzwischen zumindest die Anhebung des monatlichen Freibetrags auf ca. 5.000,00 €. Die Entwicklungen hierzu bleiben abzuwarten.
  • Ggü. Ehegatten (und dem betreuenden Elternteil eines nichtehelichen Kindes) ist grds. der Ehegattenmindestselbstbehalt anzusetzen.
    • Dieser beträgt in der Regel ab 01.01.2024 1.475 € für Nichterwerbstätige; 1.600 € für Erwerbstätige. Hierin sind Kosten für Wohnung und Heizung in Höhe von 580 € enthalten.

Dass diese seitens der Rechtsprechung festgesetzten Werte mit der Realität der täglichen Lebensführung, insbes. der aktuell in Deutschland üblichen Mietzinsen, nicht vereinbar sind, ist uns aufgrund unserer täglichen Praxis wohl bekannt. Dennoch blieben die Werte seitens der Rechtsprechung trotz Erhöhungen zu zahlender Kindesunterhaltsbeträge weitestgehend konstant.

Zur gebotenen Korrektur werden aber folgende Ausnahmen gemacht:

  • Wird konkret eine erhebliche und nach den Umständen nicht vermeidbare Überschreitung der in den einzelnen Selbstbehalten enthaltenen Warmmieten dargelegt, erhöht sich der Selbstbehalt entsprechend (vgl. SüdL Nr.21.5.).

Wird die Wohnung von mehreren Personen genutzt, ist der Wohnkostenanteil des Pflichtigen festzustellen. Dies geschieht bei Erwachsenen nach Köpfen, Kinder werden vorab mit einem Anteil von 20 % ihres Anspruchs auf Barunterhalt abgezogen.

Besteht ein Anspruch auf Zahlung von Wohngeld ist dieser wohnkostenmindernd zu berücksichtigen.

Die Erheblichkeit und die Unvermeidbarkeit der höheren Kosten (insbes. Angemessenheit der Wohnung hinsichtlich Größe, Ausstattung und Lage im Hinblick auf die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt) sind allerdings durch den Unterhaltspflichtigen zu beweisen.

Eine Ausnahme besteht insbes. bei einer Unterhaltspflicht ggü. minderjährigen Kindern.

Dem erhöht Leistungspflichtigen kann dann zugemutet werden, seine Wohnbedürfnisse im Interesse der minderjährigen Kinder einzuschränken, soweit er sonst nicht in der Lage wäre, die Mindestunterhaltsbeträge nach der Düsseldorfer Tabelle zu leisten (sog. Mangelfall).

  • Bei geschuldetem Ehegattenunterhalt (Trennungs- oder nachehelicher Unterhalt) muss dem Unterhaltsverpflichteten nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz grds. die Hälfte des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen verbleiben (sog. relativer oder eheangemessener Selbstbehalt).

Der oben dargestellte sog. Ehegattenmindestselbstbehalt gilt daher nur, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse einen Betrag von ab 01.01.2024 2.950 € netto monatlich nicht überschritten haben.

Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille: 

So werden die oben genannten Selbstbehalte auch verringert, wenn der Pflichtige aufgrund seiner persönlichen Umstände die in den Selbstbehalten erfassten Teilbeträge nicht benötigt oder aufbringen muss. Diese sind z. B.:

  • Lebt der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner zusammen oder hat wiedergeheiratet, so vermindert sich der anzusetzende Selbstbehalt um den Betrag, den sich der Unterhaltspflichtige aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung erspart.

Dies gilt unabhängig davon, ob der neue Partner selbst leistungsfähig ist oder nicht. So muss laut dem BGH dem Pflichtigen beim Zusammenleben mit einem neuen Partner und beengten finanziellen Verhältnissen lediglich das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten verbleiben.

Ist im Falle einer Wiederverheiratung der neue Ehepartner leistungsfähig, kann der Selbstbehalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch den neuen Ehegatten gesichert sein. Der jeweilige Selbstbehaltssatz des Unterhaltspflichtigen kann dann herabgesetzt werden, ggf. bis Null (sog. Hausmann-Rechtsprechung BGH, 05.10.2006 – XII ZR 197/02). In diesem Fall wären vorhandene Barmittel des Unterhaltspflichtigen (z. B. Taschengeld seitens des neuen Ehepartners) in voller Höhe für den Unterhalt einzusetzen.

  • Keine Verringerung des Selbstbehaltes findet dagegen statt, wenn die tatsächlichen Warmmietkosten die oben genannten Beträge unterschreiten sollten (auch wenn dies in der aktuellen Mietsituation sehr unwahrscheinlich ist).

Gerne finden wir im Rahmen einer Beauftragung unserer Kanzlei für Sie heraus, wie hoch der durch Sie geschuldete Unterhalt tatsächlich ist und würden uns über die Vereinbarung eines Termins für eine Erstberatung freuen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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