Kein Mindestlohn für Auszubildende? Das stimmt – so – nicht!

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Es kommt auf den Einzelfall an! 

Eine Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung ist zu empfehlen!

Vorab

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) bezieht sich ausdrücklich nur auf Arbeitnehmer.

Und § 22 III MiLoG nimmt Auszubildende (Azubis) ausdrücklich vom Mindestlohn aus. 

Oft ist aber nicht bekannt und dies wird von Ausbildungsbetrieben auch vielfach verkannt, dass es für bestimmte Branchen durchaus rechtlich verbindliche Vorgaben und damit Mindestbeträge gibt! 

Wie kommt man hierzu? 

Zunächst gilt für alle Ausbildungsverhältnisse § 17 Abs. 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG). 

Dort heißt es (lediglich), dass jeder Azubi Anspruch auf „angemessene“ Vergütung hat.

Dies stellt aber nur eine Rahmenvorschrift des Gesetzgebers dar, die den Maßstab selbst nicht festlegt.

So kommt nun die Rechtsprechung ins Spiel, die diesen Rahmen auszufüllen hat. 

Die Gerichte prüfen also, ob die vereinbarte Vergütung noch als angemessen zu betrachten ist.

Die Angemessenheit ergibt sich aus der Verkehrsanschauung.

Wichtigsten Anhaltspunkt hierfür bilden Tarifverträge (TV) (vgl. Urteil Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 17.03.2015 zu Az. 9 AZR 732/13). Denn Tarifvertragsparteien sind regelmäßig näher am Geschehen dran, und das, was dort ausgehandelt wird hat die Vermutung der Angemessenheit für sich (vgl. Urteil BAG vom 21.05.2014 zu Az. 4 AZR 50/13).

Sofern kein TV existiert kommen als „Leitlinien“ auch Empfehlungen von Berufsverbänden und Kammern etc. (Handwerkskammer, IHK, Ärztekammer etc.) in Betracht.

Unangemessen ist dann alles, was mehr als 20 % darunter liegt (vgl. Urteil BAG vom 26.03.2013 zu Az. 3 AZR 89/11).

Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus unserer Praxis:

In NRW gibt es im Bereich der Metall- und Elektroindustrie tariflich geregelte Ausbildungsvergütungen.

Dies war in dem betreffenden Betrieb, einem namhaften Maschinenbauer, wohl auch bekannt. 

Allerdings wurden die jährlichen tariflichen Erhöhungen der Vergütung nicht übernommen, sodass sich Jahr für Jahr zunehmend Differenzen ergaben und in dem Falle bereits bei Ausbildungsbeginn die Unterschreitung mehr als 20 % betrug.

So belief sich die vereinbarte Vergütung im ersten Jahr auf 612 € statt des tariflichen Betrags von (mittlerweile) 820 €. Es kam dann noch hinzu, dass der Betrieb nicht beachtete, dass der Tarifsatz sich auf 35 Wochenstunden Ausbildungszeit bezog, konkret aber 40 Stunden vereinbart waren, so dass dann wiederum nach dem TV die 5 Mehrstunden zusätzlich zu vergüten gewesen wären. Weiter sah der TV auch ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine Sonderzahlung vor. Damit ergab sich zusätzliche Differenz.

Folge war, dass die vereinbarte Vergütung nicht mehr als angemessen bezeichnet werden kann, da im Vergleich zu den Tarifsätzen nicht mal 60 % erreicht wurden. 

Damit stand der Anspruch auf Nachzahlung im Raum, und zwar in voller (!) Höhe aus den tariflichen Sätzen, also nicht etwa nur bis zu der 80 %-Grenze. In dem konkreten Fall wurde zum Abschluss der Ausbildung eine Forderung immerhin rund 21.000 € errechnet!

Da auch keine Ausschlussfrist galt wurde der gesamte Betrag vor dem Arbeitsgericht eingeklagt.

Keine Frage, dass der Mandant, der nach seiner Ausbildung ein Studium aufnehmen wollte, solche Summe gut „gebrauchen“ konnte. Da er nun nicht „ewig“ prozessieren und das Geld eher heute als morgen benötigte, war er dann auch mit den im Vergleichswege sofort gezahlten 11.000 Euro sehr zufrieden. 

Hatte er doch jahrelang während der Ausbildung nicht im Traum gedacht, am Ende noch solchen „Nachschlag“ zu erhalten.

Fazit?

Es gibt also es doch eine Art „Mindestlohn“ für Azubis. 

Die Gerichte wenden erfahrungsgemäß auch mehr oder weniger „gnadenlos“ den 80 %-Satz an. 

Ausnahmen ließ das BAG übrigens auch nicht für sog. geförderte Ausbildungen (mit häufig vergleichsweise noch niedrigeren Vergütungen) zu.

Angesichts dieser Ausgangslage kann nur geraten werden, im Zweifel jede vereinbarte Ausbildungsvergütung auf Angemessenheit prüfen. 

Kurze Checkliste

  • Ermitteln Sie zunächst Grundlagen der Vergütung des Ausbildungsvertrags (wöchentliche Ausbildungszeit, reguläre Vergütung zzgl. Sonderzahlungen etc.)
  • Ermitteln Sie, ob ein Tarifvertrag für die Branche besteht, in dem die Ausbildungsvergütung festgelegt ist. 
  • Oder es existieren Empfehlungen der zuständigen Handwerkskammer, IHK, Ärztekammer etc. 
  • Ermitteln Sie die dann zutreffende Vergütung, also das „Soll“.
  • Frage: Welche Vergütung inkl. Sonderzahlungen etc. würde der Azubi (bei seiner wöchentlichen Ausbildungszeit) nach Tarif/Kammerempfehlung erhalten?
  • Sodann erfolgt der Vergleich der tatsächlichen Vergütung mit den tariflichen Vorgaben;
  • Frage: Werden 80 % vom dem errechneten „Soll“ erreicht?
  • Weiter dann Prüfung, ob (rechtlich wirksam) Ausschlussfristen vereinbart sind.
  • Sollte dies nicht der Fall sein, so könnte bei Fehlen anderer Absprachen dann lediglich noch die gesetzliche Verjährungsfrist (regelmäßig 3 Jahre) hinderlich sein.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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